Zum 18. Mal wurden die Theaterpreise für junges Publikum, genannt Stella, vergeben, 2024 in Kärnten / Koroška.
Alle Nominierten sind schon Siegerinnen und Sieger. Immerhin hatte die vier Juror:innen 126 Produktionen österreichischer Gruppen und Theaterhäuser im Vorjahr besucht, darüber diskutiert, mitunter sogar wie sie im Jurytalk gestanden auch heftig, und dann – nicht immer einfach – je vier in den verschiedenen Kategorien ausgewählt.
Barbara Carli, Helen Isaacson, Götz Leineweber und Danielle Strahm-Fendt, die vier Juror:innen, erzählten, sie hätten sogar diskutiert, ob es dann noch Preisträger:innen geben sollte oder besser alle Nominierten ausgezeichnet würden. Wie auch immer – die ASSITEJ-Austria, der Dachverband des heimischen Kinder- und Jugendtheaters, hatte auch Stella 2024 (für die Stücke 2023) so ausgeschrieben – wie die meisten Bewerbe. Nun also gab es neben den nicht ganz zwei Dutzend Sieger:innen also doch auch wieder Preisträger:innen, sozusagen die Besten der Besten der Besten.
Übrigens: Eine Überblicks-Story über alle Preisträger:innen sowie eine weitere über alle Nominierten ist schon (sehr) lange hier auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zu sehen und lesen – Links hier bzw. weiter unten.
Kurzweilig, mitunter szenisch und mit kleinen Rätseln fürs Publikum gespickt, moderierten drei junge Schauspieler:innen – Coco Brell, Mara Romei, Simon Schofeld. Sie selbst waren für ihre darstellerische Leistung in „Über Nacht“ (Burgtheaterstudio Wien) nominiert, weshalb sie in diesem Moment die Moderation – weil „cringe“ – abgaben. Die beiden Erstgenannten haben sich mit dem Gitarristen Bernhard Eder auch als Band „Low Life Richt Kids“ formiert und würzten die Moderation mit mehreren mitreißenden Nummern.
Die ersten Worte der jungen Juror:innen veranlassten gleich einmal die Vertreterin der gastgebenden Stadt Villach – die Stella-Gala 2024 fand in der Neuen Bühne der Draustadt statt -, Gerda Sandrieser (2. Vizebürgermeisterin und für Kultur zuständig) ihre vorbereiteten Rede-Zettel über Bord zu werfen und ein flammendes Plädoyer für jene engagierten Künstler:innen, die Theater für Kinder und Jugendliche machen, zu halten.
Die Vorstand-Vorsitzende der Assitej-Austria (Association internationale du théâtre pour l’enfance et la jeunesse), Anja Scziliniski, die auch die Moderationstexte geschrieben hatte, verknüpfte in ihrer eigenen Rede das Theaterschaffen für junges Publikum auch mit dem Recht von Kindern auf Kunst und Kultur. Zufällig fand gerade in der diesjährigen Stella-Woche auch er 35. Jahrestag der Beschlussfassung der Kinderrechtskonvention durch die UNO-Generalversammlung statt. Theater könne und solle auch Demokratie stärken sowie vielleicht gerade mit Fantasie Kindern und Jugendlichen einen Schlüssel in die Hand geben, sich in dieser herausfordernden, unübersichtlichen Welt zurechtzufinden.
Da es hier auf KiJuKU.at bereits einen Überblicks-Beitrag über alle Preisträger:innen gibt – weiter oben schon verlinkt – seine hier nur noch zwei Highlights hervorgehoben. Aus mehreren Gründen zu Tränen gerührt nahm Maartje Pasman stellvertretend für sich und ihre beiden Kollegen Futurelove Sibanda und Joseph Tebandeke für ihre merh als überzeugende Leistungen in KINGX & QWEENS (Unusual Beings, Dance Revolution East Africa, Dschungel Wien) eine der von den Schüler:innen des BRG Klagenfurt-Viktring – eigener Beitrag darüber ganz unten verlinkt – gestaltete Statue in Empfang. Ihre beiden Kollegen sind derzeit in verschiedenen anderen Ländern künstlerisch im Einsatz.
Obwohl sie – gemeinsam mit ihren beiden Kollegen – schon vor Monaten ein witziges Jubelvideo aufgenommen hatten für den Fall, dass sie gewinnen sollten, war Pasman spürbar überwältigt.
Die Tränen waren einerseits Ausfluss der Freude über diese hohe Auszeichnung und andererseits der intensiven tänzerischen Arbeit, die sich Vielfalt und Diversität widmet(e) sowie des Andenkens an die im Sommer leider viel zu früh verstorbene Tochter der Co-Choreografin ihrer Produktion und langjährigen Dschungel-Wien-Leiterin Corinne Eckenstein. Lucy, schwerbehindert geboren, hatte immer Zuversicht, Hoffnung, Optimismus, Lebensfreude ausgestrahlt und Diversität gelebt. Ihr widmete Maartje Pasman in einer berührenden Geste und entsprechenden Worten auch diesen Preis.
