„Margarete“ – Goethes Faust fokussiert auch „Gretchen“ und ihr Schicksal im Theater Forum Schwechat.
Verzweifelt, irgendwie auch verwirrt. Kein Wunder. Seit 25 Jahren sitz, liegt, schmachtet si eingesperrt in diese schmale Zelle. „Margarete“, unschwer natürlich das „Gretchen“ aus Goethes Faust, kommt nicht aus dieser räumlichen, die sich zunehmend in einer geistigen und psychischen Beengtheit niederschlägt, heraus.
Soweit die Ausgangslage in diesem Kammerspiel von Māra Zālīte (Übersetzung aus dem Lettischen Matthias Knoll) – mit Textfragmenten aus dem Goethe-Werk. Die künstlerische Leiterin im Theater Forum Schwechat, Manuela Seidl, schlüpft in die rolle der Verzweifelten, die Mutter, vermeintlich eigenes Kind und mitschuldig auch den Bruder auf dem Gewissen hat (Regie: Rita Dummer). Sie hat zwar einen riesigen Box-Sack als Möglichkeit zum Abreagieren in dieser damit fast schon Luxuszelle, aber selbst die Schläge und Tritte wirken mehr ohnmächtig als den als Abbau von (Selbst-)Aggression. Und: Die Schauspielerin lieg schon beim Publikums-einlass gekrümmt auf der Pritsche und lehnt in der ¼-stündigen Pause – in nur zwei verschiedenen Positionen – am Box-Sack (Bühne: Jakobus van Ederen, Thomas Fischer, Daniel Truttmann).
Erst rund um die Hälfte des Stücks darf sie erstmals lächeln, beginnt dem jungen Anwalt Vertrauen und Sympathie zu schenken, der von Anfang an versucht, ihr die Last der Schuld zu nehmen. Es wäre doch Faustens Verbrechen gewesen, der Mutter vermeintlichen Schlaftrunk zu verabreichen, um sich mit ihr zu vergnügen. Beispielsweise. Doch selbst da verklärt sie noch immer die große Liebe zwischen ihr und dem vermeintlichen fast gottgleichen Genie.
Wirklich überzeugte Fröhlichkeit kann in ihr erst aufkommen, als der engagierte, persönlich an ihr interessierte, doch vor allem karrierebewusste Anwalt (Felix Krasser) ihr von einem bisher unbekannt gebliebenen Brief erzählt, wonach der Sohn, den sie in einen Korb am Wasser setzte, doch nicht untergegangen, sondern gerettet worden ist.
Argwöhnisch beäugt werden die Zusammenkünfte des Anwalts mit seiner Mandantin, für die er auf einen Freispruch – bisher hatte skandalöserweise noch keine Verhandlung stattgefunden – setzt, vom fast durchgängig wortlos bleibenden Gefängniswärter (Kevin Krennhuber), der sich zu guter Letzt gleichsam als Mephisto entpuppt.
Dass sich auch hinter dem Anwalt ein Geheimnis verbirgt, das je näher das Ende der zweistündigen Inszenierung kommt, nach und nach andeutet, ist zu spüren – sei hier aber nicht verraten. Auch nicht Margaretes Ende…
Nur so viel sei schon vorweggenommen: Harte Kost, beeindruckende schauspielerische Leistung(en).
Kammerspiel von Māra Zālīte mit Textfragmenten aus der Tragödie FAUST von Wolfgang von Goethe
Übersetzung aus dem Lettischen Matthias Knoll
Regie und Raum: Rita Dummer
Es spielen:
Margarete: Manuela Seidl
Anwalt: Felix Krasser
Kerkermeister/Teufel: Kevin Krennhuber
Bühne: Jakobus van Ederen, Thomas Fischer, Daniel Truttmann
Kostüm, Video/Bild Schnitt: Joseph Köberl
Technische Leitung: Werner Ramschak
Regie-Assistenz: Amy Parteli
Rechte: Kaiser Verlag, Wien
Eigenproduktion Theater Forum Schwechat
Bis 20. März 2022
Theater Forum Schwechat
2320, Ehrenbrunngasse 24
Telefon: 01 707 82 72
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