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Finale im ersten "Moot Court" für Schüler:innen: Wien I vs. Linz
Finale im ersten "Moot Court" für Schüler:innen: Wien I vs. Linz
23.11.2022

Dutzende Jugendliche vor Gericht – in Rollenspielen als Rechtsvertreter:innen

Erstmals wurde in Österreich das Gerichts-Simulationsprojekt „Moot Court“ für Schüler:innen geöffnet – von Handelsakademien mit Rechts-Schwerpunkt – JusHAK.

„Hohes Gericht!“, „Frau Rat“ – Anreden wie diese kamen den Jugendlichen ganz locker und – je länger der Tag dauerte – fast schon routiniert über die Lippen. Dutzende Schülerinnen und Schüler standen kürzlich in Wien vor Gericht. „Angestellt“ hatten sie nur, sich in einem Rollenspiel als Rechtsvertreter:innen einzubringen. Nicht in Strafprozessen, sondern in Verfahren vor dem Handelsgericht. Und da schon in der obersten Instanz – in Revisionsanträgen zu einem Urteil des Oberlandesgerichts.

Kettenarbeitsverträge und Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses (der Forscher wollte nicht am fünften Projekt mitarbeiten, dem er zugeteilt worden ist, weil er als Christ grundsätzlich Kriege ablehnt), ist – oder nicht?! Das war die (Rechts-)Frage um die sich zahlreiche Verhandlungen im Justiz-Turm bei Wien-Mitte kürzlich drehte. Im siebenten sowie im 20. Stock wurde in verschiedenen Verhandlungssälen dieselbe Materie ausgefochten. Das Besondere: Jugendliche waren in die Rollen von Anwält:innen, geschlüpft, die klagende bzw. beklagte Partei vertraten. Den Vorsitz in den Verhandlungen führten hingegen Profis – bis hinauf zu Dr.in Maria Wittmann-Tiwald, ihres Zeichens Präsidentin des genannten Hauses. Sie leitete als Vorsitzende die abschließende Final-Verhandlung im 708-er Saal. Mit anschließender Preisverleihung für die drei besten Teams und überzeugte Würdigung für die Leistung aller beteiligten Schüler:innen

Eisenstadt, Linz, Salzburg, Wien

Die nachgespielten Verfahren sind Teil des für Jugendliche Pilotprojekts „Moot Court“. Die gleichnamigen Gerichts-Simulationen kommen aus den USA und wurden dort für Studierende der Rechtswissenschaften vor rund 60 Jahren entwickelt. Für Jus-Student:innen gibt es sie auch in Österreich schon einige Jahre, für Schüler:innen gingen sie aber erstmals über die „Bühne“ einiger Verhandlungssäle im Gerichtsgebäudes Marxergasse – initiiert von Mag. Daniel Baier (Jus- und Volkswirtschaftslehrer an der privaten Wiener HAK Schönborngasse, VBS – Vienna Business School) ). Am Wiener Handelsgericht sehr aktiv an der Umsetzung beteiligt war vor allem Vizepräsidentin des Wiener Handelsgerichts, Mag.a Barbara Rath-Ruggenthaler.

Elf Teams mit 45 beteiligten Schüler:innen aus Eisenstadt, Linz, Salzburg und Wien von den bisherigen jeweils vierten Handelsakademie-Klassen mit dem recht jungen Schwerpunkt Jus matchten sich im oben skizzierten Rechtsstreit. Spannend auch, dass – im Gegensatz zur Realität – alle Teams jeweils einmal den Arbeitnehmer als Kläger und dann wieder die beklagte Arbeitgeber-Seite vertreten durften/mussten.

