„Hier und nimmer“ – Schauspiel mit Live-Musik über den Kreislauf der Jahreszeiten und des Lebens.
Am Anfang – ist die Musik. Geigerin Anaïs Tamisier bringt Töne und Licht auf die ganz leere, dunkle Bühne. Töne holt sie mit ihrem Bogen, der hinter ihrem Rücken, wenn sie die Bühne verkehrt betritt, erst wie ein großer Zieger wirkt, aus der Luft. „Dots“ (Punkte) wird sie, die während des Stücks „hier und nimmer“ von Studio Keck ausschließlich mit ihrer Musik spricht, von einer Stimme aus dem Off genannt.
Mit ihrer Geige bringt sie immer wieder die Stimmungen der folgenden rund 50 Minuten zum Ausdruck oder gibt schon einmal den Takt vor – für die beiden Schauspieler:innen (Julia Ruthensteiner-Schwarz und Benjamin Slamanig). Die „rollen“ als Prima und Ernst fast völlig in Rollkragenpullis gehüllt auf die Bühne. Nicht aufs Erste oder leicht, sondern erst viel später in sozusagen einem Aha-Erlebnis, als Eier zu erkennen, aus denen sie bald nach ihrem Erscheinen zu schlüpfen beginnen – sie aus einem blauen, er aus einem rosafarbenen, um Klischees zu brechen.
Rund wie die Punkte auf dem Overall der Geigerin sind auch acht unterschiedlich große Spulen, die Prima und Ernst herbeischaffen, um sie in Türme, Tische, Sessel oder gar eine Geburtstagstorte zu „verwandeln“. Kreisrund sind ebenfalls bunte Kunststoff-Deckel, die Prima und Ernst aus den Bauchtaschen ihrer Pullis hervorkramen und daraus „Gedenkel“ an unterschiedlichste Szenen und Gefühle – von fröhlich und glücklich bis zu ängstlich, mutig usw. anbringen – an den Spulen ebenso wie an der Vorhang-Wand. So gestalten sie nach und nach ihr Nest, ihr Zuhause immer wohnlicher – und mit Erinnerungen aus. Nach dem Stück gibt’s für die Besucher:innen eine Bastelanleitung und -Hilfe für eigene Gedenkel 😉
Die beiden Vögelchen durchleben den Kreislauf der Jahreszeiten – und des Lebens insgesamt. Fällt Prima doch am Ende des Sommers vom Baum und wird über- und platt gerollt. Worauf die beiden als Schauspieler:innen über Tod und was danach kommen könnte, rätseln und philosophieren. Was teils recht heftig erfolgt: Nur gerecht, dass jetzt Würmer den Vogel fressen würden. Habe er doch Zeitlebens viele Würmer verzehrt, meint Prima. Vom Vergehen zum Werden von Neuem wird dabei ein bisschen ein verschrobener Bogen gespannt – verwesender Vogel würde einen Obstbaum ergeben und aus dem könne wiederum eine Flöte geschnitzt werden, deren Töne an den Gesang des Vogels erinnern …
Aber es gibt natürlich auch erbauendere, fröhlichere, hin und wieder auch witzige Momente. Wenn Ernst für Prima eine Geburstagsständchen singt und fast nicht aufhören will, obwohl es musikalisch gegenüber den Melodien der Geigerin naja … – dann verdreht diese ganz schön die Augen.
So manche schöne Bilder – auch wenn die beiden an Dots‘ Overall Blumen von Punkt zu Punkt wachsen lassen und die Verwandlung der Spulen oder auch das sich aus den riesigen Pullis schälen und Töne der Musikerin beschreiben einen durchaus bild- und ton-poetischen Bogen über Werden und Vergehen. Einige Vorstellungen würde es vielleicht noch brauchen, um daraus eine ganz runde Sache zu machen.
Musiktheater; ab 4 Jahren
Konzept und Idee: Studio Keck
Prima: Julia Ruthensteiner-Schwarz
Ernst: Benjamin Slamanig
Dots mit ihrer Geige: Anaïs Tamisier
Regie: Sarah Jeanne Babits
Ausstattung: Lila Silvia Scheibelhofer
Bis 13. März 2022
WuK: 1090, Währinger Straße 59
Telefon: 01 401 21-0
wuk -> hier-und-nimmer/