Befreit von Moralinsäure dafür mit viel (Spiel-)Witz zeigt das taO! (Theater am Ortweinplatz, Graz) „Das kalte Herz“ frei nach Wilhelm Hauffs Märchen.
Geld regiert die Welt. Auch wenn die drei Darsteller:innen nur mit den billigsten Münzen – kupfernen 2-, 5- vielleicht auch 1-Cents – Ziel schießen in ein Blechhäferl auf der Tischmitte spielen, so zeigen sie damit verspielt den Kern des Märchens „Das kalte Herz“.
Verena Kiegerl, Kirstin Schwab und Manfred „Ossi“ Weissensteiner vom taO! (Theater am Ortweinplatz, Graz) haben sich das Märchen von Wilhelm Hauff hergenommen, spielen die Grundgeschichte vom armen Köhler Peter Munk, der reich werden will – nicht zuletzt, um Anerkennung zu finden. Premiere und einzige Aufführung in diesem Jahr – wegen des vorangegangenen Lockdowns bzw. dem Ausfall von Schulvorstellungen auch danach – war Samstagabend (18. Dezember 2021), Im Mai 2022 steht es wieder auf dem Spielplan.
Drei erfüllte Wünsche machen den Kohlen-Peter zwar wohlhabend, aber er verarmt auch wieder schnell. Und kommt noch einmal zu praktisch ewigem Reichtum – durch den Deal, sein Herz gegen eines aus Stein zu tauschen. Das moralinsaure und zwischenzeitlich sogar ziemlich brutale Happy End des bald 200 Jahre alten Originals (aus 1827) lässt dieses Grazer Kinder- und Jugendtheater bewusst aus.
Gefühle würden ohnehin überbewertet, seien meist nur lästig, Ellbogen und Ich-AG ist längst angesagt. Weder Freigiebigkeit noch Empathie, alles dreht sich um die „Kohle“, mit der der Köhler ja wenig machen konnte. Mit sehr viel Spielfreude und -witz stellen die drei Schauspieler:innen in der Fassung, die sie auch gemeinsam erarbeitet haben, immer wieder ironisch die herrschende Wertigkeit in Frage, ohne zu viel den Zeigefinger zu erheben, dafür immer wieder auch musikalisch untermalt (Robert Lepenik).
Zur größten Gaudi – für Publikum und zwei des Bühnentrios – Kiegerl und Weissensteiner – wird die inszenierte fast slapstick-artige Herzoperation. Mit Hammer, Meissel und einem mächtigen Akku-Schraubendreher (Bühne und Ausstattung: Flora Hogrefe) veranstalten sie auch eine ordentliche Kunstblut-Sauerei auf und rund um den OP-Tisch. Weniger lustig scheint das für Schwab zu sein. Passt zu ihrer Rolle als „Kohlen“-Peter, der anfängliche Loser im Konzert der Großkopferten und Reichen, der hier zu Beginn nur „gewinnt“, weil er das Publikum als die noch größeren Loser „beschimpft“.
Raum und Zeit für spielwitzigere Momente bekommt Kirstin Schwab dafür vor der ersten Reich-Werdung. Sie dürfe ihre Wünsche nicht aussprechen, sondern nur pantomimisch darstellen. Da kann sie sich austoben.
Nach dem Eingriff tragen die Chirurg:innen einen ganzen Tisch voll unterschiedlichster Steine herein – als Alternative zu pochenden Herzen werden sie symbolisch den Zuschauer:innen angeboten. Für seltene Momente, wo doch ein echtes gebraucht werden würde, könnte ja eines der herausoperierten auf einem baumartigen Gebilde kunstvoll und leuchtend angeordneten Herzen ausgeborgt werden 😉
Eine notwendige Wertediskussion frei nach Wilhelm Hauff
ca. eine Stunde
Von und mit: Verena Kiegerl, Kirstin Schwab, Manfred Weissensteiner
Dramaturgie und szenische Einrichtung: Thomas Sobotka
Bühne und Ausstattung: Flora Hogrefe
Musikalische Einrichtung: Robert Lepenik
Technik: Lukas Ledoldis
Outside Eye (dramaturgische Beratung): Martin Brachvogel
12. bis 31. Mai 2022
taO! – Theater am Ortweinplatz: 8010 Graz, Ortweinplatz 1