Zum Safer Internet Day wurden 400 Jugendliche (11 bis 17 Jahre) befragt. Die meisten holen sich Hilfe im Freundeskreis – fast acht von zehn.
Cybermobbing hat in den vergangenen (fast) zwei Jahren der Pandemie zugenommen. Das findet fast die Hälfte der 400 befragten Jugendlichen (11 bis 17 Jahre). Ebenfalls 48 Prozent haben schon Beschimpfungen und Beleidigungen erlebt. Das sind nur zwei der zusammengefassten Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung. Diese wurden am Montag anlässlich des – mittlerweile 19. – Safer Internet Days vorgestellt. Dieser Tag – immer am zweiten Dienstag im Februar wird bereits in mehr als 100 Ländern begangen, um auch medial besonders auf den sicheren Umgang von Kindern und Jugendlichen sowie deren engen Bezugspersonen (Eltern, Pädagog:innen) mit Internet und Social Media aufmerksam zu machen, auf Gefahren ebenso hinzuweisen wie auf (Ab-)Hilfen.
Die Zunahme von Cybermobbing sei auf Lockdowns, Home-Schooling und Distance-Learning zurückzuführen, so die Vertreter:innen von Safer Internet – Barbara Buchegger und Bernhard Jungwirth – sowie Harald Kapper von ISPA (Internet Service Providers Austria) in einem Mediengespräch mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm.
Nicht jede unangenehme Situation ist Cyber-Mobbing. Kriterien für Letzteres sind absichtliche und über einen längeren Zeitraum anhaltende Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen konkreter Personen über digitale Medien. Betroffene erleben meist eine Kombination verschiedener Erscheinungsformen. Die Studie zeigt, dass 17 % der Befragten schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing waren, 42 % haben dies bereits bei anderen mitbekommen. Jede/r Zehnte gibt zu, selbst schon aktiv mitgemacht zu haben.
Negative Online-Erfahrungen haben noch mehr Jugendliche gemacht: Wie schon eingangs erwähnt hat fast die Hälfte (48 %) Beschimpfungen und Beleidigungen erfahren, gefolgt von Ghosting (plötzlicher, unangekündigter Kontaktabbruch durch andere – 46 %). An weiteren schlimmen Erfahrungen nannten die Befragten (im Dezember 2021) Lügen oder Gerüchte, die über die eigene Person verbreitet wurden (41 %), Identitätsdiebstahl durch Fake-Profile (37 %), ungewollter Erhalt unangenehmer Nachrichten (37 %) sowie Einschüchterungsversuche (33 %).
Jugendliche gehen davon aus, dass die Täter:innen nicht zwangsläufig mit böser Absicht handeln: 44% sind der Meinung, dass diese die Grenze zwischen Spaß und Ernst schlicht nicht kennen. Ein wichtiger Hinweis, wenn es um die Präventionsarbeit geht – hier ein Bewusstsein für unterschiedliche Wahrnehmungen zu schaffen, kann ein bedeutender Schritt im Kampf gegen Cyber-Mobbing sein.
Fast gleich viele (43 %) nennen als mögliches Tat-Motiv den Wunsch nach Machtausübung. Je rund ein Drittel der Befragten findet als weitere Gründe die Demonstration von Gruppenzugehörigkeit (36%), Rassismus (33 %) sowie das Unvermögen, mit dem eigenen Zorn umzugehen (31 %) und Langeweile (31%).
Wiederholte Lockdowns haben zu einer Verlagerung des Sozial- und Schullebens in die Online-Welt geführt. Wie schon eingangs geschrieben stimmt knapp die Hälfte der Befragten (48 %) der Aussage zu, dass Cyber-Mobbing in Zeiten von Distance Learning häufiger vorkommt. So haben Jugendliche im Home-Schooling bei sich und anderen bereits erlebt, dass die Teilnahme am Online-Unterricht absichtlich schwer gemacht wurde (30 %), dass sie oder jemand anders bewusst von schulischen Informationen ausgeschlossen (23 %) oder während des Online-Unterrichts verspottet wurden (22%). Cyber-Mobbing findet also in solchen Fällen auch vor den Augen der Lehrenden statt.
„Leider ist die Präventionsarbeit gerade in dieser Zeit, die für viele Jugendliche eine besondere Herausforderung darstellt, zu kurz gekommen. Dabei sind vorbeugende Maßnahmen gegen Cyber-Mobbing während der Pandemie besonders wichtig“, so Barbara Buchegger, die pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.
Die Befragung der Jugendlichen zeigt übrigens, dass die Attacken meist nicht anonym erfolgen. Die Mehrheit sagte, dass Opfer von Cyber-Mobbing gewöhnlich ahnen, wer dafür verantwortlich sein könnte (43 %) oder es sogar genau wissen (30 %). Cyber-Mobbing erfolgt vor allem im schulischen Umfeld. 43 % der Jugendlichen orten die Täter:innen dort, ein weiteres Fünftel (21 %) unter (anderen) Internet-User:innen sowie im Bekanntenkreis (8 %).
Als wichtigste Strategie gegen Cyber-Mobbing erachten es die Jugendlichen, sich Hilfe zu holen. Freund:innen werden von 78 % als wichtigste Ansprechpersonen genannt, gefolgt von Eltern (71 %) und Pädagog:innen (64 %). Theorie und Praxis klaffen allerdings manchmal auseinander: Denn mit 48% meint fast die Hälfte der Befragten, dass Erwachsene in Cyber-Mobbing-Situationen oft nicht hilfreich sind. Ebenso hat ein Drittel (33 %) der Jugendlichen schon erlebt, dass Lehrende einen Fall nicht ernst genommen haben.
