Feiyu (Künstlername), Regisseur des Gewinnerfilms „Fußball am Dach“ beim 36. Internationalen Kinderfilmfestival in Wien, im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…
KiJuKU: Handelt es sich bei der Geschichte in Ihrem Film „Fußball am Dach“ – im chinesischen Original „Wu ding zu qiu“ (die beiden ersten Wörter für Dach, die beiden weiteren für Fußball) um eine wahre oder ist sie ausgedacht, oder ein Mix von beidem?
Feiyu: Ich war schon als Kind ein großer Fußballfan. Die Eingebung für diesen Film kam mir bei einem unvergesslichen Erlebnis, als ich 2018 in Yunnan auf der Suche nach Inspiration unterwegs war. Ich beobachtete, wie die Dorfkinder die Granatäpfel und Walnüsse, die auf den Boden gefallen waren, herumschossen; dieses einfache Vergnügen machte ihnen großen Spaß. Auch ich konnte nicht umhin, mitzumachen und kickte mit den Kindern um die Wette.
Diese Szene hat mich tief berührt und plötzlich wurde mir bewusst, dass dieser Inbegriff kindlicher Unschuld auch die ursprüngliche Motivation war, Fußball zu spielen. Da schoss mir eine kühne Idee durch den Kopf: Wie wäre es, wenn ich den Fußball durch eine Pomelo ersetze?
KiJuKU: Und wird dort wirklich auf dem Dach gespielt?
Feiyu: In den Dörfern von Yunnan entdeckte ich ein weiteres faszinierendes Phänomen. Die Dächer dort sind miteinander verbunden und bilden eine einzigartige Kulisse. Eigentlich verwenden die Dorfbewohner die Dächer, um Mais und Getreide zu trocknen, mich aber inspirierten sie visuell. Die Struktur der Gebäude der ethnischen Minderheiten wie auch das stufenartige Gelände bieten unvergleichliche Bedingungen, um Sportszenen zu drehen.
Ich stand auf dem Dach eines Dorfhauses, schloss die Augen und lauschte dem Rauschen des Windes im Tal, dem Fließen des Flusses und dem fröhlichen Treiben der Kinder… Es war als hauchten diese Klänge den Fußballszenen auf dem Dach in meinem Drehbuch Leben ein. Ich habe diese sinnlichen Eindrücke in die Dreharbeiten einfließen lassen, und ich hoffe, dass ich diese reinen und schönen Kindheitserlebnisse durch Bilder an ein größeres Publikum weitergeben kann.
KiJuKU: Waren Sie als Kind „nur“ Fan oder haben Sie auch selber Fußball gespielt?
Feiyu: Ich hab nur geschaut, aber ich kann mich erinnern, mit so ungefähr zehn Jahren haben wir mit Freunden, wenn wir am Ende des Unterrichts nach Hause gegangen sind, mit Steinen, Plastikflaschen und allem möglichen, das auf dem Boden herumgelegen ist, gekickt. Das war der Grund für die Filmidee, dass es zum Fußballspielen nicht unbedingt einen Ball braucht.
KiJuKU: Sind Sie auch in einem kleinen Dorf aufgewachsen?
Feiyu: Nein, ich stamme aus der großen Stadt Chengdu (20 Millionen Einwochner:innen, Hauptstadt der Provinz Sichuan). Da ich die Provinz Yunnan sehr schön finde, wollte ich dort meinen Film drehen.
KiJuKU: Haben Sie selber auch Mädchen nicht mitspielen lassen?
Feiyu: Die Geschichte im Film ist fiktiv und hat mit meiner eigenen Kindheit nichts zu tun.
Anna Hofmann, Co-Leiterin des Kinderfilmfestivals, die beim Interview dabei ist, bringt die Frage eines Mädchens aus einem Filmgespräch nach „Fußball am Dach“ ein. Dieses Mädchen wollte wissen, warum der Regisseur als Mann einen Film über Fußball spielende Mädchen gemacht hat.
Feiyu: Ursprünglich wollte ich einen Film über Jungs machen, aber das chinesische Frauen-Fußball-Nationalteam ist viel besser als das der Männer, darum hab ich mich dann umentschieden. Außerdem möchte ich, dass der Frauensport mehr Beachtung findet; der Frauensport braucht mehr Menschen, die ihn unterstützen, deswegen habe ich beschlossen, von Frauenfußball zu erzählen.
KiJuKU: War das vielleicht auch eine Verarbeitung von schlechtem Gewissen, weil Sie selber als Kind Mädchen nicht mitspielen haben lassen?
Feiyu: Lächelt verschmitzt.
KiJuKU: Zurück zum Film, funktioniert das Kicken mit Pomelos wirklich oder zergatschen die nicht sehr schnell?
