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Szenenfoto aus "Hoffnun'" im Kosmos Theater Wien
Szenenfoto aus "Hoffnun'" im Kosmos Theater Wien
17.03.2022

Weit mehr als nur Galgenhumor

Hoffnun‘ mit bitterbös-ironischen Texten aus Puneh Ansaris Statusmeldungen auf Social Media als echtes Bühnenstück mit dramaturgischem Bogen und Live-Musik.

Wer schon vor dem Stück das Vergnügen hatte, Puneh Ansaris Buch Hoffnun‘ zu lesen oder gar seit Jahren ihre Statusmeldungen verfolgt, konnte Zweifel haben, wie daraus ein Abend für die Bühne werden könnte. Ausgeräumt. Voll gelungen: Unter dem gleichnamigen Titel derzeit – bis 26. März 2022 – im Wiener Kosmos Theater zu erleben.

Die sehr oft bitterbösen, fast immer (selbst-)ironischen Texte oft mit Endzeitstimmungen der Wiener Sprachkünstlerin, die sich im Buch auch als Zeichnerin versucht, springen im Buch von großer Weltlage (vor 2017 – da ist das Buch erschienen, siehe auch Buchbesprechung, unten verlinkt) wie Klimakatastrophe ansatzlos zu gleichwertigen Alltagsärgernisses – etwa Spinat-Mozarella-Knödel einer Supermarktkette. Ihrerzeit natürlich wahllos aneinander veröffentlicht, ergeben sie auf der Bühne einen ganzen Bogen, der den rund eineinhalbstündigen Abend gut trägt. Das ist sowohl das Verdienst der Regisseurin Fanny Brunner, als auch des schauspielenden, teils singenden Ensembles – Katrin Grumeth, René Peckl und Amélie Persché – sowie des mitspielenden Live-Musik-Duo Mickey (Alex Konrad und Klemens Wihlidal).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus Hoffnun‘ im theater Kosmos Wien

Moosboden und Live-Musik

Gespielt wird auf echtem auf dem Boden aufgelegtem Moos – was wieder Anleihe nimmt bei Ansaris letztem Eintrag im Buch über „verbannung“ auf einem schottischen Moosfeld ohne TV und Internetkonsum (Ausstattung: Daniel Angermayr). Nur der Gartenzwerg unter den Bühnenelementen auf denen die fette elektronische Musikanlage thront und vier Schwammerln im Moos (Pilzpofesen Tschernobyl und Pilzgulasch im tiefen Eis finden sich im Buch – aber nicht im Stücktext) bleiben als atmosphärisches Geheimnis unangespielt. Mit Zylinder auf dem Kopf und Stöckelschuhen an den Füßen eröffnet René Peckl mit dem Zitat Ansaris digitaler und alter analoger Welten den Abend. „ich stelle mir gerade vor myspace wäre die kulisse einer oper…“ Wobei MySpace, 2003 gegründet, kaum noch von Bedeutung ist und vor drei jahren bekanntgeben musste, sämtliche hochgeladenen Fotos, Videos usw. bei einem „missglückten Serverumzug“ (Zitat wikipedia) der Jahre 2003 bis 2016 „verloren“ zu haben.

Verspielt

Zum ersten, schon erwähnten, Schauspieler gesellen sich seine Kollegin Katrin Grumeth mit einer breiten darstellerischen Gefühlspalette von Ansaris Textblöcken sowie die beiden Musiker. Die hin und wieder auch ins Spielgeschehen vor ihrem Musikblock einsteigen, insbesondere Alex Konrad, der sich gegen Ende ein verspieltes Duett mit der jugendlichen Schauspielerin Amélie Persché liefert.

Wenn die Pinguinin ihre Kreise zieht

Die 17-Jährige kommt ursprünglich aus der Musik – als Bratschistin hat sie auch schon in einem Bühnenstück „Der kleine Prinz“ mitgespielt, eigene Songs aufgenommen – Links zu Storys über sie, damals noch im Kinder-KURIER, siehe unten -, sammelte Schauspielerfahrungen im Stationentheater „Odyssee 2021“ im Theater Arche und überzeugt hier als „Pinguin“. Die kommen bei Puneh Ansari im Buch an drei verschiedenen Stellen vor, u.a. „Alle mögen Pinguine einfach weil sie nicht normal gehen können“. Zunächst zieht Persché im Vollkörper-Pinguin-Kostüm wortlos ihre Kreise um die Bühne. Bis sie nach etlichen Umrundungen den Kunststoffkopf absetzt und mit Ansaris Jugend-Statement einen ersten starken Auftritt hinlegt.

Jugendliche kennen sich im Gegenteil viel besser aus

Die Autorin, selbst auch schon vor Veröffentlichung des Buchs in den Mitt30ern und schon allein mit Facebook nicht mehr im jugendlichen sozialen Netzwerk, nimmt zu Pubertät nicht die Sichtweise Erwachsener, sondern jene vieler Betroffener ein. Und die kommt natürlich von der jugendlichen Darstellerin nochmals authentischer: „Warum sagen die (erwachsenen) Leute (die selber schon Jugendliche waren) immer dass die Pubertät eine schwierige Zeit (für Jugendliche) sein soll weil sie eine „Identitätskrise“, eine „aufregende Zeit“ und „Umbrüche“ hätten und sich mit ihren Körpern nicht auskennen würden?

Das stimmt alles nicht Das ist ein Märchen der Psychologen das sich die Erwachsenenlobby bei ihnen gekauft hat um an der Macht zu bleiben. Menschen in der Pubertät geht’s deshalb schlecht weil sie sich im Gegenteil mehr & besser auskennen mit sich selber & Anspruch auf Individualität erheben aber gleichzeitig noch zuhause bei den weltfremden Eltern wohnen die halluzinieren sie müssen einem sagen dass Obst gesund ist nach 4 Jahren Biologie am Ende der staatlichen Pflichtschulzeit dass man sich warm anziehen soll im winter etc. die Intelligenz des eigenen Kindes herabwürdigen mit die eigenen Verlustaengste vernebelndem Verzweifelungsfesthaltebloedsinn Ausserdem geht’s Jugendlichen deshalb schlecht, weil die Liebesscheisse beginnt …“

Zwischen den Zeilen

Und trotz aller böser Ironie finden sich in Ansaris Texten – und vielleicht noch mehr in der musikalisch-rhythmischen Inszenierung – zwischen den Zeilen zumindest Spurenelemente dessen, was letztlich zum doch passenden Titel führt: Hoffnun’ – wenngleich dann doch wieder durch das fehlende G am Schluss zurückgenommen.

Follow@kiJuKUheinz

Studiobesuch bei Amélie Persché

Amélie über ihr Spiel beim „Kleinen Prinzen“

Amélie über ihren bitterbösen Weihnachtssong

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

HOFFNUN‘

Puneh Ansari
Koproduktion Kosmos Theater Wien und 13. 1 – dreizehnter januar – freie Theaterproduktionen

Inszenierung: Fanny Brunner
Mit: Katrin Grumeth, René Peckl, Amélie Persché
Live-Musik: Mickey: Alex Konrad und Klemens Wihlidal

Ausstattung: Daniel Angermayr
Produktionsleitung: Andrea Flachs
Regieassistenz: Juliane Aixner
Mitarbeit Ausstattung: Constanze Bieber

Wann & wo?

Bis 26. März 2022
Kosmos Theater Wien: 1070, Siebensterngasse 42
Telefon: 01 523 12 26
kosmostheater -> Hoffnun‘