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Zusammenfassende Grafik von Safer Internet zur Studie 2025 über sexuelle Online-Belästigung von Kindern und Jugendlichen
Zusammenfassende Grafik von Safer Internet zur Studie 2025 über sexuelle Online-Belästigung von Kindern und Jugendlichen
11.02.2025

Kinder und Jugendliche: Fast jede/r Zehnte (sehr) oft online sexuell belästigt

Aktuelle österreichische Studie zum 22. Internationalen Safer Internet Day zeigt „dringenden Handlungsbedarf“.

Fast vier von zehn (jungen) Jugendlichen – 11 bis 17 Jahre wurden schon im Internet sexuell belästigt. Dies ergibt die aktuelle Studie von Safer Internet, die zum diesjährigen, bereits 22. Internationalen Safer Internet Day veröffentlicht wurde. Rund um diesen Tag, jeweils den zweiten Dienstag im Februar – in Österreich den ganzen Monat, da dieser Tag immer in Semesterferien fällt – setzt die von der EU geförderte Initiative Schwerpunkte in der Aufklärung im Umgang mit der virtuellen Welt. Neben dem Aufmerksam-machen auf Informationen, Tipps, Beratungs-Angebote und Workshops (alles das ganze Jahr über) wird jedes Jahr ein anderes akutes Thema in den Blickpunkt genommen und dazu eine Studie erstellt.

Dieses Mal war es eben sexuelle Belästigung. Das Institut für Jugendkulturforschung befragte online 405 Kinder und Jugendliche (wie erwähnt 11 bis 17 Jahre) und führte darüberhinaus in Fokusgruppen in Schulen vertiefende Interviews mit Schüler:innen und Expert:innen (im Oktober des Vorjahres).

Ein Zehntel (sehr) oft betroffen

38 Prozent der Jugendlichen waren bereits zumindest einmal mit Formen sexueller Belästigung im Internet konfrontiert. Dazu zählen anzügliche Kommentare, intime Fragen oder Aufforderungen, Nacktbilder zu schicken. Zehn Prozent geben an, sogar oft oder sehr oft davon betroffen zu sein. Sogar bei den 11- bis 14-Jährigen sind bereits mehr als ein Viertel (28 %) von sexueller Belästigung im Internet betroffen. Bei der älteren Altersgruppe, den 15- bis 17-Jährigen, sind es bereits 51 Prozent.

Während mehr als die Hälfte der weiblichen Jugendlichen solche Erfahrungen gemacht hat, ist rund ein Viertel der männlichen Jugendlichen davon betroffen. Etwa die Hälfte aller Befragten (52 %) geht davon aus, dass bereits Kinder im Volksschulalter online von sexueller Belästigung betroffen sind.

Social Media

In erster Linie finden die Übergriffe in sozialen Netzwerken statt, gefolgt von Messengern und Onlinespielen. Beunruhigend ist, dass knapp ein Drittel der Befragten sexuelle Belästigung im Internet als normal beurteilt. Viele der befragten Jugendlichen bezeichnen solche Erfahrungen als „Teil der digitalen Lebenswelt“.

„Die Ergebnisse zeigen eine beunruhigende Entwicklung und dringenden Handlungsbedarf auf. Erforderlich sind vor allem verstärkte Präventionsmaßnahmen“, so Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.

Täter-Opfer-Umkehr

Wenn Nacktfotos ohne Zustimmung der Abgebildeten weitergeleitet werden, kann das gravierende Folgen nach sich ziehen. „In vielen Fällen werden die Betroffenen stigmatisiert, gemobbt und sehen einen Schulwechsel oft als letzten Ausweg, wie die Leidtragenden selbst berichten“, berichtete beim Mediengespräch am Montag im Wiener Traditions-Café Museum Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht (kostenlose, rund um die Uhr erreichbare Notruf-Telefonnummer 147 – über die Website auch Chat-Beratung möglich). Dennoch ist die Hälfte der Kinder und Jugendlichen der Meinung, dass Personen, die Nacktfotos von sich verschicken, selbst schuld sind, wenn diese dann weiterverbreitet werden. Diese Haltung unterstreicht die Notwendigkeit von Aufklärungs- und Präventionsarbeit, „denn schuld sind immer die Täter und Täterinnen, die solche Bilder unerlaubterweise weiterleiten.

Jugendlichen ist kaum bewusst, dass eine Verbreitung von Nacktbildern ohne Zustimmung strafrechtlich relevant sein und juristische Folgen nach sich ziehen kann“, sagte Stefan Ebenberger, Generalsekretär der ISPA – Internet Service Providers Austria. Buchegger von Safer Internet nannte konkret § 207 a Strafgesetzbuch.

Jugendlichen fehlt oft das Wissen darüber, unter welchen Umständen sie solche Aufnahmen selbst besitzen bzw. weiterschicken dürfen.

Schulen

Vor allem weibliche Jugendliche, die sexuelle Belästigung stärker wahrnehmen als männliche, wünschen sich eine bessere Aufklärung zu diesem Thema. 61 Prozent hätten gerne mehr Informationen, wie sie sich vor solchen Übergriffen schützen können, bei den männlichen Befragten sind es 46 Prozent. Als wichtiger Ort der Aufklärung wird von den (jungen) Jugendlichen die Schule gesehen.