Dieses Auseinanderdriften zeigt sich auch bei der Nutzung technischer Möglichkeiten zur Abwehr von Mobbing-Attacken. So beurteilen es 70 % der Jugendlichen als hilfreich, Täter:innen auf den jeweiligen Plattformen zu blockieren oder zu sperren. Diese zu melden, erachtet mit 59 % ebenfalls eine Mehrheit als hilfreich. 45 % der Jugendlichen haben erlebt, dass ihre Meldungen an Betreiber Sozialer Netzwerke nicht wie erwartet bearbeitet wurden.
Die direkte Auseinandersetzung mit Täter:innen wird als weniger zielführend bewertet. Diese zu bitten, mit dem Mobbing aufzuhören, beurteilen nur 23 % als hilfreich. Lediglich 18 % halten es für förderlich, mit Beschimpfungen oder Beleidigungen zu kontern. Und einfach zu warten, bis das Mobbing wieder aufhört, stellt nur für 17 % eine Option dar.
„Gemeinsam mit den Bildungseinrichtungen konnten wir maßgeblich zur Aufklärung über Cyber-Mobbing beitragen. Die Mehrheit der Befragten, nämlich 58 Prozent, weiß, wie sie gegen Cyber-Mobbing vorgehen kann“, so ISPA-Präsident Harald Kapper. „Die Studie verdeutlicht, dass wir Jugendliche weiterhin über Hass im Netz und Cyber-Mobbing informieren müssen, im schulischen wie auch privaten Umfeld.“ Bei 84 % erfolgte die Aufklärung durch Lehrende, bei knapp der Hälfte (45 %) durch Eltern, 38 % geben das Internet und über ein Drittel (35 %) Workshops als Informationsquelle an.
Entscheidende Rolle bei der Cyber-Mobbing-Prävention spielen zum einen die Eltern. An ihnen liegt es, von klein auf, zu vermitteln, wie man mit Konflikten offline und online umgehen und diese lösen kann. „Eltern sollten ein offenes Ohr haben und ihrem Kind signalisieren, dass es ernst genommen wird“, so Bernhard Jungwirth, Projektleiter Saferinternet.at. „Denn egal, in welcher Rolle das eigene Kind in eine Cyber-Mobbing-Situation involviert ist: Jugendliche hier zu begleiten und gemeinsam eine Lösung zu finden, ist eine wichtige Aufgabe der Eltern.“
Zum anderen zeigen die Zahlen der Studie: Wenn es um Cyber-Mobbing geht, ist das schulische Umfeld sowohl Ort des Geschehens als auch Ort der Hilfe und Prävention. Daher müssen dort gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie Angebote und Maßnahmen forciert werden: Notwendig sind zusätzliche Fortbildungen für Lehrende und Direktor:innen, ein Ausbau von Unterstützungsstrukturen wie Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie und eine noch stärkere Thematisierung von Cyber-Mobbing im Unterricht.
Präventions-Workshops, wie sie von Saferinternet.at angeboten werden, können eine Entlastung für die in Cyber-Mobbing-Situationen stark geforderten Pädagog:innen sein. Darüber hinaus sind auch die Online-Plattformen gefordert, ihre Meldeprozesse weiter zu verbessern.
Auch wenn es die Safer-Internet-Workshops als Online-Angebote gibt, wären gerade hier endlich wieder Offline-Versionen, also direkte Begegnung in Schulen ganz wichtig. Derzeit dürfen aber schulfremde Personen nicht in die Schulen. Ob im Zuge der jüngst verkündeten Lockerungen der Covid-Maßnahmen auch wieder externe Workshop-Leiter:innen – natürlich unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen 2G oder vielleicht sogar plus negativem PCR-Test – in Schulen dürfen, wollte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … im Bildungsministerium erfragen. Trotz mehrfacher telefonischer sowie eMail-Anfragen war am Montag keine Antwort zu bekommen.
Das Thema Cyber-Mobbing ist nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Pädagog:innen und Eltern eine große Herausforderung. Deshalb unterstützt Saferinternet.at österreichweit mit Workshops und zahlreichen weiteren Informationsangeboten. Ab sofort kann das Unterrichtsmaterial „Aktiv gegen Cyber-Mobbing“ (gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) kostenlos bestellt und heruntergeladen werden. Weitere Leitfäden und Flyer sowie der Eltern-Videoratgeber „Frag Barbara!“ runden das Angebot ab. Auch das ISPA-Kinderbuch „Der Online-Zoo“ und die gleichnamige Videoreihe behandeln unter anderem das Thema Cyber-Mobbing. Dieses eBook bzw. das Video richtet sich vor allem an jüngere Kinder – 4 bis 9 Jahre. Das digitale Büchlein – als PDF zum Runterladen gibt es derzeit in elf Sprachen: Arabisch, Bosnisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch, Litauisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch (Link in der Info-Box).
Alle Angebote und Download- sowie Bestellmöglichkeiten – siehe Info-Box.
Anlässlich des Safer Internet Day findet – wie schon seit vielen Jahren – in Österreich im gesamten Februar der Safer Internet-Aktionsmonat statt. Schulen und Jugendorganisationen können sich mit eigenen Aktionen beteiligen.
Detaillierte Informationen zum Safer Internet Day 2022 in Österreich und dem Aktionsmonat sowie Downloads verschiedener Broschüren und Flyer finden sich auf saferinternetday.at
international: saferinternetday.org
Als Hashtags in Social Media: #SID2022AT bzw. #SID2022