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Szenenfoto aus "Bezahlt wird nicht!"
Szenenfoto aus "Bezahlt wird nicht!"
25.06.2024

Bella Ciao gegen (Rekord-)Teuerung

Das Utopia-Theater tourt mit dem Klassiker „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo diesen Sommer durch Gemeindebau-Höfe und Parks in Wien.

Die kleine Bühne steht – in dem Fall gleich im ersten Hof oder auch im letzten je nach Zugang zum Gemeindebau Lindenhof in Wien-Währing. Sitzbänke und Klappsessel in einem eckigen U davor. In einer Ecke des Hofes richten sich die Schauspieler:innen des utopia-Wandertheaters noch ihre Frisuren mit letzten Handgriffen zu recht, schnaufen durch, bilden einen Kreis, umarmen einander und machen sich bereit.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

Aus den Lautsprecherboxen erklingt die mittlerweile sehr bekannte Melodie von „Bella Ciao“. Vor knapp mehr als 100 Jahren als Lied italienischer Reispflückerinnen mit Klagen über harte Arbeitsbedingungen und stechende Sonne entstanden, wurde es von italienischen Partisan:innen im 2. Weltkrieg zur antifaschistischen, revolutionären Hymne. 2018 – ausgehend vom Soundtrack der spanischen TV-Serie „Haus des Geldes“ – gab es etliche Coverversionen, die den Song zum mainstreamigen Hit machten.

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Gesellschaftskritik mit viel Humor

Die italienischen historischen Bezüge hingegen passen wie kaum eine andere Melodie zu jenem Stück, mit dem das Utopia Theater diesen Sommer durch Wiener Gemeindbauhöfe und Parks tourt: „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo (Deutsche Übersetzung: Peter O. Chotjewitz). Er und Franca Pia Rame – die beiden arbeiteten eng zusammen und waren auch verheiratet – verpackten viele brisante gesellschaftspolitische Themen in komödiantische, meist bitterböse, die wahren Verhältnisse offenlegende, Theaterstücke – ausgehend von fiktiven Situationen bzw. Szenen.

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Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

Teuerung – auch 50 Jahre später ein brandaktuelles Thema

In diesem Fall dreht sich alles um Teuerung, die das Leben für durchschnittliche Menschen immer weniger leistbar werden lässt. 1974 in Mailand uraufgeführt („Non si paga! Non si paga!“ ist es ein halbes Jahrhundert nicht weniger aktuell.

Die Story: Während des Einkaufs im Supermarkt steigen die Preise gerade noch einmal ins Unermessliche. Chaos bricht aus, Protest, die einkaufenden Frauen wissen sich nicht mehr zu helfen, das Personal gibt ohnehin w.o. Die Frauen nehmen, was sie kriegen können – ohne zu bezahlen/ bezahlen zu können.

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Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

„Schwanger“

Antonia (Alice Schneider), die Kämpferischere, kommt mit etlichen Taschen voller Lebensmittel nach Hause. Sie weiht ihre Freundin Margherita, hier Margarita (Stefanie Elias) ein. Sie muss aber alles Zeug verstecken, weil ihre Ehemann Giovanni (Thomas Bauer) zwar auch ein Kritiker des ausbeuterischen Systems ist, das den Menschen immer weniger zum Leben lässt, aber sehr gesetzestreu. Das würde er nicht dulden.

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Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

Sie hat einiges versteckt, will aber natürlich der Freundin auch was abgeben, das soll sie – versteckt unterm Mantel – nach Hause tragen. Auf dem Weg begegnet ihr Giovanni, der nun glauben soll, dass Margarita schwanger ist – überraschenderweise… Wovon deren Ehemann Luigi (Paul Wiborny) wiederum nichts weiß.

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Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

Sind schon da Turbulenzen und Missverständnisse, die zu Situationskomik voller Wortwitz führen angelegt, wird auch noch Antonia „schwanger“, um die Lebensmittel ins (schwieger-)elterliche Gartenhaus zu bringen. Als Überdrüber ließ sich der italienische Meister-Dramatiker (1997 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet) noch weitere Figuren einfallen, vor allem zwei Polizisten unterschiedlichen Ranges und ebenso verschiedener Haltung. Der eine sympathisiert mit den Protestierenden, weil er und seine Kolleg:innen ohnehin auch unterbezahlt und über-eingesetzt sind, der andere vertritt untertänigst die herrschenden Verhältnisse.

Wie in Dario Fos Regie-Anweisungen schlüpft hier auch ein und derselbe Schauspieler (Andreas P. Seidl) in beide – und noch weitere Rollen; in dieser Version in die eines Leichenbestatters, der einen Sarg nicht zustellen kann und die des (Schwieger-)Vaters des ersten Paares.

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Szenenfoto aus „Bezahlt wird nicht!“

Viel zum Lachen…

… verschaffen die fünf Schauspieler:innen (Regie: Peter W. Hochegger) dem im Freien sitzenden Publikum sowie manch Vorbeigehenden, die für mehr oder minder kurze Zeit stehen bleiben. Komik, die sich aus den zu Missverständnissen Anlass gebenden Szenen ergeben sowie Wortwitz und die eine und andere Anspielung auf Aktuelles verschaffen dem schweren Thema eine Leichtigkeit und das eine oder andere Lachen. Das mitunter doch auch im Hals stecken bleiben könnte.

Gegen Ende gibt’s noch eine Moritat fast im Nestroy’schen Sinne mit auf den Weg für mehr Solidarität und gegen’s Auseinander-dividieren-lassen.

Follow@KiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Bezahlt wird nicht!

von Dario Fo
Übersetzung auf Deutsch: Peter O. Chotjewitz
Utopia Theater im Rahmen des Projekts „Theater im Gemeindebau 2024“
Ca. 1½ Stunden

Antonia: Alice Schneider
Giovanni, ihr Ehemann: Thomas Bauer
Margarita: Stefanie Elias
Luigi, deren Ehemann: Paul Wiborny
Polizist, Kommissar, Leichenbestatter, Giovannis Vater: Andreas P. Seidl

Regie & Organisation: Peter W. Hochegger
Kostüme: Stefanie Elias
Technik: Martin Hornig

Aufführungsrechte: Verlag der Autoren / Frankfurt am Main

Wann & wo?

Bis 4. Juli 2024 und
9. August bis 6. September 2024
an vielen verschiedenen Orten – Gemeindebauhöfe, Parks
siehe Termine auf der Homepage des Theaters hier
utopia-theater.at