Feiyu: Ja, es funktioniert. Alle Bewegungen der Kinder im Film, wenn sie Pomelo und Granatapfel kicken, sind echt und wurden tatsächlich von ihnen ausgeführt, es gab keine Stuntleute. Damit will ich dem Publikum vermitteln, dass die Kinder im Film wirklich Fußball spielen können und diesen Sport besonders gern haben.
Das Kicken von Früchten zu drehen ist eine besondere Herausforderung, da die Früchte nicht wirklich rund sind – daher ist die Richtung des Schusses schwer kontrollierbar. Wir mussten immer und immer wieder drehen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
KiJuKU: Waren die Darsteller:innen Profis oder Laien oder gemischt?
Feiyu: Ursprünglich wollte ich mit Kinder-Schauspieler:innen arbeiten, aber das war nicht so leicht, weil den meisten die natürlichen Bewegungen der Kinder aus Yunnan fehlen. Und so hab ich mich entschieden, dann alles mit Laien-Darsteller:innen zu drehen. Sie hatten keinerlei Dreherfahrung und spielten das erste Mal in einem Film mit. Selbst der Begriff Laienschauspieler war ihnen fremd, weil sie noch nie an Dreharbeiten beteiligt waren. Aber sie vertrauten mir als Regisseur. Das lag daran, dass ich sie wie Freunde behandelte. Ich erklärte ihnen genau, wie sie spielen sollten, wie sie sich zur Kamera stellen sollten und so war der Dreh sehr entspannt. Es war nicht schwer.
KiJuKU: Wird in diesem Dorf wirklich auf dem Dach gespielt?
Feiyu: Das war eine Idee von mir. Aber ansonsten hab ich mich im Film schon grundsätzlich an dem Leben in diesem Dorf orientiert.
KiJuKU: Haben alle Kinder des Films auch schon vorher Fußball gespielt?
Feiyu: Manche von ihnen spielten bereits Fußball, manche konnten es aber nicht. Zum Beispiel Ayiduo (Tan Xinyu), die im Film die Rolle der älteren Schwester übernahm: Als sie zum Filmteam kam, konnte sie den Fußball nur zwei oder drei Schläge in der Luft halten, sie konnte gar nicht Fußball spielen. Wir fanden die besten Fußballtrainer für die Kinder, die mit ihnen übten. Als der Film abgedreht war, konnte Ayiduo den Fußball mehrere Hundert Mal mit Fuß und Knie in die Höhe schießen, ohne dass er die Erde berührte. Mit ihrer Teilnahme an der China Youth Football League 2024 ist sie nun professionelle Athletin. Das ist etwas, was keiner von uns erwartet hätte. Ayiduo (Tan Xinyu) entdeckte ihre Liebe zum Fußball bei den Dreharbeiten zu dem Film „Fußball am Dach“ und wurde schließlich zu einer erfolgreichen Jugend-Fußballspielerin.
KiJuKU: Haben alle mit Dorf dabei mitgespielt, auch wenn die Pomelos in die Schüssel mit Lebensmittel fallen…?
Feiyu: Ja, alle haben uns bei den Dreharbeiten sehr unterstützt.
KiJuKU: Wie sind Sie zum Filmen gekommen, haben Sie schon als Kind Videos gedreht?
Feiyu: Seit meiner Kindheit bin ich von Film begeistert. Da mein Vater im Kulturbereich arbeitete, konnte ich oft ins Kino gehen und kostenlos Filme anschauen. Seit ich fünf oder sechs Jahre alt war, habe ich Filme angeschaut, ich liebe diese Kunst von Licht und Schatten. Es war immer mein Traum einmal selbst Regie zu führen. „Fußball am Dach“ ist mein erster Langfilm, mit 21 habe ich meinen ersten professionellen Kurzfilm gedreht.
KiJuKU: Worum ging der?
Feiyu: Es ist ein Science-Fiction-Film über einen Außerirdischen, der in seine Heimat zurückwill.
KiJuKU: eine Art E. T. (Steven Spielberg, 1982) sozusagen?
Feiyu: Mein Film ist ganz anders, mein Außerirdischer ist menschenähnlicher.
KiJuKU: Wie lange haben Sie an „Fußball am Dach“ gearbeitet?
Feiyu: Ich habe drei Jahre für das Drehbuch recherchiert und daran geschrieben, dann hatten wir 50 Drehtage 2020.
KiJuKU: Da war doch Pandemie?
