Zwei Künstlerinnen aus Syrien, die an dem Figurenstück nach dem Bilderbuch „Der wunderbarste Platz auf der Welt“ federführend mitgearbeitet haben, haben hier Fuß gefasst. Gespräch mit Rasha Ahmad und Sadekka Shrekka vor der Wiederaufnahme des Figurentheaterstücks.
„Der wunderbarste Platz auf der Welt“/ „Aǧmal makān fi-l-ālam“ steht ab 11. September 2021 im Figurentheater Lilarum auf dem Spielplan. Es handelt sich um eine Wiederaufnahme der Dramatisierung des gleichnamigen Bilderbuchs von Jens Rassmus. Das Theater in Wien-Landstraße hatte dazu Rasha Ahmad und Sadekka Shrekka, zwei Künstlerinnen, engagiert, die zwei Jahre zuvor aus Syrien flüchten mussten. Mehr darüber in der damaligen Reportage, damals noch für den Kinder-KURIER – siehe Link unten
Kinder-KURIER-Werkstattbesuch – vor vier Jahren
Nun knapp vor der Wiederaufnahme traf der Reporter – diesmal für die junge Homepage Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … die beiden im Theater Lilarum. Rasha Ahmad arbeitet dort und absolviert eine Lehre als Veranstaltungstechnikerin. Ihre Kollegin und Mitbewohnerin Sadekka Shrekka kommt hierher auf Besuch, sie arbeitet als Restauratorin in einer Wiener Galerie (Zacke).
Rasha Ahmad, mittlerweile 38 Jahre, hatte nach dem Figurenbau im Lilarum an einem Projekt des AMS (ArbeitsmarktService) Frauen in die Technik (FiT) teilgenommen und dabei Exkursionen in verschiedenste Betriebe unternommen. Als das Theater eine Lehrstelle offen hatte, kamen die beiden wieder zusammen. „Ich bin jetzt fast fertig mit meiner Lehre und fühle mich hier sehr wohl. Wir sind hier wie eine Familie. Leider mussten wir wegen Corona immer wieder pausieren“, erzählt die Künstlerin und bald fertig Veranstaltungstechnikerin dem Journalisten.
„Aber in dieser Zeit hab ich dann von zu Hause aus viel für die Berufsschule gelernt. Da hatte ich im ersten Jahr schon Schwierigkeiten. Die meisten – auch Lehrerinnen und Lehrer – redeten im Dialekt. Ich verstand fast nichts und dachte zuerst, ich wäre dumm, weil ich die deutsche Sprache doch nicht wirklich verstehe. Erst nach einem Jahr hab ich’s dann ge-checkt und Dialekt zu verstehen angefangen.“
Wie Rasha Ahamd an ihrer Arbeitsstelle sozusagen eine Art österreichsicher Familie gefunden hat, freut sich ihre Kollegin Sadekka Shrekka über eine ähnliche Arbeitsatmosphäre in jener Galerie (Zacke, spezialisiert auf asiatische Kunst) in der sie antike Kunstgegenstände restauriert. „Das sind oft sehr wertvolle Gegenstände. Einmal hab ich an einem Sessel gearbeitet, der 100.000 € wert ist. Manchmal sag ich dann zu meinem Chef: ,Sag mir bitte gar nicht, wie viel das wert ist, weil sonst meine Hände zu zittern beginnen können.‘“ Dabei grinst sie allerdings verschmitzt. Wobei herzhaftes Lachen oder wenigstens Lächeln fast ein Dauer-Markenzeichen der 29-Jährigen ist.
Manchmal, wenn sie an einem Stück sehr lange, sehr konzentriert arbeiten möchte/muss, nimmt sie es auch mit nach Hause, um dort ganz ungestört in Ruhe restaurieren zu können.
Beide sind froh, in Wien sein und in Frieden leben zu können. Aber die Sorge um ihre Verwandten in Syrien lässt sie natürlich nicht los. Als Rasha Ahamd vor Neujahr erfuhr, dass ihr Vater in Damaskus im Sterben liegt, konnte sie ihn nicht noch einmal sehen, weil sie kein Visum bekam. „Das war schon sehr schwer für mich, ihn nicht wenigstens einmal noch zu besuchen. Außerdem ist die Kommunikation mit der Familie auch nicht einfach, weil sie kein WLAN, viele Stunden am Tag nicht einmal Strom haben, und sogar die wichtigsten Lebensmittel nicht immer ausreichend vorhanden sind. Ich hab sie alle seit sechs Jahren nicht mehr gesehen.“
Sie und Sadekka Shrekka ärgert darüber hinaus, dass die Welt scheinbar auf das Schicksal der Menschen in ihrem Heimatland, das sich seit mehr als zehn Jahren im (Bürger-)Krieg befindet, „vergessen“ hat. „So wie auch lange auf Afghanistan!“ – Das Treffen fand kurz nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban statt. „Das macht uns ärgerlich – und ängstlich, weil wieder fast niemand den Menschen hilft, die für Menschenrechte, für Frauenrechte eintreten. Da gibt es so viel Blabla und wenig Taten. Es geht um Menschen, nicht um Religionen oder Nationen!“
Nicht zuletzt deswegen sind beide sehr davon angetan, dass das Lilarum besagtes Stück jetzt wieder aufnimmt. Dreht es sich doch darum, dass Frosch Boris bei seinen ersten Begegnungen von den anderen Tieren abgelehnt wird, weil er keiner von ihnen ist, bis … – ein Bilderbuch und das daraus entstandene Stück braucht natürlich eine Wende zum Happy End. Obendrein fließen nach und nach auch arabische Worte – vor allem die Begriffe für die vorkommenden Tiere ins Geschehen ein.
Figurentheater, ca. ¾ Stunde (eine Pause), ab 3 J.
Inszenierung: Karin Koller
Puppen & Bühne: Rasha Ahmad, Sadekka Shrekka
Erzähler: Sven Kaschte
Sprecher: Zaher Mahmoud
Musik: Hadi Nabavi, Siavash Talebi
Musiker_innen: Polina Bolotova, Farzan Fadavi, Hadi Nabavi, Anna Maria Niemiec
Figurenspiel: Silke Graf, Silvia Lenz, Werner Malli, Joanna Proksch, Evgenia Stavropoulou-Traska; Licht: Oswald Bertel, Paul Kossatz, Florian Scholz
11. – 26. September 2021
Figurentheater Lilarum
1030, Göllnergasse 8
Telefon: (01) 7102666
lilarum
Jens Rassmus (Text und Illustrationen)
Der wunderbarste Platz auf der Welt
Bilderbuch, 40 Seiten
Nilpferd, G & G Verlagsgesellschaft
14,90 €
Aǧmal makān fi-l-ālam
Arabisch-Deutsch
Schiler Verlag
15,40 €
Behtarin makan ru-ye zamin
Dari-deutsche Ausgabe
Schiler Verlag
15,40 €