Der leicht verwirrende Titel deutet auf die performative Textcollage des „Dostojewski-Experiments“ im Theater Arche (Wien) hin.
Große, weite Reisen auf relativ kleinem, engem physischem Raum – ein Merkmal des Riesentheaterprojekts „Odyssee 2021“ im Theater Arche umfasst nicht nur die ausführliche dreistündige Stationen-Performance durch Klassiker der Weltliteratur und Texte moderner Autorinnen. „Nebenbei“ findet auch ein Festival mit Lesungen und Stücken bzw. Performances vor allem zu den Klassikern statt. Derzeit steigt der knapp mehr als einstündiger Abend „Das Dostojewski-Experiment“ – bis einschließlich 30. Oktober (2021).
Theater-Co-Direktor Jakub Kavin als Regisseur hat Texte aus „Verbrechen und Strafe“ (vormals „Schuld und Sühne“), „Der Idiot“, „Der Traum eines lächerlichen Menschen“, „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ (auch als „… aus einem toten Haus“ bekannt), „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ (auch als … aus dem Untergrund“ übersetzt) und schließlich „Die Sanfte“ nach einem Workshoptag mit zwölf Schauspieler:innen zusammengestellt, wie er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … nach der Premiere erzählt. Das war im Sommer des Vorjahres als er zum Casting für die Odyssee 2021 geladen hatte. Die einen wurden Teil der ganz großen Reise, andere u.a. Teil dieses Dostojewski-Projekts. Die bevorstehende 200. Wiederkehr des Geburtstages des großen russischen Dichters – am 11. 11. – war einer der Ankerpunkte für die „Irrfahrt“.
Die nunmehr verbliebenen elf Schauspieler:innen bewegen sich – ähnlich wie in der Schlussphase der Odyssee mit Texten zeitgenössischer Autorinnen – kreuz und quer durch den Raum, ziehen ihre Kreise und Ecken. Spot auf die eine oder den anderen. Monologe. Mitunter stehen auch mehr – bis alle – im Rampenlicht und interagieren, dialogisieren oder sprechen fast im Chor.
Und so unterschiedlich die Texte aus Dostojewskis Romanen, Novellen und tagbuchartigen Aufzeichnungen sein mögen, so geben sie in dieser Collage doch einen Bogen als wär’s fast eines seiner Werke. Wobei da zugute kommt, dass in seinen großen Romanen viele Handlungsstränge nebeneinander laufen und noch mehr Figuren auftreten. Die Schilderungen aus dem Gefängnis (…aus einem Totenhaus) greifen in die immer wieder zitierten Passagen rundum Raskolnikow (den Mörder der Wucherin aus „Verbrechen und Strafe“) als würde der dort einsitzen.
Zerstörte, kaputte Typen, Verzweiflung und doch sich über andere erheben, diese abzuwerten bis zur Entmenschlichung … – damit werden die alten Texte (leider) doch wieder aktuell. Und kommen nahe und näher – nicht zuletzt dadurch, dass fast jede/r der elf Schauspieler:innen in fast jede Rolle schlüpft.
Idee, Regie und Dramaturgie: Jakub Kavin
Mit: Sabine Dorner, Naama Isabelle Fassbinder, Peta Klotzberg, Anna Katarzyna Kolkowska, Greta Lindermuth, Uschi Nocchieri, Verena Spiesz, Georg Beham-Kreuzbauer, Peter Buchecker, Jürgen Pfaffinger, Sascha Titel
Bis 30. Oktober 2021
Theater Arche: 1060, Münzwardeingasse 2A
Telefon: 650 620 4554
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