Feiyu: Es war eine große Herausforderung, während der Pandemie einen Film zu machen, und die Dreharbeiten zu diesem Film waren voller Schwierigkeiten. Wenn ich jetzt zurückblicke, sind das alles wertvolle Erfahrungen, die es mir ermöglichten, schneller zu wachsen. Wir hatten 50 Drehtage und drehten insgesamt 213 Szenen; es waren an die 1.300 Darsteller:innen und Crew-Mitglieder an den Dreharbeiten beteiligt, was für einen solchen Film mit geringem Budget sehr hart war. Mein Team und ich haben jedoch dem Druck standgehalten und gemeinsam an der Überwindung der Schwierigkeiten gearbeitet. Ich möchte ihnen allen auch auf diesem Weg meinen aufrichtigen Dank für ihre Unterstützung und ihr Engagement aussprechen. Leider kam die Postproduktion des Films aufgrund von Finanzierungsproblemen für eine Weile ins Stocken und wir mussten unsere Arbeit unterbrechen.
Glücklicherweise hatte ich die Chance, Ende Dezember 2021 an der Filmentwicklungs- und Investitionskonferenz des chinesischen Golden Rooster Film Festivals teilzunehmen. Von Regisseur Huang Jianxin und anderen Expert:innen erhielt ich Anerkennung und Ermutigung. Regisseur Huang Jianxin war bereit, mir zu helfen. Im Mai 2022 arbeitete Huang Jianxin mit mir bis spät in die Nacht hinein im Postproduktionsraum: Wir überprüften das gesamte Filmmaterial sorgfältig und er half mir, den Schnitt neu zu machen. Huang Jianxin führte mich durch den gesamten Prozess der Filmproduktion, vom Dreh über Schnitt, Musik, Tonmischung, Lichtmischung zu Farbkorrektur und Color Grading. Schließlich schloss ich mit Hilfe von Huang Jianxin die Produktion des Films ab. 2023 war er fertig.
Mein Dank gilt der Filmentwicklungs- und Investitionskonferenz des chinesischen Golden Rooster Film Festivals dafür bedanken, dass sie mir diese Plattform zur Verfügung gestellt und mir die Möglichkeit gegeben hat, so hervorragende Mentoren zu treffen und meinen Filmtraum zu verwirklichen. Ich danke allen Expert:innen, Freunden und Kollegen, die diesen Film unterstützt haben. Ganz besonderer Dank geht an die liebenswerten Kinder in dem Film für ihre hervorragende Leistung. Ich wünsche mir, dass dieser Film in Europa und an anderen Orten gezeigt werden kann, damit mehr Kinder diese inspirierende Geschichte sehen können.
KiJuKU: Ab 2023 ist er in chinesischen Kinos und bei internationalen Festivals gelaufen?
Feiyu: Naja, in China wurde er in einigen Kinos gespielt, jetzt da in Wien und Graz beim Festival ist er zum ersten Mal in Europa öffentlich, im Vorjahr war er in Cannes sozusagen auf dem Markt, wo ihn Interessierte von Festivals sehen konnten, zum Beispiel auch von diesem hier.
KiJuKU: Was ist Ihr nächstes Filmprojekt?
Feiyu: Mir schwirren ein paar Ideen durch den Kopf. Gern würde ich wieder einen Science-Fiction-Film, aber auch einen Kinderfilm drehen.
KiJuKU: Von dem Kurz- und dem jetzigen Film können Sie wahrscheinlich ja nicht leben, haben Sie noch einen sogenannten Brotjob, mit dem Sie Ihren Lebensunterhalt finanzieren können?
Feiyu: Viele Regisseur:innen in China haben entweder einen anderen Job nebenbei oder schreiben Drehbücher für andere Projekte. Bei mir ist Zweiteres der Fall.
KiJuKU: Xie Xie für das Interview
Feiyu: Bukeqi
Übersetzung während des Interviews: Nick Yang Ungerböck
Für nachträgliche Korrekturen und Veränderungen: Isabella Wolte
Gewinnerfilme nochmals zu sehen: 1. Dezember
Alle Preisträgerfilme sind am 1. Dezember nochmals auf der großen Leinwand zu erleben – Details siehe Info-Box.
Mehr über den Film „Grüße vom Mars“
Beitrag über die Filme des Festivals – mit Infobox auch zu den noch verbleibenden Terminen in der Steiermark
Preis der Kinderjury
Fußball am Dach
11:00 Cinemagic
Publikumspreis
Grüße vom Mars
11:00 Votiv Kino
Unicef-Kinderrechte-Preis
Lars ist LOL
14:30 Cinemagic
Reservierungen ab sofort
Telefon: 0664 465 56 60 oder
direkt in den teilnehmenden Kinos
Grüße vom Mars:
Bis 1. Dezember 2024
Steiermark
Graz, Kapfenberg, Leibnitz, Liezen
kinderfilmfestival – steiermark
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