Dunkel. fast absolut finster. Zappenduster. Im Hintergrund der Bühne aber tut sich was, Schritte sind zu hören, leise, zart. Noch immer kaum was zu sehen. Die ersten Stimmen erklingen. Sanft. Zaghaft. Es sind Tierlaute. Miauen, bellen. Die werden lauter, irgendwie auch aggressiver. Sozusagen das Sprichwörtliche „wie Hund und Katz“, die als Symbol für Feindschaft schlechthin herhalten müssen.
So beginnt die Show4Peace im Dschungel Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier. Es ist der Abschluss des nach der durch die Pandemie erzwungenen Pause des PeaceCamp, einer von Österreich ausgehenden Friedensinitiative mit – heuer 27 – jüdischen und arabischen Jugendlichen aus Israel sowie Alterskolleg:innen aus Österreich und Ungarn. Zehn Tage haben sie gemeinsam im niederösterreichischen Lackenhof (heftig) diskutiert, gemeinsam in kreativen Workshops getanzt, viel Spiel und Spaß miteinander gehabt – und nicht zuletzt die Abschluss-Show entwickelt, erarbeitet, geprobt und zuletzt eben zwei Mal – einmal am Ort des FriedensCamps und an ihrem (vorerst) letzten gemeinsamen Abend im schon genannten Theaterhaus aufgeführt.
In der Show werden sie fast alle zu einer gemeinsamen „PeaceTopia-Maschine“ mit mehreren einzelnen Szenen – in einem Kaffeehaus, in der Schule, sowie etlichen Solo-Auftritten – gesungen, rezitiert bzw. Statements abgegeben. Womit auch der Abend einerseits einzelnen Persönlichkeiten in den Fokus rückt und andererseits bzw. meist auch noch gleichzeitig das gemeinsame Ineinandergreifen darstellt. In einem Solo fiel der Satz: „Jede und jeder hatte beim PeaceCamp die Freiheit, die eigene Ver-rücktheit zu leben!“
Die Café-Szene dreht sich um Rassismus – und so wird die „Maschine“ ergänzt, umgebaut und „spuckt“ nun nur mehr Menschen aus, die keine Rassist:innen sind. In der Schulszene ignoriert der auf besonders lässig spielende Lehrer alle jene, die als Mädchen gelesen werden, nimmt nur Jungs dran, die allerdings kaum Antworten geben können. Und so folgt ein Statement gegen Geschlechter- und überhaupt jedwede Diskriminierung.
Dass eine Maschine dieses wichtige sozial- und gesellschaftspolitische Lernen nicht leisten kann, führen dann Szenen vor, in denen der Auftrag zu einem „Peace-Roboter“ erteilt wird, einer der Jugendlichen mit Karton über dem Kopf klassisch robotermäßig ausschaut und sich als „Piss“-Roboter vorstellt, ein Wortspiel, das eben nur in der englischen Sprache funktioniert, aber hier wohl ohne weitere Erklärung auch kalr ist. Englisch war für die zehn Tage die gemeinsame Sprache aller Teilnehmer:innen und Workshopleiter:innen.
Zu Interviews mit vier Teilnehmer:innen geht es hier unten:
Eingestreut in die rund ¾-stündige Performance sowie den anschließend gezeigten vor Ort aufgenommenen und geschnittenen ½-stündigen Film waren immer wieder Szenen und Sätze, die zeigten, wie die Jugendlichen binnen kürzester Zeit Vorurteile abbauen, ihre Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rücken, die Gegensätze überbrücken bis überwinden können. Noch dazu gerade in der aktuellen hoch-explosiven Situation in Israel bzw. zwischen diesem Staat und den benachbarten Palästinenser:innen in besetzten Gebieten.
Das galt übrigens praktisch immer auch für die Vorgänger-PeaceCamps, die 2004 begonnen haben, ins Leben gerufen von Evelyn Böhmer-Laufer. Damals noch ohne ungarische Teilnehmer:innen. Mit dabei übrigens beim ersten PeaceCamp war Lia Böhmer, Tochter der Initiatorin und deren stark unterstützendem Mann Ronny Böhmer, als 14-Jährige Teil der österreichischen Delegation. Die Sozialarbeiterin in der Wiener mobilen Jugendarbeit leitete heuer – gemeinsam mit AnnPhie Fritz und Lukas Hauptfeld dieses großartige Friedensprojekt, das nun auch stärker alle vormaligen Teilnehmer:innen vernetzen will – beispielsweise in einer längeren Online-Konferenz im Herbst dieses Jahres.
„Wegen euch wunderbaren jungen Menschen verliere ich nicht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft dieser Welt“, sagte die Erfinderin des PeaceCamps, das heuer übrigens unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Alexander van der Bellen stand – und über das Programm Erasmus Plus zumindest für die nächsten fünf Jahre gesichert ist.
