„Molières Schule der Frauen“ im St. Pöltner Landestheater (Niederösterreich) in einer sehr witzigen, teils clownesken Inszenierung mit viel Live-Musik.
Auch wenn die Inszenierung (Ruth Brauer-Kvam) im St. Pöltner Landestheater das Stück näher an unsere Zeit heranrückt – in die sogenannten wilden 20er (des vorigen Jahrhunderts), folgt „Molières Schule der Frauen“ doch stark dem Original. Und das ist 350 Jahre alt – und entweder so modern oder umgekehrt hat die Männerwelt (oder wenigstens ein viel zu großer Teil davon) nicht allzu viel dazugelernt.
Jean-Baptiste Poquelin (1622 bis 1673), der praktisch nur unter seinem Künstlernamen Molière bekannt ist, selber auch Schauspieler war, ist vor allem für einige seiner knapp drei Dutzend Stücke bekannt. Meist bitterböse Komödien in denen er menschlich Schwächen meisterhaft bloßlegt und sie der Lächerlichkeit preisgibt.
In „Die Schule der Frauen“ möchte sich Arnolphe (Tilman Rose) sozusagen eine junge Ehefrau „heranzüchten“. Praktisch nur eingesperrt lässt er Agnès (Laura Laufenberg) nur Dinge lernen, die ihm zu Gute kommen sollen – sogenannte hausfrauliche Pflichten. Es taucht jedoch ein junger Mann, Horace (Philip Leonhard Kelz) auf, der sie verehrt, in den auch sie sich verliebt.
So die Grundstory. Wie Molière diesen Arnolphe als herrschsüchtigen Tyrannen, der die Frau einsperrt, sie formen, biegen und brechen will, aufs Korn nimmt – sorgte 1662 in der feinen Gesellschaft in Paris für ziemliche Aufregung, rüttelte das Stück doch an HERRschenden Moral-, Ehe-, und Geschlechtervorstellungen. Weshalb der Autor kein Jahr später ein weiteres Stück nachschob: „Die Kritik der Schule der Frauen“.
Diese Rahmenhandlung, in der Theater-Besucher:innen über das erstere Stück diskutieren, greift die St. Pöltner Inszenierung auf und verpackt es anfangs in eine Stummfilmszenerie – mit auf dünnem, dunklen, durchscheinenden bzw. in den Bühnenhintergrund projizierten Aussagen und – aus dem Original auf zwei Personen verdichteten gegensätzlichen Diskutant:innen: Uranie (Marthe Lola Deutschmann) und Climène (Michael Scherff).
Während sie das Stück großartig fand, zerfetzt er es – aber eher aus Prinzip: „Ich will gar nicht hören, sondern mich nur ärgern!“ Wie aktuell – nicht nur auf Geschlechterfragen ist das doch 😉
Zu den schon genannten Figuren und ihren glänzenden Darsteller:innen gesllen sich noch Tim Breyvogel und Tobias Artner, die in mehrere Rollen schlüpfen – von Arnolphes Bediensteten, die sozusagen als Gefängniswärter:innen fungieren über zwei Notare bis zu weiteren Nebenfiguren (Bühne: Monika Rovan; Kostüme: Ursula Gaisböck). Sie vor allem verstärken die Commedia dell’Arte-Manier dieser Inszenierung mit über weite Strecken stark bis übertrieben clowneskem Spiel, das die Absurdität des Besitzen-Wollens eines Menschen auf die Spitze treibt.
Besonders hervorzuheben ist allerdings eine weitere Künstlerin, die die meiste Zeit am Rande auftritt. In der ersten Loge neben der Bühne hat Ingrid Oberkanins ihr kleines Orchester aufgebaut. Mit verschiedenen Schlagwerken und immer wieder einer über einen Schlauch geblasenen Melodica spielt sie nicht nur Untermalung, sondern immer wieder eigenständige Rollen im Wechselspiel mit Schauspieler:innen. Im letzten Drittel wechselt sie vor allem als Schlagzeugerin direkt auf die Bühne, wo ihre wichtige Rolle im Geschehen dieser Inszenierung noch offensichtlicher wird.
Einziges Manko: „Molières Schule der Frauen“, das am Silvestertag – sowohl am Nachmittag als auch am Abend gespielt wurde – steht in der laufenden Saison (es stammt aus der vorigen) nicht mehr auf dem Programm. Schade. Könnte vielleicht nicht schaden, wenn noch mehr Menschen das Stück erleben, in dem mit viel bitterbösem Humor toxische Männlichkeit zerlegt wird.
von Molière
mit Texten aus „Kritik der Schule der Frauen“ (in der Übersetzung von Hans Weigel) sowie „Der Menschenfeind“ (Übersetzung: Monika Fahrenbach-Wachendorff)
Inszenierung Ruth Brauer-Kvam
Es spielen
Arnolphe: Tilman Rose
Agnès: Laura Laufenberg
Horace: Philip Leonhard Kelz
Alain/ Enrique/ Altes Weib/ Notar: Tim Breyvogel
Georgette/ Oronte/ zweiter Notar: Tobias Artner
Uranie: Marthe Lola Deutschmann
Climène: Michael Scherff
Live-Musikerin: Ingrid Oberkanins
Bühne: Monika Rovan
Kostüme: Ursula Gaisböck
Dramaturgie: Julia Engelmayer
Licht: Günter Zaworka
Video: Martin Kerschbaum
Regie-Assistenz: Sebastian Schimböck
Soufflage: Doris Strasser
Inspizienz: Paul Goga