Stationentheater „Geht‘s uns net guad“ in Steyr/Ennsleite ist Teil des Festivals Schäxpir – und der Landesausstellung „Arbeit Wohlstand Macht“.
Schaffst du’s das eine oder andere hin und wieder durchfahrende Auto – und die anderen an den Straßenrändern geparkten – auszublenden, so verhelfen dir die schauspielenden Jugendlichen und ihre erwachsenen Profi-Kollegen zu einer Zeitreise. Zwei Stunden tauchst du bei „Geht’s uns net guad“ im Stadtteil Ennsleite im oberösterreichischen Steyr ein in eine Welt von vor rund hundert Jahren – Extralob dafür an die Ausstatterin Nanna Neudeck.
Bei diesem Stationentheater, das seinen Ausgangspunkt im örtlichen Jugendzentrum in einer Art Willkommensfeier für die neuen Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung nimmt, erzählen die aus der Vergangenheit entsprungen zu sein scheinenden Darsteller*innen aus dem Alltag in der Siedlung, die als Wohnungen für die Arbeiter*innen der berühmten Steyr-Werke gebaut worden sind. Und aus jenem in der Fabrik. Dass diese wegen der überfallsartig angedrohten Schließung des jetzigen Autobauer-Werks durch die deutschen Eigentümer und der möglichen „Rettung“ – samt Verlust einiger hundert Arbeitsplätze und Lohneinbußen für die verbleibenden wieder in die aktuellen Schlagzeilen geraten ist, konnte selbst das Theaterfestival Schäxpir nicht planen.
„Geht’s uns net guad“ ist eine umfangreiche Koproduktion – neben Schäxpir auch des Landestheaters Linz, der Landesausstellung, der Theatergruppe „Das Schauwerk“ und dem Reformpädagogischen Obestufenrealgymnasium des Evangelischen Vereins für ganzheitliches Lernen Steyr (ROSE). Die Schüler*innen einer Klasse begannen, in die Geschichte der Siedlung einzutauchen, befragten auch eigene Großeltern. Und zogen so manchen Fund an Land des „Erdäpfel-Gletschers“ wie die Siedlung im Volksmund lange hieß – weil vor der Errichtung der Wohnsiedlung Kartoffel und anderes Gemüse angebaut worden war. Die Herkunft von „Gletscher“ liegt im Dunklen. Vielleicht von Kellern?
Wie einerseits Menschen zur Arbeit in der Fabrik sich noch um Nebeneinkünfte kümmern mussten, und andererseits geheime Zwischenwände auch Verstecke für Waffen – in den Februar 1934-Kämpfen des Bürgerkriegs – waren, wird ebenso szenisch vor und zwischen Häusern erzählt, wie es von Oma und Opa aufgetriebene Fotos von damals auf Wäschestücke in einer anderen Szene schafften.
Die starke sozialistische Handschrift samt Solidarität und Zusammenhalt kommen in anderen Stationen – nicht zuletzt in traditionellen kämpferischen Arbeiterliedern zum Ausdruck – durchaus szenisch entfremdet, indem ein solches, begleitet auf dem Akkordeon, am Rand einer in der Wiese stehenden Badewanne gesungen werden.
Zwischendurch rasen jugendliche Darsteller*innen – zurecht ist bei der Premiere die Leiterin der Arbeit mit ihnen, Stefanie Altenhofer von „Das Schauwerk“ stolz auf „ihre“ Jugendlichen – auf alten Steyr-Puch-Waffenrädern von einem ihrer Auftrittsorte zu einem weiteren, während sich die Besucher*innen zu Fuß zu einem anderen aufmachen.
Da im Vorfeld nicht einmal klar war, ob und was live gezeigt werden kann, aber auch aus anderen Gründen, wurden manche Szenen als Video aufgenommen – die in Stiegenhäusern oder beim Blick in eine leere Wohnung auf Monitoren abgespielt werden – auch das ein kleiner Riss aus der Zeitreise. Wobei eines dieser Videos auch den Bogen über die Generationen schlägt – Gesamtregie: Sara Ostertag, Text der Videomonologe: Julia Ransmayr – die beiden künstlerischen Leiterinnen des Schäxpir-Festivals. Die Jugendlichen der 2. Klasse des ORG (also 6. Klasse) haben einen Theater- und Kunstschwerpunkt, wie Leonie Pöllinger und Tobias Lammer Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … erzählen. Alle gemeinsam haben sich in die Recherche der Geschichte vergraben – und spielen nun – in zwei einander abwechselnden Gruppen – die Vorstellungen des Stationentheaters. „Wir haben aber nicht nur im Theaterschwerpunkt, sondern auch in Deutsch und anderen Gegenständen daran gearbeitet“, so Lammer. „Und wirklich proben konnten und durften wir lange gar nicht, erst Anfang Juni.“
Aber sowohl er als auch seine Kollegin „haben vorher von dieser Geschichte dieser Siedlung gar nichts gewusst“. Pöllinger fand’s „voll spannend, und nicht nur ich, sondern wir alle waren froh, dass wir da mitmachen durften, auf so viel draufgekommen sind und dazu auch noch in diese Rollen einsteigen und mitspielen durften“.
Für sie selber ist Schauspiel auch durchaus eine mögliche Berufsperspektive, während ihr Kollege „selber ganz was anderes machen möchte, vielleicht in Richtung Politik, aber diese Vorbildung kann gut dabei helfen“.
Landestheater Linz, OÖ Landesausstellung „Arbeit Wohlstand Macht“, Das Schauwerk, Schäxpir (Österreich)
Ab 10 Jahren; ca. 2 Stunden
Regie: Sara Ostertag
Text der Filmmonologe: Julia Ransmayr
Darsteller*innen Videos: Karina Pele, Isabella Campestrini, Wenzel Brücher
Live-Performance vor Ort entwickelt – inklusive der Texte: Das Schauwerk (Leitung: Stefanie Altenhofer)
Spieler*innen: Julia Frisch, Stefan Parzer, Laura Enzenhofer, David Baldessari und
abwechselnd folgende Schüler*innen des ROSE ORG Steyr (Reformpädagogisches Obestufenrealgymnasium des Evangelischen Vereins für ganzheitliches Lernen Steyr):
Sabine Egger, Niklas Grübler, Fiona Haberler, Christopher Edlinger, Lina Jelinek, Moritz Kieselbach, Tobias Lammer, Emma Neugschwandtner, Tava Pohlhammer, Leonie Pöllinger, Hannah Reder, Linda Rosenkranz, Tobias Zechmeister bzw.
Theresa Bresenhuber, Janis Etlinger, Larissa Faschinger, Julian Grammer, Florentin Habermaier, Pia Huemer, Sebastian Jungmair, Mirjam Katzensteiner, Philipp Pfeiler, Paula Schörkl, Olivia Wagner, Carina Vinkov
Ausstattung: Nanna Neudeck
Musik: Paul Plut
Video: Jonatan Salgado-Romero
Bis 26. Juni 2021
Treffpunkt: Steyr, Jukuz Ennsleite
Schäxpir -> Gehts uns net guad
Die Berichterstattung kann nur erfolgen, weil KiJuKU vom Theaterfestival Schäxpir – in dessen Rahmen die Stella 21-Gala stattgefunden hat – für fast eine Woche nach Linz eingeladen worden ist.