Zur – neuen – Homepage der Initaitive PeaceCamp geht es hier
Mitte der Woche (12. Juli 2023) ging das 17. PeaceCamp, das erste nach den Pandemiejahren, zu Ende. Zehn Tage lang hatten Jugendliche aus Israel – jüdische und arabische -, Ungarn und Österreich gemeinsam Spiel, Spaß. Kreative Workshops und (heftige) Diskussionen. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… war bei der abschließenden Show4Peace im Dschungel Wien – zu einem Bericht darüber gibt’s den Link unten am Ende dieses Beitrages. Vier der Teilnehmer:innen erzählten dem Reporter über ihre Eindrücke: Ido (16) aus Kfar-Hasidim (Israel), Ehab (16) aus Nazareth (Israel), Hanna (16) aus Budapest (Ungarn) und Ami (17) aus Wien (Österreich).
Ido: Ich war vor den zehn Tagen sehr aufgeregt. Und kurz gefasst, das PeaceCamp brachte mehr als ich erwartet habe mit all diesen wundervollen Menschen und jetzt ist es wenige Stunden vor dem Abschiednehmen.
Natürlich spielte der Konflikt zwischen Israel und Palästina eine große Rolle, es war Platz und Zeit, darüber intensiv zu diskutieren. Aber aufgrund der vielen gemeinsamen Aktivitäten haben wir nicht zu viel darüber geredet. Und selbst dann, wenn wir intensiv diskutiert haben, waren wir alle freundlich und nett zueinander. Das ist mein Eindruck von dem, was PeaceCamp kann. Als Kids, als Jugendliche ist es vielleicht noch leichter zu begreifen: Wir sind alle Menschen.
Ehab: Die ersten beiden Tage hatten wir nur Spaß, konnten Teenager sein. So war es einfach, den Kontakt zueinander zu knüpfen. Ja, und dann kamen die großen Runden dazu, in denen wir ernsthaft diskutierten. Was ich am PeaceCamp mochte und mag, ist wie intensiv auch immer die Diskussionen waren, gleich danach waren wir einfach die Teenager wie in den ersten beiden Nur-Spaß-Tagen. Wir haben nie politischen Fragen vermischt mit dem, wer wir als Menschen sind. Wie unterschiedlich auch unsere Standpunkte waren oder sind, wir respektieren und mögen einander einfach als Menschen.
Hanna: In den zehn Tagen habe ich all die anderen Jugendlichen als Menschen kennengelernt, sie sind nun alle meine Freund:innen. Und es ist jetzt ein paar Stunden vor dem Ende echt schwer, Abschied zu nehmen. Aber ich hoffe, dass wir weiter alle in Kontakt bleiben können, um miteinander zu reden. Wir haben gemeinsame Erfahrungen gemacht und die sind sehr wichtig.
Ami: Die Menschen, die ich hier getroffen habe, haben wirklich mein Leben verändert, weil ich viel über alle anderen hier, über sie und ihre Kultur, gelernt habe. Ich habe auch an Aktivitäten anderer Religionen teilgenommen. Ich habe gelernt, Probleme auf unterschiedliche Art zu lösen. Und ich bin glücklich“, strahlt die Wiener Schülerin, die im Gegensatz zu ihren drei anderen Interview-Kolleg:innen die Information über das PeaceCamp nicht in ihrer Schule, sondern im Jugendzentrum bekommen hat. „Ich plane eine Reihe von Video-Calls mit Teilnehmer:innen, ich will ständig in Kontakt mit ihnen bleiben, weil die zehn Tage zu schnell vergangen sind. Aber ich habe viele Erinnerungen, viele Bilder und ich bin glücklich und weiß, in vielen Monaten oder Jahren werde ich zurückblicken und sicher nicht bereuen, mich auf diese zehn Tage eingelassen zu haben.“
Ido erfuhr in der Schule und ist einer von acht, die teilnehmen durften, Ehab hat’s auch in der Schule erfahren. Hanna wurde nur vom Englisch-Lehrer informiert und findet es einen Fehler, dass es nicht in der Schule allgemein verbreitet wurde, dass es diese Chance gibt. „Zuerst hab ich mich nicht getraut, aber dann hat mich meine Mutter ermutigt, aus meiner Komfortzone rauszugehen und mich doch für die Teilnahme anzumelden. Ich bereue es auf keinen Fall!“ Ami besucht seit 2019 ein Jugendzentrum in Wien, das von Lia Böhmer geleitet wird. Sie ist die Tochter der beiden Gründer:innen von PeaceCamp. „Sie hat mir das empfohlen und weil ich ihr vertraue, bin ich da.“