Auszeichnungen und Anerkennungen bei den „Ältesten“ der Kategorie „U 19 – Create Your World“ beim Prix Ars Electronia; Teil 5 der Berichte.
Nach den Berichten über die besten der 520 eingereichten Arbeiten von Kindern und Jugendlichen der Unter-gruppen U 10, U 12 und U 14 präsentiert Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… klarerweise – und wie angekündigt – die Top-Projekte von 14- bis 19-Jährigen der Kategorie „U 19 – Create Your World“ beim weltweit sicher renommiertesten Preis für digitale Kunst, dem Prix Ars Electronica, ausgehend vom „Museum der Zukunft“, dem AEC in Linz.
Da es bei den Ältesten (Young Professionals) immerhin zehn Anerkennungspreise, zwei Auszeichnungen und natürlich – wie auch in den (Erwachsenen-)Kategorien „New Animation Art“, „Artificial Life & Intelligence“, „Digital Musics & Sound Art“ – den absoluten Hauptpreis, die Goldene Nica gab, würde ein Beitrag zu lange und vielleicht unübersichtlich werden. Daher wird hier die Vorstellung der künstlerischen Arbeiten aufgeteilt, aber nicht nach Hauptpreis, Auszeichnungen und Anerkennungen, sondern zunächst für die ersten beiden Teile davon mit inhaltlichen Schwerpunkten; heute drei Projekte, die – zwei dezidiert, eines weitgehend – noch immer vorhandene, teils auch wieder zunehmende – überholte Geschlechter-Rollenbilder thematisieren, demaskieren und dies auf künstlerisch ziemlich unterschiedliche Art und Weise mach(t)en.
Klischees und Vorurteile sind oft mit dem Bild von „Schubladen“ verbunden. Dies war für Rosa Gottwald, Luna Hörstlhofer, Lucia Kottar-Trimmel und Barbara Reiter, Schülerinnen der Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt (Wien-Penzing) der Ausgangspunkt für die analoge Präsentationsfläche ihrer digitalen Arbeiten, denen sie den Titel „Die moderne Hausfrau“ gaben. Ein uraltes, weißes Küchenkastl – mit Laden und einem Glastüren-Schrank beherbergt die filmischen, bildlichen und hörbaren Recherche-Ergebnisse zum Wandel der Rollen von Frauen in den vergangenen knapp mehr als 100 Jahren – sortiert nach Laden:
Alte Werbeanzeigen und einengende Rollenzuschreibungen vor allem auf Küche ertönen und werden sichtbar in Lade 1. Schon daneben finden sich Dokumente des Kampfes um Gleichberechtigung. Doch aus der dritten Schublade wabbert der neue Social-Media Tradwife-Trend als Wiederauferstehung der alten Klischees in neuem Gewande auf.
Die Installation – der Kasten stand in echt und „angreifbar“ in der U19-Ausstellung in der Post City beim Linzer Bahnhof – reagiert auf Besucher:innen – je nachdem welche Lade sie ziehen oder die Glastüren im oberen Teil des alten Kastls öffnen.
„Mit ihrer Installation Die moderne Hausfrau gelingt es den Künstlerinnen, jahrzehntealte, komplexe gesellschaftliche Narrative zur Rolle der Frau mit künstlerischem Feingefühl und analytischer Klarheit zu durchleuchten. Zwischen historischem Archivmaterial, symbolischer Objektanordnung und aktuellen Social-Media-Phänomenen entsteht ein Raum, der nicht belehrt, sondern zum Nachdenken einlädt. Das Werk zeigt, wie tief verwurzelt bestimmte Rollenbilder sind und wie sie sich heute in neuem Gewand reinszenieren. Es ist politisch, poetisch und konsequent komponiert. Ein bemerkenswerter Beitrag, der überzeugend die Brücke zwischen Kunst, Gesellschaft und individueller Reflexion schlägt“, befand die Jury ((Vivian Bausch, die die U19-Ceremony moderierte, sowie Clara Donat, Jan G. Grünwald, Katharina Hof und Conny Lee) – und vergab dafür eine von zwei Auszeichnungen.
Kampfbetontes Fußballspiel im Turnsaal, heftige Beschimpfungen, auf den Boden spucken… – wer sich so in diesem Fall aufführt, sind Mädchen. Als zwei Buben mitspielen, werden sie belächelt und mit „geht’s ham Wäsch waschen!“ weggewiesen.
„Wenn’s sein muss“ nannten Schüler:innen des BRG Hallein (Salzburg) ihren knapp mehr als dreiminütigen ironischen Spielfilm. Mit dem immer wieder wirkungsvoll eingesetzten Trick „verkehrte Welt“ werden so mit einem kräftigen Schuss Humor versehene Rollenklischees aufs Korn genommen.
