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Bildmontage aus mehreren Fotos, Mädchen mit Gitarre, Bursch schaut in Kamera, Comic und viele kleine Landschaftsfotos
Bildmontage aus mehreren Fotos, Mädchen mit Gitarre, Bursch schaut in Kamera, Comic und viele kleine Landschaftsfotos
06.05.2021

Staatsbürgerschaft: Menschlichkeit

Jugendliche aus dem Start-Stipendienprogramm erarbeiteten in einem Workshop gesellschaftspolitische Manifeste. Interviews mit zwei Teilnehmer*innen. Bewerbungen für neue Stipendien.

„Unsere einzige Staatsbürgerschaft, die wir tragen werden, wird unsere Menschlichkeit sein.“ Das ist ein, vielleicht der zentrale, Satz in dem Manifest, das die 17-jährige Banan Sakbani kürzlich in einem Workshop verfasste. Sie und andere Jugendliche des Projekts „Start“ hatten einzeln oder in kleinen Gruppen jeweils ihre eigenen Manifeste erarbeitet.

Bei „Start“ handelt es sich um ein Stipendienprogramm für Jugendliche aus einkommensschwachen Familien mit Migrationsgeschichte (Oberstufe oder Lehre). Neben finanzieller Unterstützung bietet das Programm mindestens ebenso viel an Weiterbildung, Weiterentwicklung, persönlichem Coaching, Gruppenerfahrung und einem jährlichen Kunstprojekt. In Normaljahren war letzteres die Arbeit an einem Theaterstück, Büchern, eigenen Fotoausstellungen usw. Pandemie- und damit Lockdown-bedingt mit Distance-Learning wurden in diesem Schuljahr einzelnen Online-Module angeboten – Mixed Media Art. Einer dieser Workshops war kreatives Schreiben und die Erarbeitung eben von Manifesten.

Menschlichkeit, Freunde, Freude

Die Gymnasiastin (7. Klasse) aus der Anton-Krieger-Gasse (Wien-Liesing) „hatte schon früher“, wie sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … erzählt, „die Idee für so Grundsatzforderungen, aber ich hab nicht gewusst, wie ich das verfassen und in eine brauchbare Form bringen kann. Mit Hilfe des Workshops ist das für mich machbar geworden. Es gab da mehrere Schritte dazu, angefangen mit dem Gestalten von Mindmaps und da rausfinden, welche Ideen und Begriffe möchte ich dann jedenfalls im Manifest verwenden. Wichtig war mir vor allem Menschlichkeit, Freunde, Freude, Fröhlichkeit – eben Positives.“

Und so heißt es im ersten Satz ihres Manifests: Ich wünsche mir eine freie, friedliche und“ – für Grundsatzdokumente dieser Art außergewöhnlich – „freundliche Gesellschaft.“ Gegen Ende spricht sie sich für eine FFF-Partei aus: Friede, Freiheit, Freude. Das ganze Manifest steht übrigens hier unten sowohl als Bild- als auch als PDF-Datei, die du runterladen kannst.

Manifest von Banan Sakbani

Perspektivenwechsel

Banan Sakbani schreibt gerne und hat vor allem Workshops in denen es um Gedichte und Poesie geht ausgesucht. In einem solchen, „sollten wir uns in einen Gegenstand hineinversetzen und aus der Perspektive dessen alles schildern. Ich hab eine Oud, eine orientalische Laute ausgesucht. Dieses Instrument will ich einmal lernen, jetzt spiele ich hauptsächlich Gitarre.“

Vier Comic-Bilder über April-Wetter
Wetter und Launen – ein Comic von Banan Sakbani

Durch Start habe sie aber auch Deutsch-Nachhilfe bekommen, an politischen Diskussionen teilnehmen können, „aber das Programm hat mir auch geholfen, Neues zu entdecken. „Meine Zeichenfähigkeiten sind nicht perfekt, trotzdem habe ich an einem Comic-Workshop teilgenommen und entdeckt, dass ich doch zeichnen kann, was ich vorher nie gedacht hätte“, freut sich die 17-Jährige.

Nach der Matura möchte sie Sprachwissenschaften studieren und Dolmetscherin werden – für Deutsch, Französisch und Englisch oder Deutsch, Arabisch und Türkisch. Letzteres lernte sie als sie auf der Flucht aus Syrien vier Jahre in Istanbul lebte und dort die Unterstufe absolvierte.

