Zum Geburtstag erinnerten Kindergartenkinder vor der pädagogischen Fachmesse die Besucher:innen, daran, dass es seit fast vier Jahrzehnten internationale Kinderrechte gibt. Etliche Organisationen weisen auf Mängel in der Umsetzung hin; drei Dutzend Fotos, zwei Videos.
„1, 2, 3, 4 – Kinderrechte wollen wir, 5, 6, 7, 8 – das wird heute klar gemacht!“ Immer wieder riefen einige Dutzend Kinder diesen Sprechchor – vor und im Zugang zu einer der Messehallen Wien. Drinnen startete die Interpädagogica, („Bildungsfachmesse für Lehrmittel, Ausstattung, Kultur und Sport – von der Kleinkindpädagogik bis hin zum kreativen, lebensbegleitenden Lernen“, Selbstzeichnung). Und zufällig fiel der Start der 46. Ausgabe dieser Messe in diesem Jahr auf den internationalen Tag der Kinderrechte, die eben an einem 20. November – und zwar im Jahr 1989 – von der UNO-Generalversammlung nach jahrzehntelangen Debatten in einer eigenen Konvention beschlossen worden sind.
Kinder aller fünf Kindergärten der Wiener Kinderfreunde im 2. Bezirk – wo auch die Messe Wien ihre Hallen beim Prater hat – hatten Plakate gezeichnet und geschrieben – mit Bildern zu jenem Recht, das ihnen jeweils am wichtigsten ist – vom gesunden Essen über eine ebensolche Umwelt bis hin dazu, dass kein Kind illegal ist. Den Sprechchören der Kinder folgten auch Lieder, unter anderem das allbekannte „Happy Birthday“ – eben für die Kinderrechtskonvention, immerhin schon 36 Jahre „alt“. In Österreich sind sie rund drei Jahre später als Bundesgesetz in Kraft getreten, 2011 – nach langjährigen Forderungen – wurden einige davon in den Rang von Verfassungsgesetzen erhoben, leider nicht die gesamte Konvention. Bis heute ist übrigens das im selben Jahr beschlossene „3. Zusatzprotokoll“, das Kinder eine Individualbeschwerde bei Verletzung von Kinderrechten einräumt, von Österreich nicht ratifiziert, also rechtlich anerkannt, worden.
Die Kinder der Donnerstag-Aktion kamen aus den Kinderfreunde-Kindergärten in der der Ausstellungsstraße, Rotensterngasse, Vorgartenstraße sowie den beiden ÖBB-betriebsnahen Kindergärten mit MINT-Schwerpunkt Lasallestraße und Praterstraße; sie alle sind in ihrem letzten Jahr bevor sie im Herbst in die Schule wechseln.
Zum Tag der Kinderrechte forderte die Bundesorganisation der Österreichischen Kinderfreunde „entschlossene Maßnahmen, damit Kinderrechte in Österreich endlich lückenlos gelten – in jeder Gemeinde, in jeder Einrichtung und für jedes Kind“ gelten. Deren Budnesvorsitzender Jürgen Czernohorszky, Stadtrat in der Wiener Landesregierung, meinte in einer Aussendung: „Es darf auf keinen Fall passieren, dass Kinder die Leidtragenden von aktuellen Kürzungen werden.“
Außerdem verlangte er, dass „jede Organisation, die mit Kindern arbeitet, verbindliche und geprüfte Kinderschutzkonzepte“ brauche samt „regelmäßigen Schulungen für alle Beteiligten und externe Qualitätskontrollen“.
