Rede auf Deutsch und Arabisch von Rawda Al Rawass, 19 (und nicht wir ursprünglich irrtümlich hier stand 14!) Jahre, GRG10 Laaerberg Gymnasium (Wien), beim Abschluss des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ 2023/24.
Vor zwei Wochen entbrannte eine hitzige Diskussion in meiner Umgebung. Eine Person versuchte, mir ihre Ansicht aufzudrängen, und behauptete mit Nachdruck, dass jede Person, die in Österreich geboren ist, auch eine Österreicherin oder ein Österreicher sei. Sobald man die Staatsbürgerschaft erhält, gehört man ihr zufolge nach Österreich und lässt automatisch seine Wurzeln hinter sich. Da habe ich mir die Frage gestellt: Wer oder was bestimmt über die Zugehörigkeit? Wer bestimmt über meine eigene Zugehörigkeit? Wer gibt jemandem das Recht, die Linien meiner Heimat neu zu zeichnen? Wer gibt jemandem das Recht, meine Wurzeln zu entwurzeln?
أعزائي المستمعين
Sehr geehrtes Publikum!
Meine Identität ist kein Mantel, den man beliebig an- und ablegen kann. Für mich ist es schwierig, diese Identität zu bestimmen. Ich weiß ganz genau, dass ich keine Österreicherin bin und keine werde. Ich weiß aber genauso, dass ich keine 100%ige Syrerin bin und keine werde.
لهذا السبب أجد نفسي بين متناقضات الثقافات والقيم، وكأنني ضائعة بين الأفكار المتضاربة، فأنا مزيجٌ لا يُمكن تصنيفه بسهولة
Ich, Rawda Al Rawass, wie ich gern angesprochen werden würde, ehemalige Schülerin des GRG10 Laaerberg Gymnasium, gehöre zu einer Generation, die es geschafft hat, dazwischen zu sein. Ich gehöre zu einer Generation, die einen kleinen Teil ihres Lebens in ihrem ursprünglichen Heimatland verbringen durfte, um dann hierher zu kommen und sich fremd zu fühlen. Um hierher zu kommen und in erster Linie aufgrund des Namens, meines Namens, nicht akzeptiert und gleich einer Kategorie zugeordnet zu werden. Aufgrund meines Aussehens, meiner Kultur, meiner Sprache, meines Glaubens. Aufgrund meiner Herkunft. Syrien.
من الطبيعي جدا أن نتوقع من بلاد الغرب التقبل التام، فإننا دائما ما نسمع عن تطور الإنسانية عندهم. ومن الطبيعي جدا أيضا ان نشعر
بالصدمة عندما لا نرى شيء من هذه الإنسانية
Ich weiß, dass wir hier nicht für alle willkommen sind. Ich weiß, dass es Syrer gibt, die sich hier unmenschlich verhalten und aufgrund ihres Verhaltens alle in einen Topf geworfen werden. Ich weiß, dass man damit nicht Unrecht hat. Ich weiß aber auch, dass das Bild dieser Bevölkerungsgruppe aufgrund einzelner Menschen nicht verallgemeinert werden darf. Denn: Es gibt die, die sich bemühen und integrieren wollen. Und daher auch die, die gekränkt sind, wenn sie das Gefühl bekommen, hier ungewollt zu sein.
مهما بذل المرء من جهد، مهما فعل، فإنه لا ولن يمكنه ارضاء الجميع. لأن هذا الجهد لا يكاد يرى بالمجهر حتى
Der syrische Flüchtling verspürt enorme Frustration, extreme Traurigkeit und den großen Wunsch, sich wie ein Mensch zu fühlen. Wie ein Mensch, nicht wie ein Flüchtling behandelt zu werden. Wussten Sie, ehrenwerte Zuhörerinnen und Zuhörer, dass der syrische Flüchtling nicht freiwillig in Ihr Land kam? Er würde Sie auf jeden Fall lieber als Tourist besuchen. Der syrische Flüchtling kam zu Ihnen auf der Suche nach Wärme. Nach Wärme, die er im Laufe der Geschichte jedem verliehen hat. Der syrische Flüchtling kommt aus Syrien, aus dem Land, das in der alten syrischen Sprache „Das Land der Sonne“ heißt. Doch leider ist es mittlerweile die Sonne, die ihre Wärme verloren hat.
هؤلاء السوريون اللاجئون.. هم لا يأتون بلدا ويأخذون حقوقها، هم لا يؤذون أهلها ويفسدون فيها، ولو فعلوا لكنت اول من عاداهم، إنما
هم هنا ليبنوا حياتهم من جديد
Stellen Sie sich vor, wie Sie von Ihrem eigenen Land, von Ihrem eigenen Besitz vertrieben werden. Wie Sie mit über 300 anderen Menschen Ihre Reise auf den Fluchtweg durch das Mittelmeer beginnen und zusehen, wie manche ertrinken. Nach vier Tagen kommen Sie endlich an der Küste Italiens an und dürfen im Gefängnis ausruhen. Eingesperrte Minderjährige. Ein bitteres Willkommen, nicht wahr?
هذا هو الموقف الذي لا يمكن أن ينسى، ابتسامة خفيفة وتوجيه إلى السجن ببرودة أعصاب
Die Reise wird fortgesetzt. Nach dem Ankommen im Zielland Österreich folgen die Schwierigkeiten der Integration. Doch was kann man tun? Denkt man an die Rückkehr, begegnen einem weitere Schwierigkeiten und viele Fragen. Wie viel ist dort noch übrig? Werde ich mein Land, meine Verwandten, meine Wohnung, meine Freunde, wiedererkennen? Existieren sie überhaupt noch?
هذا حالي وهذا حال أمثالي.. احلم باليوم الذي يأتي فيه طفل سوري ويسأل أمه: ماذا كان الحرب؟
Verehrtes Publikum: In den letzten Jahren habe ich gelernt, offen zu sein. Mit Menschen zu reden. Sie kennenzulernen, bevor ich sie in einer Schublade einordne. Ich habe gelernt, stark zu sein. Meine Ziele zu verfolgen. Spuren zu hinterlassen. Zu zeigen, wer ich bin.
In einer Woche erhalte ich mein Reifezeugnis. In einer Woche zeige ich, dass ich reif bin. Dass auch syrische Menschen reif sind. Dass sie trotz Schwierigkeiten weiterleben können. Ich habe vor, Pharmazie zu studieren. Ich habe vor, Österreich, dem Land, das uns aufgenommen hat, etwas zurückzugeben.
اشكر كل من استقبلنا من بلاد العالم.. اشكر كل من استضافنا بلطف واشكر كل من شعر بنا وحاول مساعدتنا
Ich erhebe somit meine Stimme für viele Menschen, die diese Möglichkeit nicht haben. Ich erhebe meine Stimme, weil ich nicht mehr schweigen kann. Denn: Worüber man nicht schweigen kann, darüber muss man reden. Die gesamte Menschheit muss begreifen, dass jede Person selbst bestimmen darf, wer sie ist, und nicht das ist, was andere aus ihr machen. Österreich ist eine Vielfalt – keine Einfalt.
شكرا لاستماعكم
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!