Wien Modern und Dschungel Wien zeigen ein vom Zwölfton-Komponisten Arnold Schönberg erfundenes voll schräges Märchen – und vermitteln dessen kreative Vielseitigkeit.
Netze in mehreren Reihen hängen wie Vorhänge zwischen Publikum und Bühne. Auf einer Parkbank an Seilen schaukelt ein Mann mit Melone auf dem Kopf. Im Hintergrund – wieder vor einem großen im Halbrund hängenden Netz sitzen fünf Musiker:innen – zwei mit Blasinstrumenten, eine mit einem Streichinstrument, eine mit einer Harfe und einer mit Akkordeon. Vorne am Netz stehen zwei Hochstühle wie sie Schiedsrichter:innen bei Tennis-Matches haben, um das Geschehen genau zu beobachten.
So präsentiert sich die Szenerie im großen Sall des Theaterhauses für junges Publikum im MuseumsQuartier, dem Dschungel Wien. Auf dem Programm steht in Zusammenarbeit mit dem Festival Wien Modern „Die Prinzessin – ein Schönbergmärchen“. Arnold Schönberg, Erfinder der 12-Tonmusik und damit sehr oft mit dem Etikett „schwierig“ verschrien.
Aber nichts da – die nicht ganz eine Stunde – Regie: Regie: Nina Kusturica – funktioniert schon für recht junge Kinder – und erfreut „ältere Semester“ ebenso. Voller Lust und Laune spielen die Musiker:innen ebenso wie der genannte Schauspieler und seine Kollegin, die mitten zwischen den beiden Publikumsreihen erst die Bühne entert.
Die Geschichte von einer Tennis spielenden Prinzessin in einem Match mit einer Herzogin, bei dem erstere auf den Hintern fällt und sich blaue Flecken holt, stammt vom berühmten Komponisten (1874 – 1951), dessen Geburtstag sich heuer zum 150. Mal jährt. Für seine Kinder dachte er sich immer wieder ziemlich schräge Geschichten aus, die er ihnen erzählte. Jahre später musste er sie noch einmal erzählen und sie wurden aufgenommen. Die zehnminütige kannst du mit seiner Stimme im Internet auf der Homepage des Arnold Schönberg Centers anhören – Link in der Info-Box am Ende des Beitrages.
Selbst die Kurzversion enthält schon viele sehr schräge Momente, insbesondere mit einem Prinzessinnen-Diener namens Wolf. Details seine nicht verraten. Ansehen, anhören – macht so schon Spaß, aber wenn die verschiedenen Überraschungsmomente dazukommen doch noch ein bisschen mehr. Aus der kurzen Geschichte hat Gertrud Schönberg, die zweite Frau des Komponisten, selber Opern-Librettistin (Texte dieses Musik-Genres), eine noch längere, eben mehr als eine ¾ Stunde füllende geschrieben. Mit zusätzlichem Witz rund um das vierbuchstabige Hinterteil, das der Prinzessin wehtut – und der Frage, ob eine so hochstehende Person überhaupt das Wort Popo sagen dürfte…
Jesse Inman spielt die Prinzessin, Stefanie Sourial die meisten anderen Figuren. Manches Mal schlüpft auch Erstere in andere Rollen. Zwischen den beiden und den Musiker:innen gibt es ein wunderbares Zusammenspiel – ergänzend, hin und her in einer Art Ping-Pong, oder angesichts der Story und des Ambientes eher Tennismatches. Schräg wie die Story und das Schauspiel ist nicht selten auch die Musik – komponiert von Margareta Ferek-Petrić mit Zitaten aus Arnold-Schönberg-Kompositionen und neben Musik auch die zu den jeweiligen Situationen passenden Geräusche, produziert von den Musiker:innen mit ihren Instrumenten. Umgesetzt von Florian Fennes auf Saxofone, Klarinette und Flöten, Bogdan Laketić (Akkordeon), Ana Topalović (Violoncello), Tina Žerdin (Harfe) und nicht zuletzt Bertl Mütter mit der Posaune. Die Cellistin tanzt in einer Szene mit ihrem Instrument, der Posaunist hat einen großen Auftritt in dem er scheinbar fest blasend es schafft lautlos zu agieren.
Die Netz-Vorhänge (Bühne: Selina Traun) auf mehreren Schienen werden von den beiden Schauspieler:innen immer wieder spannend und humorvoll verändert – so sind einige Teile verknotet ein großes Boot, in dem die beiden auf den Tennis-Richterstühlen rudern oder paddeln. Sie bilden aber auch eine Art Tennis-Netz oder ein Kopftuch für die Großmutter, die in der Geschichte vorkommt und vieles mehr.
Und so nebenbei eingestreut wird neben der auch gar nicht so bekannten von Schönberg ausgedachten Geschichte auch erzählt, dass er alle möglichen Dinge erfunden hat; unter anderem ein „Rastral“ – fünf miteinander verbundene Stifte, um gleichzeitig Notenlinien ziehen zu können, Entwurf für eine mechanische Notenschreibmaschine, eine Löschwiege – ein halbrundes Ding, auf dem ein Löschpapier eingespannt wird, um mit Tinte Geschriebenes wie mit einer Wiege schneller löschen zu können, ohne es zu verwischen – etwas, das es später auch tatsächlich gab. Nicht im Stück vorkommt die aber viel bekanntere Erfindung des „Koalitions-Schachs“ – ein Schachbrett für vier Spieler:innen, zwei mit je zwölf und zwei mit je sechs Figuren von den Seiten.
Musiktheater; ab 4 Jahren; ca. eine Stunde
Wien Modern + Dschungel Wien
Text: Arnold Schönberg, mit einem Dialog von Gertrud Schönberg (mit freundlicher Genehmigung von Belmont Music Publishers, Los Angeles)
Komposition: Margareta Ferek-Petrić mit Zitaten aus Arnold-Schönberg-Kompositionen
Regie: Nina Kusturica
Saxofone, Klarinette, Flöte: Florian Fennes
Akkordeon: Bogdan Laketić
Posaune: Bertl Mütter
Violoncello: Ana Topalović
Harfe: Tina Žerdin
Performance: Jesse Inman, Stefanie Sourial
Bühne: Selina Traun
Kostüme: Alexandra Trummer
Dramaturgie: Anna Horn, Götz Leineweber
Licht: Hannes Röbisch
Regie-Assistenz: Ada Günther
Bis 17. November 2024
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
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Das Hörbeispiel VR 13 ist das Prinzessinnen-Märchen