„Bildungseinrichtungen müssen so aufgestellt sein, dass alle Kinder gemeinsam lernen können“, sagt Daniela Gruber-Pruner, Bundesgeschäftsführerin der Kinderfreunde. „Das heißt: multiprofessionelle Teams, ausreichende Ressourcen, Barrierefreiheit und Unterstützung dort, wo Kinder sie brauchen.“
Zu diesem Tham hatte der Unabhängige Monitoringausschuss schon am Tag davor „auf strukturelle Barrieren aufmerksam (gemacht), mit denen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Österreich beim Aufwachsen konfrontiert sind. Als Basis dienen die Erfahrungen, die Menschen mit Behinderungen bei der diesjährigen Öffentlichen Sitzung 2025 des Unabhängigen Monitoringausschuss zum Thema „Aufwachsen mit Behinderungen“ geteilt haben. Die ersten Ergebnisse zeigen: Viele zentrale Rechte der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bleiben noch immer unbeachtet.“
„Kinder und Jugendliche erfahren Ausgrenzung, Vorurteile und Gewalt, insbesondere in Schule und Freizeit. Lehr- und Betreuungspersonen greifen oft nicht ein, Sensibilität für Behinderung und spezifische Gewaltformen fehlt häufig. Ärzt*innen nehmen Beschwerden und Fragen oft nicht ernst, Erklärungen in Leichter Sprache fehlen…
Freizeitangebote sind oft nicht barrierefrei. Persönliche Assistenz fehlt, sodass Kinder stark von Eltern oder Geschwistern abhängig sind. Das erschwert Teilhabe und soziale Kontakte. Kinder und Jugendliche werden in wichtigen Entscheidungen zu Wohnen, Bildung oder Politik oft nicht einbezogen, ihre Interessen bleiben ungehört. Fehlende Unterstützungsstrukturen verhindern, dass sie selbstbestimmt handeln können.
Daniela Rammel vom Vorsitzteam dieses Monitoring-Ausschusses: „Kinder mit Behinderungen sind Trägerinnen und Träger von Rechten. Ihre Rechte dürfen nicht vom Wohlwollen, Wohnort, oder von familiären Ressourcen abhängen.“
„Der Zugang zu medizinischer und therapeutischer Versorgung darf nicht vom Einkommen oder der Postleitzahl abhängen“, so Gruber-Pruner von den Kinderfreunden. „Wir brauchen österreichweit genügend Kassenplätze, kurze Wartezeiten und einen kräftigen Ausbau der Kinder- und Jugendgesundheit – von der Primärversorgung bis zur Psychiatrie.“
„Frühkindliche Bildung ist ein Recht – kein Luxus“, unterstreicht Czernohorszky. „Kostenfrei, ganztägig, ganzjährig und mit bester pädagogischer Qualität ausgestattet: mit kleinen Gruppen, gutem Betreuungsschlüssel und Öffnungszeiten, die Familien wirklich nützen.“
„Die Zahlen zeigen ganz deutlich – wir brauchen die Kindergrundsicherung. Jedes Kind, das in Armut leben muss, erlebt Tag für Tag die Verletzung seiner Rechte. Kinderarmut gehört in die Geschichtsbücher – nicht in den Alltag von Kindern“, fordert Gruber-Pruner.
„Kinderrechte stehen nicht nur in der Verfassung, sie sind auch unser aller Verpflichtung“, ziehen die Kinderfreunde Bilanz. „36 Jahre nach der Beschlussfassung der Kinderrechte gilt es endlich, alle Kinderrechte für alle Kinder zum Leben zu erwecken.“
Den Kinderrechte-Geburtstag nahmen auch das Netzwerk Kinderrechte Österreich (das fast fünf Dutzend Organisationen vertritt) und Ökobüro zum Anlass, die konsequente Umsetzung dieser doch schon fast vier Jahrzehnte verankerten Rechte für Menschen bis 18 zu verlangen.
„Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es essenziell, die Expertise zivilgesellschaftlicher Organisationen einzubeziehen, um langfristige Folgeschäden durch Sparpakete zu vermeiden. Organisationen, die täglich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, erkennen die Auswirkungen politischer Entscheidungen frühzeitig – vorausgesetzt, sie verfügen über ausreichende Ressourcen und stabile Rahmenbedingungen. Gleichzeitig bestehen weiterhin Mängel im Bildungs- und Sozialbereich: Der Bildungserfolg hängt stark vom Elternhaus ab, Kinder mit Behinderung haben vielerorts keinen gleichberechtigten Zugang, und jedes fünfte Kind lebt in Armut – mit gravierenden Folgen für Gesundheit, Teilhabe und Zukunftschancen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Netzwerk und Ökobüro.
