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Station in der Installation "Metabolica"
Station in der Installation "Metabolica"
22.10.2025

Künstler lässt Algen und Bakterien Bio-Kunststoff in Riesen-Labor herstellen

Spannende Ausstellung / Installation „Metabolica“ mit Live-Prozessen und -Produktion im „Freiraum“ des Wiener MuseumsQuartiers bis 1. Februar 2026.

Als hätte jemand ein Labor für Ries:innen gebaut, stehen die Behälter mit grüner, gelber, violetter Flüssigkeit in der Ausstellungshalle „Freiraum“ in der Vorderfront des Wiener MuseumsQuartiers. Schläuche verbinden die Reaktoren, in denen es blubbert. Dazwischen liegt eine U-Boo-ähnliche Maschine, im Hintergrund, knapp vor dem Durchgang in den Hof mit Kindermuseum Zoom, Kinderinfo und Theaterhaus für junges Publikum, Dschungel Wien, fährt eine Pferdekopfpumpe geräuschvoll auf und ab.

Riesenspinne

Schließlich thront eine Riesen-Monsterspinne im chronologisch letzten Raum, der auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs liegt, über einer Mega-3D-Drucker-Konstruktion. Eines ihrer Beine steckt in einem Behälter mit gelblicher Flüssigkeit – dazu später. Vor der Spinne liegt auf einem Tisch ein halber weißer 3D gedruckter Riesen-Menschenkopf, teils gefüllt mit schwarzen Kugel-Verbindungen. In einer Ecke lehnt tief gesunken eine Art Comic-Figur mit Kugelkopf, ebensolchen Händen und Füßen und einem sackartigen Körper.

Stoffwechsel-Prozesse

Das Labor ist auch tatsächlich ein solches. Der Künstler, vor allem Bildhauer, Thomas Feuerstein hat „Metabolica“, so nennt er seine Installation, 2017 begonnen, im Vorjahr beim Ars Electronica Festival in Linz – zum Thema Hope- who will turn the tide (Hoffnung – wer wird das Blatt wenden) – aufgebaut und nun ist dieser künstlerisch gestaltete Stoffwechselprozess in Wien zu beobachten, erleben, und bestaunen. Was hier entsteht: Biologischer Kunststoff – aus uuuuuuuralten Mitteln, winzigsten Grünalgen, gut zweieinhalb Milliarden alt, wie Feuerstein Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erklärt, und Bakterien, die auch schon Millionen Jahre existieren.

Die beiden Elemente treten durch ihre Interaktion in einen Stoffwechselprozess, die Bakterien sorgen dafür, dass die einzelligen Grünalgen Fettsäure produzieren, und die Bakterien wandeln diesen in den Bio-Kunststoff PHB (Polyhydroxydbutyrat) um. In weiteren der Maschinen wird die Flüssigkeit entzogen und dieser neue Stoff kann als feines, weißes Granulat geerntet werden.

Entstehen und vergehen

Im 3D-Drucker erhitzt, „spuckt“ dieser die ihm einprogrammierten Objekte weiß aus. Aufgekocht werden sie, wie der Künstler dem Journalisten anvertraut, braun – was die anders modellierten Spinnenbeine erklärt. Eines der Spinnenbeine steckt wiederum in einem Behälter mit Flüssigkeit und diesen Bakterien, die nun wiederum das Objekt nach und nach zersetzen. Der Bio-Kunststoff ist natürlich auch biologisch abbaubar. In einem Video auf seiner Homepage nennt der Thomas Feuerstein als ein sehr praktisches Beispiel für ein mögliche Anwendung große Fischernetzte, die nicht selten irgendwann im Meer verfangen und nach und nach zu Mikroplastik werden, mit PHB aber schlicht und ergreifend sich relativ rasch natürlich auflösen würden.

Aus dem Bio-Kunststoff schuf Thomas Feuerstein unter anderem dieses an einen Ouroboros erinnernde Kunstwerk
Aus dem Bio-Kunststoff schuf Thomas Feuerstein unter anderem dieses an einen Ouroboros erinnernde Kunstwerk

Kreislauf-Symbol

Der Kreislauf wäre geschlossen – als Symbol für dieses Rund von Entstehen und Vergehen wählte der Künstler unter anderem Ouroboros, den Kreis aus einer Schlange oder einem Drachen die bzw. der sich in den Schwanz beißt – wörtliche Bedeutung aus dem Altgriechischen: „Schwanzverzehrender“, ein Bild, das es aber auch schon im Alten Ägypten gab. Wie eine Art Teil einer Ausgrabung von Fossilien hat Feuerstein für eine Vitrine in der Ausstellung ein halbes Skelett eines solchen Wesens – aus dem Biokunststoff modelliert.