Mithilfe von Workshops, offenen Gesprächen und Schulsozialarbeit sollen Begriffe, Strategien und rechtliche Grundlagen rund um sexuelle Belästigung vermittelt werden. Saferinternet.at unterstützt unter anderem mit Präventionsworkshops zum Thema Online-Grooming für Kinder und Jugendliche sowie mit zahlreichen Informationsmaterialien. Rat auf Draht bietet kostenlose Online- und Telefonberatung für Kinder und Jugendliche auf der Website – diese und andere Links in der Info-Box am Ende des Beitrages.

Die Safer-Internet-Fachstelle digitaler Kinderschutz unterstützt seit vergangenem Jahr Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, mit zahlreichen Angeboten – von maßgeschneiderten Fortbildungen bis hin zu Materialien für die Erstellung von Kinderschutzkonzepten.

Bücher- und Broschüren-Tisch
Bücher- und Broschüren-Tisch

Eltern

„Es ist essenziell, dass Jugendliche lernen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und sich zu schützen – etwa, indem sie eigene Grenzen wahrnehmen und diese selbstbewusst aufzeigen. Gleichzeitig müssen wir Erwachsene als Ansprechpersonen stärken“, ergänzte Buchegger. Nur zehn Prozent der Befragten reden mit jemandem über ihre Erfahrungen. „Für Eltern bedeutet das zunächst, anzuerkennen, dass Sexualität auch im Internet ein Teil des Lebens von Jugendlichen ist. Sie sind gefordert, ihre Kinder ernst zu nehmen und ihr Selbstvertrauen zu stärken, damit diese nicht ausschließlich auf Anerkennung aus dem Netz angewiesen sind“, so die Expertin, die seit Jahrzehnten Workshops in Schulen mit Kindern und Jugendlichen durchführt.

Jugendliche ignorieren, blockieren und melden

Auf unangenehme sexuelle Fragen reagieren fast zwei Drittel der Befragten, indem sie diese ignorieren, während 57 Prozent die Personen blockieren. 39 Prozent geben an, Personen, die ihnen solche Fragen stellen, auch an die jeweiligen Plattformen zu melden. Aus den Fokusgruppen ging hervor, dass Jugendliche dieses Vorgehen als wenig zielführend empfinden und wenig Vertrauen in das Meldeverfahren haben. Aussagen wie „es bringt sowieso nichts“, verdeutlichen eine häufige Resignation im Umgang mit sexueller Belästigung online.

Podium des mediensgesprächs und Folien aus der Studie
Podium des mediensgesprächs und Folien aus der Studie

Digital Services Act

Nicht erst seit der Einführung strengerer Regeln des Digital Services Act, einer Verordnung der EU für einheitliche Haftungs- und Sicherheitsvorschriften, sind sich Plattformen ihrer Verantwortung bewusst und gehen gegen sexuelle Belästigung vor. „Die Meldemechanismen tragen dazu bei, dass Accounts, die andere belästigen, schneller entfernt werden. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass die Meldemechanismen von einem Großteil der Jugendlichen genutzt werden. Dabei melden die weiblichen und die jüngeren Befragten mehr als die männlichen bzw. älteren. Jetzt gilt es, das Vertrauen in die effektiven Meldemechanismen weiter zu stärken, damit sich noch mehr Betroffene direkt an die Plattformen wenden“, meinte ISPA-Sprecher Ebenberger.

Vielleicht aber müsste das Melden einfacher und die Konsequenzen (schneller) erfolgen.

kijuku_heinz

Kommentar einer Jugendlichen

Buchbesprechung von „Der Online-Zoo“

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

#SID2025

Das diesjährige Studien-Thema sexuelle Online-Belästigung ist nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Pädagog:innen und Eltern eine große Herausforderung. Deshalb unterstützt Saferinternet.at österreichweit mit Workshops und zahlreichen weiteren Informationsangeboten. Materialien und „Handlungsanleitungen“ können kostenlos bestellt und heruntergeladen werden.

Weitere Leitfäden und Flyer sowie der Eltern-Videoratgeber „Frag Barbara!“ runden das Angebot ab.

Das ISPA-Kinderbuch „Der Online-Zoo“ und die gleichnamige Videoreihe behandeln unter anderem das Thema Cyber-Mobbing. Dieses eBook bzw. das Video richtet sich vor allem an jüngere Kinder – ab Volksschulalter. Das digitale Büchlein – als PDF zum Runterladen gibt es derzeit in mehr als einem Dutzend Sprachen: Arabisch, Armenisch, Bosnisch / Kroatisch / Serbisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Französisch, Litauisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Tschechisch, Ukrainisch (Link in der Info-Box).

Anlässlich des Safer Internet Day findet – wie schon seit vielen Jahren – in Österreich im gesamten Februar der Safer Internet-Aktionsmonat statt. Schulen und Jugendorganisationen können sich mit eigenen Aktionen beteiligen.

Detaillierte Informationen zum Safer Internet Day 2025 in Österreich und dem Aktionsmonat sowie Downloads verschiedener Broschüren und Flyer finden sich auf safer-internet-day/

Better Internet for Kids
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Institiut für Jugendkulturforschung

ris (Rechtsinformationssystem) -> § 207 a StGB (Strafgesetzbuch)