Seitenwechsel

„Das war schon schwierig, aber zwei in unserem Team konnten sich besser in die eine Seite hineinversetzen, die anderen beiden haben sich mit der Gegenseite leichter getan“, erzählen Eva Sponring, Marija Milivojević, Tamara Stojakov und Dejna Ramić aus der Salzburger HAK II Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… In der Verhandlung, die der Journalist beobachten konnte – geleitet von Rechtspraktikantin Barbara Reintjes mit Beisitzer Florian Walter (Lehrer und Jurist im Innenministerium) -, hatten sie den Arbeitnehmer vertreten, für den sie eine Revision gegen das abschlägige Urteil des Oberlandesgerichts Wien eingebracht hatten.

Die Arbeitgeberseite wurde von einem Team der JusHAK Schönborngasse (Wien-Josefstadt) vertreten, namentlich vor allem von der sehr überzeugend auftretenden Ana Vucković, unterstützt von Helena Stojanović und Matteo Strauss. „Wir haben uns im Vorfeld einen Plan überlegt und natürlich alle wichtigen Gesetzestexte durchstudiert und rausgesucht, welche Stellen unsere Argumente unterstützen“, so Vucković im Gespräch nach der Verhandlung.

Arbeitsrechtler Dullinger verkündet in der Pause, welche Teams ins Semi- und ins Finale einziehen
Arbeitsrechtler Dullinger, der auch den fiktiven Musterfall kosntruiert hatte, verkündet in der Pause, welche Teams ins Semi- und ins Finale einziehen

Fiktiv, aber aus echten Elementen

Arbeitsrechtler Thomas Dullinger, der seinen post.Doc an der Universität Wien macht, hatte den Fall gebaut, in dem vor allem die Namen der Beteiligten von Dr.in Gerda Gerecht über Mag. Georg Schlau bis zu Kläger Guido Gewissenhaft und der fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Armin Arbeitnehmern und Kommerzialrätin Amira Arbeitgeber auf die Fiktionalität hinwiesen. „Aber alle Elemente, die der Fall enthält, basieren auf echten Verfahren“, verrät Dullinger (nicht nur) Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

Zuschauen und -hören auch interessant

Nicht alle Jugendlichen der genannten Jus-HAK aus den vier Bundesländern waren direkt in den Verhandlungen involviert, etliche aus dritten Klassen waren „nur“ zum Zuschauen mitgekommen, „aber es war sehr interessant“, findet Elsa Dorninger von der auf Business Academy umbenannten Linzer Handelsakademie. Wir bearbeiten zwar auch in der Schule Fälle, aber hier ist es viel spannender, realitätsnäher, du siehst und hörst auch, wie die Jugendlichen in diesen Rollen ihre Argumente sprachlich verpacken.“

„Das Beobachten bringt auch schon viel, es ist spannend, wie jede Seite agiert und reagiert und wie die Leute ihre Argumente vorbringen“, zeigt sich Kadir Şeker angetan in der Rolle eines Verhandlungszuschauers.

Mehr als Wissen

Natürlich ging es im Verhandlungssaal nicht zuletzt auch um überzeugendes Auftreten, die Rhetorik, die Logik der Argumentationskette. Aber schon im Vorfeld mussten die Teams Schriftsätze einbringen. Und dort kommt/kam es ausschließlich auf die sachliche und fachliche Qualifikation an. Und neben der Einhaltung sämtlicher Formvorschriften vor allem auf die Untermauerung der eigenen Argumente mit den einschlägigen Gesetzes-Paragraphen, aber auch mit Bezugnahme auf vergleichbare höchstgerichtliche Urteile.

