KiJuKU-Reportagen aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent, Teil 1: Kostenlose Online-Lektionen in (vorerst) zehn Sprachen.
Gut 20 Minuten sehr flotten Schritts – auf dem doch recht eisigen und damit immer wieder recht rutschigen Gehsteig des breiten Boulevards vom Metro-Umsteigeknoten der roten und der blauen Linie der Stationen Paxtakor/Alisher Navoiy in der usbekischen Hauptstadt Taschkent (Toshkent/ Steinstadt) findet sich das niedrige, gedrungene Gebäude von „Kitob Olami“ (Buchwelt). Erst Anfang Jänner eröffnet ist dieser Mix aus Freihandbibliothek und Café vor allem von jungen Leuten bevölkert.
Free WiFi lässt sie ihre Laptops aufklappen und an Seminararbeiten und anderen Aufgaben für Schule oder Uni in lockerer Atmosphäre werken. Nach dem einen oder anderen Buch suchen, das vielleicht mehr oder andere Informationen beinhaltet als im Internet zu finden ist. Oder auch „nur“ ein bisschen den Laptop zuklappen und sich in „angreifbare“ Lektüre vertiefen.
Schon das Buch Welt Café liegt ja an der sehr breiten (das sind viele Straßen Taschkents) Alisher Navoij – benannt nach dem vor mehr als 600 Jahren lebenden Dichter, Baumeister und Politiker des Timuridischen Reiches in Herat (heute Afghanistan), der auf Persisch und Tschagataisch schrieb (einer osttürkischen Sprache, die ins Usbekische sowie Uigurische einfloss).
Manche Gäste reden einfach miteinander – und nehmen dabei Rücksicht auf die anderen, sprechen sehr leise. An einem langen Tisch bespricht eine Gruppe gerade ein gemeinsames Projekt.
In einer der Nischen mit kleinen Tischen und zwei Sitzbänken und an der Wand gemalten Porträts historischer künstlerischer Persönlichkeiten sitzen Ferza Ucalova und ihre Freundin Xojira. Erstere beginnt auf Deutsch zu sprechen als sie hört, dass der neugierige Journalist aus Österreich kommt. Deutsch ist übrigens nach Englisch die zweitbeliebteste Fremdsprache. Russisch gilt fast nicht als solche, weil – noch als Nachwehen der Zeit als Usbekistan eine Republik der Sowjetunion war -, die fast wie eine zweite Staatssprache verwendet wird.
Feruza, Studentin an der romanisch-germanische Philologie-Abteilung der Weltsprachenuniversität, also erzählt, dass sie Deutsch lernt, weil sie gern nach Deutschland in den diplomatischen Dienst gehen würde.
Und in der hintersten Ecke sitzen im Halbrund um einen Tisch mehr als ein halbes Dutzend freiwilliger Fremdsprachenlehrer:innen und IT-Expert:innen: Javohir Zokirjonov, die Türkisch-Lehrerin Aziza Shokirova, Shukurullo Tursunov, die Französisch-Lehrerin Maftuna Farxodova, Nigina Rasuleva, die Mandarin-Chinesisch unterrichtet, sowie Ulugbek Abdullaev von der IT-Universität der usbekischen Hauptstadt sowie Dilfuza Lapitova von der Weltsprachen-Universität besprechen, was die Fremdsprachen-Lehrer:innen im Keller vorhaben. Dort sind eigenhändig aber professionell gebaute TV-Studios eingerichtet.
Wie am Fließband nehmen die Lehrer:innen Video-Lektionen in – derzeit – zehn verschiedenen Sprachen auf: Englisch, Russisch, Türkisch, Spanisch, Koreanisch, (Mandarin-)Chinesisch, Japanisch, Arabisch, Französisch, Deutsch sowie Usbekisch. Letzteres sowohl für Russisch- als auch für Englisch-Sprachige.
Die Lektionen – von sieben Minuten bis zu mehr als eineinhalb Stunden – sind aufbauend auf verschiedenen (Fremd-)Sprachen-Niveaus – von Anfänger:innen bis zu Fortgeschrittenen. Sie werden laufend ergänzt, erweitert und nach und nach online gestellt auf einen eigenen YouTube-Kanal – UND vor allem darauf legt das Team, das sich gänzlich als soziales Projekt versteht großen Wert: „Alles ist gratis für die Userinnen und User. Wir wollen, dass jede und jeder den Zugang zum Sprachen-Lernen und damit zur Welt hat“, meinen fast im Duett die schon genannte, fast hektisch zwischen Keller und Besprechung herumdüsende Dilfuza Lapitova, Lehrende an der schon genannten Weltsprachen-Uni (für Deutsch), und der Projektleiter von Kitob Olami, Rustam Korievich.
Den YouTube-Kanal nannten die Betreiber:innen übrigens – übersetzt „Kinder des Ibrat“ oder „wir sind eine neue Ibrat-Generation“, wie es Ulugbek Abdullaev dem Journalisten gegenüber nannte. Und Is‘hoqkhon Tora Ibrat war ein weitgereister usbekischer Dichter (1861 – 1937), der unter anderem einige Jahre in Indien gelebt hatte. Nach seiner Rückkehr widmete er sich unter anderem dem Bau von Schulen und der Leher:innenbildung sowie der (Aus-)Bildung von Frauen. Er gab ein sechssprachiges Wörterbuch (Arabisch, Persisch, Hindi, Türkisch, Usbekisch und Russisch) heraus. So manche seiner Gedichte nahmen die Korruption von Beamten aufs Korn.
Rahmat (danke) – im Verlauf der nächsten Wochen erscheinen weitere Reportagen aus dem BEreich universitärer Bildung in Taschkent (Usbekistan).