„Liebe/ Eine argumentative Übung“ – Ironisierung von Geschlechterverhältnissen anhand der beiden Comicfiguren derzeit im Wiener Kosmos Theater.
„Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt/steht eine starke Frau…“ So uralt dieser Spruch ist, so ist er leider noch immer nicht ein Relikt aus Geschichtsbüchern. Kaum eine männliche Führungskraft wird gefragt, wie er das schafft Kinder, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Beispielsweise.
In sehr witziger Form wird das noch immer anhaltende Klischee derzeit im Wiener Kosmos Theater – wenn auch mit sperrigem Titel – thematisiert, dargestellt, auf die Schaufel genommen anhand modernisierter Versionen der Comic-Figuren Olive Oyl und Popeye. „Liebe/ Eine argumentative Übung“ ist ein Stück der israelischen (Theater-)Autorin Sivan Ben Yishai. In der Regie von Anna Marboe laufen Anna Lena Bucher, Claudia Kainberger, Aline-Sarah Kunisch und Tamara Semzov zur rund 1 ½ Stunden voller, sehr oft ironischer, Spielfreude auf. Manchmal ansteckend, hin und wieder, wenn’s zu überdreht oder fast kontraproduktiv wirkt, eben nicht. Unbedingt erwähnenswert: Bühnenbild und Kostüme von Lisa Horvath zwischen schrill, assoziativ und Showbühne.
Die bekannte Olive Oyl, hier als Olivia, ist hier erfolgreiche Romanautorin – durchaus deftig. Mit „Zitaten“ aus ihrem zweiten Werk über den ersten Orgasmus einer 12-Jährigen in der Badewanne startet das Stück. Der viel berühmter gewordene Spinat verzehrende Seemann träumt in diesem Stück davon, Filmregisseur zu werden. Schafft aber keine zwei Seiten eines Drehbuchs. Und auch nicht viel mehr aus den Romanen seiner späteren Lebensgefährtin zu lesen.
Olivia wiederum steckt völlig hinter ihm zurück, macht sich klein, überlässt ihm das Rampenlicht. Natürlich nicht wirklich im Stück, denn dieses dreht sich vor allem um sie und eben ihren Widerspruch, einerseits Feministin zu sein, andererseits ja nicht darauf zu pochen, um den jüngeren, muskel-aufgepumpten Seebären nicht zu kränken, nicht zu verlieren. Sogar auf ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse verzichtet sie, weil er sie nicht lecken will…
So ernst Situation und Thema klingen, so überhöht, witzig, schrill, schräg, bunt performen die Schauspielerinnen in stets wechselnden Rollen – teils unterbrochen durch schnulzige Schlager – mit mehr als einem Schuss Humor, Ironie, Sarkasmus. Und natürlich mit Happy End in dem sich Olivia von Popeye eeeeendlich trennt, um sich selbst gerecht zu werden.
Witzig und treffend wird in dieser Inszenierung ein noch immer viel zu häufig bestehendes Problem an Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auch in privaten Beziehungen hier aufbereitet, wenngleich es doch nur alte, überkommene Klischees boxt, womit dann alle im Publikum solche Verhaltensweisen fast von sich weisen können.
Apropos alte, selbst aufgebaute Klischees, die aufs Korn genommen werden. Faktenbefreit ist die Behauptung, im Internet würden sich bei der Suche nach Bildern von Olivia nur ganz wenige und vor allem solche mit Popeye finden. UND: Vor allem wird ignoriert, dass Olive Oyl ab 1919 zehn Jahre lang durch die Comic-Streifen von E. C. Segar lief, bevor Popeye überhaupt in diesem Zeichentrick-Universum aufgetaucht ist – zumindest laut Wikipedia – en.wikipedia.org/wiki/Olive_Oyl – (Gestehe, kein Auskenner dieser Serie zu sein.)
von Sivan Ben Yishai
Regie: Anna Marboe
Es spielen: Anna Lena Bucher, Claudia Kainberger, Aline-Sarah Kunisch, Tamara Semzov
Bühne & Kostüm: Lisa Horvath
Regieassistenz: Juliane Aixner
Aufführungsrechte: Suhrkamp Theater Verlag Berlin
Bis 20. November 2021
Kosmos Theater Wien
1070, Siebensterngasse 41
Telefon: 01 523 12 26
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