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Szenenfoto aus "Riot im Oikos"

Aufstand (nicht nur) im (Gewächs-)Haus

„Riot im Oikos“ (Aufstand im Haus(halt) ist die erste der Performances beim aktuell laufenden vierten Skin-Festival im Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier, dem Dschungel Wien. Sieben Künstlerinnen laden ein auf eine kompakte, performative Zeitreise durch rund 2500 Jahre Kampf von Frauen* gegen ihre Unterdrückung – und damit aber auch für allgemeine Menschenrechte und immer wieder auch gegen Krieg(e).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Riot im Oikos“

Die Bühne „wächst“ sich auch auf die Publikums-Tribünen im Saal 3 des Theaterhauses aus (Bühne: Caro Wiltschek). Hier stehen viele Bäumchen, Kräuter und andere Pflanzen in Blumentöpfen. Zentral auf der Bühne eine Art Gewächshaus – als Symbol für ein enges Häuschen in das Frauen oft gesperrt, reduziert werden. Das dann ganz unironisch oftmals noch als ihr „Reich“ bezeichnet wird. Noch sind die meisten drinnen. Davor beginnt Anna Gaberscik in der Rolle einer antiken griechischen Magd – und später durchgängige zeitreisende Erzählerin – die Anekdote vom berühmten Philosophen Thales von Milet zum Besten zu geben. Er hatte seinen Blick in den Himmel auf die Sterne gerichtet und sei angeblich dabei gestolpert und in einen Brunnen gefallen. Männer hätten sozusagen den Blick fürs Große, aber nicht für das Naheliegende, das Leben.

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Szenenfoto aus „Riot im Oikos“

Präsentation von Vorkämpferinnen

Dass Frauen aber sich nicht nur ins Haus oder den Garten drängen ließen und ebenso sich mit großen Gedanken beschäftigten, auch wenn viel zu viele dieser nicht so bekannt werden durften/wurden – diese Bildungslücken schließen die Genannte sowie ihre Kolleginnen Guadelupe Aldrete, Shahrzad Nazarpour, Berenice Pahl und Julischka Stengele, die in Rollen von Kämpferinnen der Epochen Antike, Mittelalter, erster feministischer Welle (um 1900), zweiter Welle (ausgehend von den 68er:innen) schlüpfen: Ninon de l’Enclose/ Sojourner Truth/ Marcela Lagarde/ Lysistrate; Myrina/ Nawal El Saadawi/ Jane Austen/ Chadidscha bint Chuwailid, Aspasia von Milet/ Betty Friedan/ Olympe de Gouges/ Emmeline Pankhurst sowie Katharina die Große/ Sappho/ Simone de Beauvoir/ Clara Zetkin. Mal von der Bühne rund um das Häuserl, dann wieder in verschiedenen Ecken des gesamten Raumes – an vier Stellen gleichzeitig für jeweils kleine Publikumsgruppen, zu denen die Zuschauer:innen per Farbpunkt zu Beginn eingeteilt werden (nicht wie im Programmheft nach eigener Wahl; auch das dort angekündigte Eingreifen ins Geschehen findet nicht statt).

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Szenenfoto aus „Riot im Oikos“

Humor, Ironie

Xéna N.C., queere Rapperin und Olivia Jacques, die gemeinsam mit Berenice Pahl (von ihr stammt auch das Konzept) Regie führte, leiten die jeweiligen Epochen und zentralen Themen rappend und singend ein. Nicht nur dadurch lockert sich die Geschichtsstunde in Sachen Feminismus auf. Immer wieder sorgen die Performerinnen auch durch ihr Spiel, durch ihre Art der Vermittlung der Anliegen auch für humorvolle, ironische Elemente. Nicht zufällig nennt das Regie-Duo die eigene Gruppe „love2laugh“ (Liebe zu lachen).

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Szenenfoto aus „Riot im Oikos“

International und Selbstbestimmung

Wenn‘s zur Gegenwart kommt, lösen sich die Rollen auf und das Kollektiv der sieben Performer:innen nennt zumindest schlagwortartig noch weniger bekannte feministisch Kämpferinnen in Lateinamerika, China, Indien – allerdings nicht in Afrika. Und es werden auch Differenzen aus dem feministischen Diskurs angesprochen. Als die Sprache auf die aktuellen Proteste im Iran kommt, fällt bald die Bewunderung dafür, dass Frauen Kopftücher abnehmen und verbrennen. Bis dies als doch sehr weißer, westlicher Standpunkt demaskiert wird. Die im Iran aufgewachsene Shahrzad Nazarpour weist darauf hin, dass es in Wahrheit um die Frage der Selbstbestimmung gehe. Frauen, die sich wohler fühlen mit Hijab oder ihn aus religiöser Überzeugung tragen wollen, sollen das auch tun dürfen, ohne von anderen Frauen dafür gescholten zu werden. Und dieses kurze Statement führte zu kräftigem, spontanem Beifall der mit Schüler:innen vollbesetzten Vorstellung, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besuchte – am Vormittag des 8. März, des feministischen Kampftages, wie er in jüngster Vergangenheit öfter auch bezeichnet wird, weil „Frauentag“ A) häufig schon zum Marketingtool von Supermärkten und anderen Unternehmen benutzt wird. Und B) Der Stern hinter „Frauen*“ bewusst gewählt wurde, weil zwar schon Simone de Beauvoir geschrieben „man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“, aber in der aktuellen Diskussion sich unter die vom Patriarchat Unterdrückten auch „Flinta*“ einreihen (Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-Binäre, Transgender, Agender – und auch da nochmals ein Stern für all jene die sich unter keinem der in den Buchstaben genannten Gruppen wiederfinden).

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Szenenfoto aus „Riot im Oikos“

Am Ende stand der skandierte Spruch „No means No!“ – Nein heißt Nein – als deutlicher Sager gegen (sexuelle) Übergriffe. Und ein „Yes to togetherness!“ (Ja zu Zusammengehörigkeit).

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