Diese bestehenden sozialen Ungleichheiten werden durch die Klimakrise weiter verschärft. Sie bedroht eine Vielzahl von Kinderrechten unmittelbar: das Recht auf Gesundheit, auf Schutz vor Gefahren, auf eine sichere Lebensumwelt und auf faire Zukunftsperspektiven. Der UN-Kinderrechtsausschuss hat in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 26 unmissverständlich festgehalten, dass Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Lebensgrundlagen heutiger und zukünftiger Generationen zu schützen. Fehlender Rechtsschutz und mangelnde Beteiligung von Kindern
„Obwohl der österreichische Staat zur Wahrung des Kindeswohls verpflichtet ist, reichen die aktuellen Klimaschutzmaßnahmen nicht aus, um diesem Anspruch gerecht zu werden“, sagt Gerlinde Schörghofer, Umweltjuristin bei Ökobüro. „Zahlreiche Klimaschutzprogramme wurden zuletzt zurückgefahren – mit direkten Folgen für junge Menschen.“
Auch der Zugang zu Gerichten ist für Kinder faktisch kaum möglich: „Trotz verfassungsmäßiger Schutzrechte setzt der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeitshürden so hoch an, dass Kinder ihre Rechte kaum wirksam geltend machen können.“ Ebenso werde ihr Recht auf Beteiligung in politischen Prozessen vielfach nicht umgesetzt. „Einsparungen zu Lasten der jungen Generation schwächen jene Strukturen, die notwendig wären, um Beteiligung als demokratischen Standard zu verankern.“
„Kinderrechte dürfen nicht als optionale Luxusidee verstanden werden. Sie müssen in allen Gesetzen, Sparmaßnahmen und politischen Entscheidungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene verbindlich berücksichtigt werden. Es braucht sichtbaren politischen Willen – das ganze Jahr über, nicht nur am Tag der Kinderrechte.
Denn wer bei Kinderrechten spart, spart letztlich dort, wo die Grundlagen einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft entstehen“, so das Netzwerk Kinderrechte und das Ökobüro.
Der Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendeinrichtungen (DÖJ) sowie die Volksanwaltschaft kritisierten am Tag vor dem Kinderrechte-Geburtstagh in Aussendungen wieder die seit 2019 zu den Bundesländern verschobene Kompetenz in der Kinder- und Jugendhilfe. Das führe zu großen regionalen Unterschieden, etwa bei Unterstützungsleistungen, bei Personalschlüsseln und Gruppengrößen in den Kinder- und Jugend-WGs und bei den Ausbildungsanforderungen an das Personal, kritisierte Volksanwalt Bernhard Achitz.
Auch anderer Einrichtungen, wie FICE-Austria, Netzwerk Kinderrechte, die Kinder- und Jugendanwaltschaften und die Bundesjugendvertretung würden sich für eine österreichweite und qualitätsgesicherte Kinder- und Jugendhilfe einsetzen, betonte DÖJ-Obmann Gerald Herowitsch-Trinkl und richtete seinen Appell besonders an Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP).
Volksanwalt Achitz forderte auch die verpflichtende Einführung der Qualitätsstandards für die außerfamiliäre Erziehung von FICE, der internationalen Organisation für erzieherische Hilfe. Laut der aktuellen Kinder- und Jugendhilfestatistik waren im vergangenen Jahr 13.050 Kinder und Jugendliche in sogenannter „voller Erziehung“ fremduntergebracht. Um diese möglichst zu vermeiden und Minderjährigen den Verbleib in den Familien zu ermöglichen, forderte die Volksanwaltschaft zudem den Ausbau ambulanter Hilfen.
Die Situation in der Fremdunterbringung sei hingegen prekär, kritisierte das Österreichische Hilfswerk. Es komme zu langen Wartezeiten und überfüllten Einrichtungen. Das Hilfswerk warnte vor Sparmaßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. Aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen käme es immer wieder zu Fällen der Kindeswohlgefährdung.
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