Die 16-jährigen Amelie, Antonia, Christoph, Felix, Halime, Jana, Leon, Leonie, Lucia, Lucie, Marie, Paul, Sebastian, Tristan, Viktoria, Zoia drehten den Film im Rahmen eines Workshops mit – wie auch andere Top-Projekte „Shoot your Short“ – und sorgten sowohl für die Protagonist:innen vor der Kamera als auch jene, die dahinter agierten oder das gedrehte Material montierten (Schnitt).
Immer wieder verblüffend, wie allein durch den Rollentausch klassisch – noch immer vorhandenes – Rollenverhalten der Lächerlichkeit preisgegeben werden kann – vielleicht viel wirksamer als „bierernste“ Vorhaltungen mit erhobenem Zeigefinger.
Was übrigens schon vor mehr als einem halben Jahrhundert (1974) die DDR-Schriftstellerin Irmtraut Morgner im Kapitel „Kaffee verkehrt“ in ihrem 680 Seiten-Buch „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz…“ (btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House) schon vorgemacht hat, indem sie die Rollen in einem Kaffeehaus am Berliner Alexanderplatz vertauscht hat: „Als neulich unsere Frauenbrigade im Espresso am Alex Kapuziner trank, betrat ein Mann das Etablissement, der meinen Augen wohltat. Ich pfiff also eine Tonleiter rauf und runter und sah mir den Herrn an, auch rauf und runter. Als er an unserem Tisch vorbeiging, sagte ich „Donnerwetter“. Dann unterhielt sich unsere Brigade über seine Füße, denen Socken fehlten, den Taillenumfang schätzen wir auf siebzig, Alter auf zweiunddreißig… Ich ließ ihm und mir einen doppelten Wodka servieren und prostete ihm zu… In der Tür ließ ich meine Hand wie zufällig über eine Hinterbacke gleiten, um zu prüfen, ob die Gewebestruktur in Ordnung war…“
Gerade der letzte Satz der Autorin über den Griff an die Hinterbacke mit „verkehrten“ Rollen-Stereotypen knüpft einerseits an einem Teil des Inhalts im Video „Wenn’s sein muss“ an, wo Mädchen über einen knackigen Burschen-Po, sexy Hände eines anderen ablästern und schlägt die Brücke zu einem dritten hier vorgestellten Projekt, das es in die Top-Arbeiten bei „U19 – Create Your World“ geschafft hat: „Lines We Draw“. Die vier Schülerinnen der Graphischen Joy Grasser, Alica Hintermayer, Elina Kaufmann und Maya Neidhart bauten eine Installation mit einer weiblichen Schaufensterpuppe.
In einer ersten Version wurden bei Berührungen der Figur über Sensoren Signale ausgelöst. Irgendwie kam den vier Jugendlichen dann – vor allem aufgrund von Interviews in denen viele über reale unangenehme unangebrachte Berührungen und oft davon ausgelöster eigener Art Lähmungen statt heftiger Widersprüche – diese Art der Interaktion erst recht nicht richtig vor. Die neue Version – schon in der U 19-Ausstellung in der Post City in Linz – reagiert via Kameras schon auf Annäherung an diese Puppe. Entsprechend der Grenzverletzung ertönen voraufgenommene Geschichten aus den Interviews.
Einige davon finden sich übrigens auch in einem broschürten Büchlein. Ein Zitat fasst vielleicht mit am heftigsten zusammen, was Opfer ungewollter Berührungen und Grenzüberschreitungen oft erleben: „Ich fühle mich, als würde ich für kurze Zeit meinen Körper verlassen. Ich empfinde alles und nichts gleichzeitig. Mein Kopf beginnt laut zu schreien, selber gebe ich aber keinen Mucks von mir. Ich verspüre Angst, Unsicherheit und Schwäche.“
Wobei derartige Grenzüberschreitungen oft schon viel früher beginnen. „Ich mag eine Straße entlang gehen, ohne als gehendes Sexobjekt betrachtet zu werden“, erzählte etwa Emilie Kutzenberger (ORG Hegelgasse, Wien) in ihrem Beitrag auf Deutsch und Dänisch beim mehrsprachigen Redebewerb „Sag’s Multi!“ vor ein paar Jahren (2020/ 21), in dem sie Femizide und die ihnen zugrunde liegende Struktur „eine Welt von Männern für Männer kreiert“ kritisiert.
Wird fortgesetzt mit weiteren U19-Projekten.
ars.electronica.art -> die moderne Hausfrau
ars.electronica.art -> wenns sein muss
ars.electronica.art -> Lines we draw
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