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Szene aus "Only Part" von und mit Shahrzad Nazarpour: Die Performerin spricht mit Verwandten und Freund*innen im Iran via Social Media.
Szene aus "Only Part" von und mit Shahrzad Nazarpour: Die Performerin spricht mit Verwandten und Freund*innen im Iran via Social Media.
08.05.2021

Hijab als Symbol für alle Mauern im Kopf

Shahrzad Nazarpour gewann den Nachwuchs-Performance-Bewerb „Try Out“ im Dschungel Wien – und kann nun die Vollversion ihres Stückes verwirklichen.

Haare spielten im Finale von „Try Out“ (ausprobieren), dem Nachwuchsbewerb im Dschungel Wien, eine noch größere Rolle als in der Vorrunde. Damals standen sie schon im Zentrum von „Only Part“ (nur ein Teil) und „capillus, crinis, coma“ (Lateinisch für verschiedene Haare am Menschen – vom Kopfhaar bis zum weichen, schmucken Haar). Nun beim Live-Finale Anfang Mai gesellte sich noch eine wichtige Szene in „Blop“ (Idee und Regie: Esa Gente; ab 5 Jahren) dazu.

In der zuletzt genannten Performance bringt María Casares Scheitern zum lustvollen Spiel. Unzählige kleine mit Wasser gefüllte Ballons unter ihrem Kleid platzen gekonnt. Anfangs als wären es Missgeschicke, teils sehr peinliche. Dann immer mehr und stärker bis die Performerin schließlich die Bühne zu einem Rutschplatz wird, den sie gekonnt bespielt und -tanzt. Und letztlich mit ihren langen Haaren choreographisch aufwischt.

In „capillus, crinis, coma“ (ab 12 Jahren; Idee, Choreographie: Naïma Rabinowich) spielen und tanzen  Maira Horvath und Kirin España mit Haaren an Kopf und Körper – bis hin zu live-Rasuren oder ankleben von Haarteilen an Achseln, Beinen usw. Und mit den unterschiedlichen bzw. sich verändernden Blicken darüber an Mann oder Frau. Die Tatsache, dass beide über langes Kopfhaar verfügen, nutzen sie zu einem ganz speziellen Miteinander: Sie verflechten ihrer beiden langen Haare und tanzen sie gemeinsam, ohne einander zu entkommen. …

Muss für die Jury keine leichte Entscheidung gewesen sein, am Ende wählten die Juror*innen aber jenes Stück von Shahrzad Nazarpour aus, in dem sie mit ihren – ebenfalls sehr langen – Haaren und einer Fülle von Hijabs spielt. In „Only Part“ hat sie – in der nun schon doppelt so langen Version (20 Minuten, Vorrunde: 10 Minuten) hat sie in einer Ecke der Bühne einen stilisierten Baum, von dem sie nach und nach ausgedruckte Kindheits- und Jugendfotos aus ihrer Zeit in Hamedan bzw. Teheran pflückt. Dazu erzählt sie das traumatische Erlebnis, dass sie bei einer Theateraufführung knapp bevor sie auf die Bühne kam, ihren Hijab (die Haare verhüllende Kopfbedeckung) verlor – und dennoch weiter spielte. Da im Iran auch schon jung Mädchen ihr Haar verhüllen müssen, ein arger Verstoß gegen das Verbot.

Immer wieder träumte sie auch davon, dass ihr das jedes Mal passiert, wenn sie die Bühne betritt. Nun studiert sie seit mehr als einem Jahr – und entwickelt(e) die Performance, an der sie nun – das ist der Preis des Bewerbs – bis zu einer Vollversion weiter arbeiten kann. In der wird sie ihre Haare nicht nur unter fast einem Dutzend Tücher – wie jetzt – „verschwinden“ lassen. „Das waren nur wenige Tücher, bei der Vollversion werden es viiiiel mehr sein“, verrät sie – damals noch – dem Kinder-KURIER und deuten mit den Armen einen ziemlich großen Berg über ihrem Kopf an.

Neu eingebaut in den nun schon längeren Appetit-Happen von Only  Part hat Nazarpour (voraufgezeichnete) „Live“-Chats mit Eltern und Freund*innen im Iran via Social Media, wo sie mit ihnen über ihre nun unverhüllten Haare diskutiert.

Hijab (arabischer Begriff für Hülle, Schleier…) sei für sie aber nicht nur die Kopfbedeckung, die Haar verhüllt. „Für mich steht Hijab für alle Grenzen und Mauern im Kopf, das kann genauso die Feindseligkeit gegenüber einer Frau mit Kopftuch hier in Österreich sein“, meinte sie sinngemäß im an die Performances anschließenden Gespräch.

PS: In der Vorrunde hatte die Jury eine vierte Produktion ins Finale geschickt.  {MUND AUF} show your teeth (ab 12 Jahren): Konzept, Performance: Tanja Wehling, Cali Kobel. Aufgrund strenger Lockdowns in Deutschland konnte die Gruppe ihr Version nicht weiterentwickeln.

Follow@kiJuKUheinz

Zu einem Beitrag über die Vorrunde – damals noch für den Kinder-KURIER geht es hier