Ebenfalls Neues entdeckt

Ähnlich wie seine Kollegin war auch für Omran Almasri Zeichnen nicht so das Wahre. „Obwohl ich Zeichnen nicht mag, war ich in dem Comic-Workshop und hab was Neues entdeckt: Den Comic hab ich gern gezeichnet.“

Geschrieben hat der 19-jährige Schüler der HTL Ettenreichgasse (Wien-Favoriten) schon immer gerne, „Aber durch Start hab ich kreatives Schreiben entdeckt“. Das könnte ihm vielleicht helfen, an seinem Kindheitstraum weiter zu arbeiten. „Ich wollte schon als Kind ein Buch schreiben, aber ich komm derzeit nur langsam voran. Start habe ihm auch direkt „geholfen, mein Deutsch zu verbessern“.

Auf Nachfrage verrät der Omran Almasri seine Grundidee: „Es geht um eine fiktionale Räderwelt. Es gibt dort nur Kreaturen, die aus Rädern bestehen. Aber es gibt ein Tor zu dieser Welt und ein Junge aus unserer Welt, der keinen Vater mehr hat und die Mutter auch stirbt, entdeckt plötzlich das Tor zu dieser anderen Welt…“

Während er dies Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … erzählt, hakt seine Kollegin ein und verrät, dass auch sie seit langem darüber nachdenkt, ein Buch zu schreiben.

Selfie von Omran Almasri
Selfie von Omran Almasri

Auch ein Umweg

Dafür fällt ihm eine andere Parallel zu Banan Sakbani ein: „Auch ich bin über einen Umweg von Damaskus nach Österreich gekommen. Ich war drei Jahre in Saudi-Arabien bevor ich nach Deutschlandsberg (Steiermark) gekommen bin.“ Dort hat er die 3. Und 4. Klasse der neuen Mittelschule absolviert, bevor er nach Wien kam und an der HTL kam. In der Mittelschule wollte er Programmierer werden, ist aber dann draufgekommen, „dass Elektrotechniker mir mehr liegt. Aber ich weiß nicht, ob ich in dem Bereich arbeiten werde, ich interessiere mich mehr für Geschichte, Politik und Sprachen.“

Noch eine kreative Ader hat der Jugendliche erst kürzlich an und für sich entdeckt: „Vor drei Monaten hab ich angefangen zu fotografieren und einen neuen Instagram-Account mit diesen Fotos angelegt.“ Vieles davon sind Impressionen von Landschaften und städtischen Gegenden. „Aber jetzt komm ich nicht viel raus, bin fast nur zu Hause“, bedauert er, den Account nicht so zu füttern wie er gerne hätte.

Seit drei Jahren ist Omran Almasri übrigens Klassensprecher und seit zwei Jahren stellvertretender Abteilungssprecher.

Manifest von Omran Almasri
Omran Almasris Manifest

Menschen können das – wenn sie wollen

Und hier ist es endlich an der Zeit, ein wenig auf sein Manifest einzugehen. Gleich als nächsten Satz zum Wunsch nach Frieden auf der Erde – „irgendwann“ – schreibt der HTL-Schüler eine eher kurzfristige oder sogar Sofort-Forderung: „Ich wünsche mir, dass keine weiteren Kinder in Kriegsgebieten leben müssen und dadurch ihre Chance auf eine akzeptable Zukunft verlieren. Die Menschen können das, wenn sie wollen, und ich fordere es.“ Auch sein Manifest findest du hier in voller Länge – die wie bei Banan Sakbani doch kurz und knapp gefasst ist.

Bildung!

Weiters macht er sich für „Bildung für alle“ stark. Das spielte auch bei zwei Manifesten, die jeweils von Dreier-Gruppen am folgenden Tag erarbeitet wurden auch eine große Rolle. Von mehr sozialem Lernen bis dahin, Bildung und lernen nicht als lästige Pflicht, sondern als Privileg zu verstehen, um Talente frühzeitig zu erkennen.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

START…

… ist ein Stipendium für engagierte Jugendliche aus einkommensschwachen Familien mit Migrationsgeschichte, die die Oberstufe einer AHS oder BHS besuchen, oder eine Lehre absolvieren und die Matura anstreben. Das Programm bietet den Jugendlichen eine Mischung aus finanzieller Unterstützung (monatliches Bildungsgeld), Weiterbildung, Weiterentwicklung, persönlichem Coaching, Gruppenerfahrung, Kunstprojekten usw.

Voraussetzungen, Angebote, Bewerbungsunterlagen auf der Homepage – Link unten.

Bewerbungen für Wien, NÖ, OÖ, Vorarlberg sind bis 14. Mai 2021, für Salzburg bis 31. Mai 2021 möglich.

https://www.start-stipendium.at/bewerben/