Mit einer Ganzkopf-Nashornmaske betrat die Laudatorin für den Sonderpreis die Neue Bühne Villach. Jene, die eine der vielleicht stärksten berührendsten und durchaus auch ungewöhnlichsten der Dutzenden Top-Produktionen von Nadja und Martin Brachvogel kennen, hatten sofort ihren Aha-Moment: „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“, ein Stück von Jens Raschke über den fast unglaublichen Wahnsinn im Wahnsinn, einen von Gefangenen des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald in der NS-Zeit erbauten Tiergarten (Zoo) neben dem KZ – Link zu einer Stückbesprechung (damals noch im Kinder-KURIER) unten am Ende des Beitrages.
„Mit einer Nashorn-Maske betrete ich die Bühne – ein Zeichen dafür, dass Aufmerksamkeit manchmal eines kleinen Spektakels bedarf. Es ist mir eine große Ehre, Nadja und Martin Brachvogel zu ehren, das dynamische Duo hinter Follow the Rabbit, das mit dem Stella-Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird“, sagte Saskia Schlichting, Leiterin der Kinderkultur im WuK (Werkstätten- und Kulturhaus) in Wien. In ihrer umfassenden – und letztlich doch spontan gekürzten – Rede würdigte sie die vielfältig, sich auch ständig erneuernde Arbeit des Duos, schloss auch so manche Bildungslücke mit einem Exkurs zu dem wirklich existierenden Vogel, dessen Nachnamen die beiden tragen. Und schilderte, wie viel sie aus der Zusammenarbeit als Veranstalterin des Kinderprogramms in dem besagten Kulturhaus selber lernen und sich weiterentwickeln konnte.
„Seit 2004 erweitert ihre Theatergruppe den Horizont des Theaters – interdisziplinär, innovativ, preisgekrönt. Ihre Werke für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind humorvoll, provokativ und tief berührend. Mehr als 30 Produktionen und zahlreiche Auszeichnungen zeugen von ihrer künstlerischen Exzellenz“, sagte die Laudatorin unter anderem.
An beispielhaften Inszenierungen nannte sie – neben etlichen anderen:
* „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ und charakterisierte es als „eine beeindruckende Inszenierung über den Holocaust, die durch Reduktion und Klarheit bewegt“ und vielleicht auch anrege, eben über Zäune zu schauen und Fremdes entdecken zu wollen.
* „Shoot’n’Shout: Ein Jugendstück über Alltagsgewalt, das mit kluger Provokation irritiert und zum Dialog einlädt.“
Die Wirkung des Theaters, das die beiden Stella-Sonderpreis-Ausgezeichneten (dieser wird vom jeweiligen Vorstand der ASSITEJ vergeben) meinte Saskia Schlichting: „Es gibt Stücke, die nicht nur im Gedächtnis bleiben, sondern ins Herz schneiden. Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute, gehört dazu. Es stellt die schwerste aller Aufgaben: Kindern vom Holocaust zu erzählen, ohne sie zu überfordern, und gleichzeitig moralische Fragen für Erwachsene ungeschönt aufzuwerfen. Follow the Rabbit hat hier eine beeindruckende Inszenierung geschaffen, die uns auffordert, genau hinzusehen – damals wie heute.“
Am Ende ihrer Würdigungsrede kehrte sie zur Nashorn-Maske zurück: „Mit der Maske des Nashorns greife ich ein Symbol aus einem ihrer bedeutsamsten Werke auf. Wie der sprechende Hut aus Harry Potter weist uns ihr Theater den Weg: Über Grenzen schauen, mutige Fragen stellen und Antworten suchen. Der Stella-Preis für das Lebenswerk geht an Follow the Rabbit – für ihre unvergleichlichen Beiträge zum Theater.
Die beiden Sonderpreis-Ausgezeichneten ließen es sich nicht nehmen, sich inhaltsreich zu bedanken. Nadja, die derzeit in Hamburg arbeitet, schreib eine Rede, die ihr Arbeits- und Lebenspartner Martin, der nach der Heirat ihren Namen angenommen hatte, vortrug. Beide haben mittlerweile auch Erfahrung im Theater für erwachsenes Publikum und neben bisher einem halben Dutzend Stella-Preisen in den 20 Jahren ihres Schaffens, zunächst als Theater Mundwerk, seit vielen Jahren eben als „Follow the Rabbit“, auch „Nestroy“-Preise bekommen. Aus der Erfahrung am Rande der Nestroy-Preisverleihung im Vorjahr aber auch anderen Begegnungen mit Theaterschaffenden schilderte Nadja Brachvogel in der von Martin vorgetragenen Rede. Belächelt und herabgewürdigt für die Arbeit für Kinder und Jugendliche…
„Und auch wenn das Kolleg:innen aus anderen Sparten vielleicht anders sehen, halte ich Theater für junges Publikum immer noch für die gesellschaftlich wichtigste Kunstform. Wir haben ein hoch diverses Publikum, wovon der Abendspielplan nur träumen kann. Wir bauen Nähe zu den Menschen auf und kommen nicht auf dem hohen Ross daher. Wir begegnen unserem Publikum auf Augenhöhe und versuchen Wege aufzuzeigen, um die Komplexität dieser Welt bewältigen zu können. Wir bieten wichtige kulturelle Bildung an Stellen, wo diese zu kurz kommt.“
Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.
Anlässlich der Bekanntgabe der Jury, welche Produktionen und Künstler:innen für den Stella 2024 – für Arbeiten, die 2023 gezeigt worden waren – nominiert sind, erschien hier auf Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… dieser hier unten verlinkte Beitrag.