Mehr gelernt als in der Schule

Am besten gelang dies – noch dazu auf beiden Seiten, sowohl als Vertretung der klagenden als auch der beklagten Partei dem Trio aus der HAK Linz, pardon Business Academy Linz-Auhof – den neuen Namen haben nicht einmal noch alle der Schüler:innen verinnerlicht. Sebastian Stoderegger, Benedikt Otasek und David Höbarth „haben alles abgeräumt“ wie die Präsidentin des Wiener Handelsgerichts am Ende des langen Verhandlungstages bei der Preisverleihung namens der Jury verkündete. Sie haben sowohl was Schriftsätze als auch Plädoyers und juristische Kenntnisse betrifft am besten abgeschnitten. „Obwohl es anstrengend und viel Arbeit war, haben wir jedenfalls viel für die Praxis gelernt“, freuen sich die drei darüber noch mehr als über den Sieg „und vor allem haben wir sehr viel als Team gelernt“, ergänzen sie noch gegenüber Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Lob und Respekt für alle

Großes Lob und hohen Respekt zollten die schon genannte Präsidentin ebenso wie ihr Beisitzer im Final-Verfahren, ebenfalls Richter am Handelsgericht, Peter Martschiner, aber auch den letztlich „nur“ Zweitplatzierten, einem der beiden Teams aus Wien von der JusHAK der VBS (Vienna Business School), Nicolas Bittermann, Katarina Balazs, Michelle Bradarić und Martina Bischof. Neben den ebenfalls Top-Unterlagen dieses Quartetts zog der Beisitzer vor allem sprichwörtlich den Hut vor der freien Rede der Leiterin dieses Verhandlungsteams, Katarina Balazs und ihrer sowie ihrer Kollegin Bradarić spontanes Reagieren. Und dem Einbringen des Arguments gegen die Kettenverträge. Denn diese verhinderten eine Reihe sozialrechtlicher Ansprüche, die der Arbeitnehmer erhalten hätte, wäre er angestellt worden.

Sie sei „wirklich überrascht gewesen über die Qualität der Schriftsätze, Plädoyers, der Auftritte der Jugendlichen und ihr fundiertes Wissen und die große Ernsthaftigkeit der Schülerinnen und Schüler“, gestand Dr.in Maria Wittmann-Tiwald gegenüber Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… den ersten Moot Court für Jugendliche resümierend.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

JusHAK

Ist die Kombination bzw. der Einbau von Rechtsfächern in den Lehrplan von Handelsakademien – einersiets in bestehende Fächer wie Betriebswirtschaft und Unternehmensrechnung und andererseits in neuen Fächern wie Angewandtes Recht (7 Wochenstunden verteilt über die fünf Jahre) sowie einen Erweiterungsbereich mit juristischen Praxisfeldern, Korrespondenz, Fallstudien und Rhetorik (jeweils zwei Wochenstunden in den fünf Schuljahren) sowie Business Training, Projektmanagement, Übungsfirma samt rechtlicher Aspekte (8 Wochenstunden in der gesamten HAK-Zeit).

Das Modell läuft nun im vierten Schuljahr (damit einen Großteil in den Pandemiejahren mit Lockdowns und HomeSchooling bzw. eLearning). Im Frühjahr 2024 werden die ersten Schüler:innen dieser Zweige maturieren.

9 Städte, elf Schulen, 568 Jugendliche

Derzeit gibt es die JusHAK an elf Standorten – Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz, Weiz (auch Steiermark), St. Pölten, Mödling, Wien (3./ Sacré Coeur, 8./ VBS Schönborngasse, 13. Bezirk/ Business Academy Maygasse) und Eisenstadt – mit 29 Klassen und 568 Schüler:innen. Die vier am im Beitrag genannten Schulen sind die einzigen, die schon einen vierten Jahrgang haben.

jushak

„Justiz macht Schule“

 Bei Vorträgen und Gerichtsbesuchen können Schüler:innen ab 12 Jahren in Bereiche der heimischen Rechtsprechung hineinschnuppern. Richter:innen und Staatsanwält:innen kommen im Rahmen dieses Programms auch in Schulen, um „authentischen und praxisnahen Einblick in ihre tägliche Arbeit gewähren“ – in Form von Vorträgen, Verhandlungsbesuchen, Prozessspielen, Gerichtsführungen.

Erklärvideo:

Erklärvideo zu Justiz

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