Material und Werkzeug

Als Bildhauer gehe er zunächst einmal vom Material aus, erzählt er in der Ausstellung / Installation auch bei der Präsentation des Katalogs. Während er aber bei Arbeiten mit Marmor oder anderen harten Materialien den Werkstoff und Werkzeug brauche, seien hier die Algen und Bakterien gleichzeitig beides, sie seien sozusagen „künstlerische Kollaborateur:innen“, weil sie durch ihren Stoffwechsel (Metabolismus) erst das neue Material erschaffen.

Elefanten als Kind

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…. wollte von Thomas Feuerstein wissen, wie er zur Bildhauerei gekommen ist. „Ich hab schon als sehr junges Kind, so zwischen vier und sieben Jahren aus Ton Skulpturen gemach, immer Elefanten. Von ganz klein und dann immer größer. Ich weiß noch, eines Tages wollte ich damals eine Skulptur bauen, die so groß ist wie ein echter Elefant. Später hab ich dann viel gezeichnet, fotografiert, Filme mit einer Super 8-Millimeter Kamera gedreht. Und mit 18 hab ich mit einem Freund gemeinsam einen Keller zum Atelier gemacht, wo wir große Skulpturen gebaut haben.“

Der Katalog…

… ist weit mehr als die Beschreibung der Objekte, der Prozesse und der Idee dahinter. Philosophische, grundsätzliche Fragen werden hierin ebenso erörtert wie der bildende Künstler auch seine literarischen Qualitäten manifestierte – indem er viele seiner Gedanken in eine Fantasie-Geschichte verpackte, für die er die Hauptfigur Baha – als Anagramm von Ahab, und zwar jenem Kapitän aus Herman Melvilles „Moby Dick“, erfand.

In die Figur Lukrezia legt er seine eigene Begeisterung für PHB, indem er diese Forscherin sagen lässt: „Die Bakterien sind die neuen Verbündeten. Sie sind die Architekten und Bildhauer unserer Zeit. Die Welt braucht einen revolutionären Werkstoff zur Realisierung utopischer Erneuerung.“

Rund 15 Seiten später sagt sie zum nach etlichen abenteuerlichen Erlebnissen erschöpften Baha: „Du bist viele; dein Name ist Legion. Alles, was jemals auf der Erde gelebt hat, ist in dir. Ammoniak, Sulfide, Kohlenwasserstoffe, atomare Kopulation, molekularer Sex. In deinem Darm feiern Archaeen, Bakterien, Viren eine orgiastische Genese. Du bist nicht Mensch, Mann oder Frau. Du bist das Leben der vielen Geschlechter. Du bist Wirt, Symbiont und Holobiont für eine neue Kunst…“

kijuku_heinz

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Mehr Informationen

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Metabolica

Künstler: Thomas Feuerstein

Mikrobiologische Forschung und biotechnologische Entwicklung: Universität Innsbruck / Abteilung Mikrobiologie
Abteilung für Umweltingenieurwesen, Biotreat GmbH
Christian Ebner, Livia Hökl, Judith Ascher-Jenull, Rudolf Markt, Thomas Pümpel, Christian Scherfler, 
Christoph Schinagl, Thomas Seppi, Pamela Vrabl
Werkstofftechnik: Valentine Troi
Software: Peter Chiochetti
Mechatronics and 3D Druck: Jonathan Hanny, Jan Contala (cera.LAB)
Konstruktion und Maschinenbau:  Stefan Göschl, Tobias Hartung von Hartungen
Projekt-Koordination: Eva M. Kobler
Kuratorin: Verena Kaspar-Eisert

thomasfeuerstein.net

Video, in dem de Künstler über Metabolica spricht

Wann & wo?

Bis 1. Februar 2026
Führungen (auf Deutsch) mit der Kunsthistorikerin Margareta Sandhofer
Jeden ersten Mittwoch im Monat statt. Die Teilnahme ist mit gültigem Ticket (5 €) kostenfrei
5. November 2025
3. Dezember
7. Jänner 2026
Jeweils 17 Uhr
Freiraum, MuseumsQuartier; 1070 Wien

Der Katalog

Thomas Feuerstein Metabolica
Herausgegeben von Verena Kaspar-Eisert, Bettina Leidl
Mit Texten von Christian Ebner, Thomas Feuerstein, Jens Hauser, Verena Kaspar-Eisert & Bettina Leidl und Gesprächen von Anett Holzheid und Hans-Jörg Rheinberger mit dem Künstler
Gestaltung: Tommi Bergmann
Deutsch/Englisch
360 Seiten
Schleebrügge.Editor Verlag für zeitgenössische Kunst, Architektur, Design und Theorie
38 €
schlebruegge -> metabolica