Berührende und eindrucksvolle sechste Veranstaltung zur Erinnerung an Genozid an Roma aber auch Rassismus und Antiziganismus am Ceija-Stojka-Platz
Seit sechs Jahren organisieren – vor allem junge – Romn*ja-Aktivist:innen am Abend des 2. August am Ceija-Stojka-Platz (benannt nach der vor acht Jahren verstorbenen Künstlerin und Zeitzeugin, die drei Konzentrationslager überlebt hatte) in Wien-Neubau eine Gedenkveranstaltung. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 waren in wenigen Stunden rund 3000, neuere Forschungen sprechen sogar von 4.500 Menschen im sogenannten Zigeunerlager von Auschwitz ermordet worden. Und das war nur Teil des Völkermordes der faschistischen Nazi an dieser Volksgruppe, der insgesamt rund eine halbe Million Menschen zum Opfer fielen. Veranstaltungen fanden unter anderem auch in Ungarn, Frankreich, Polen, Deutschland, Spanien und den USA statt.
Im April 2015 hatte das Europäische Parlament die Forderung von Aktivist:innen und NGO aufgegriffen, den 2.August deshalb zum „European Roma Holocaust Memorial Day“ zu machen. Jahr für Jahr forderten die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Vereine und Organisationen die jeweiligen Bundesregierungen auf, dass Österreich den Europäischen-Parlamentsbeschluss ratifiziert und somit dieses Datum zu einem offiziellen Gedenktag erhebt, der dann eventuell auch im heimischen Parlament stattfindet.
Das war in diesem Jahr vor rund 150 Menschen nicht anders. Ob das Moderationsduo Sladjana Mirković und Samuel Mago von der Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja oder Redner:innen der Jüdischen Österreichichen Hochschüler:innenschaft, Lara Guttmann, der Grün-Alternativen Student_innen samt Teil des Vorsitzteams der Bundes-ÖH, Keya Baier, die Sprecherin des Antirassismus-Volksbegehrens Black Voices, Noomi Anyanwu und andere – sie alle erhoben diese Forderung sowie die auch schon mehrfach verlangte Errichtung eines zentralen Mahnmals an den Völkermord an Romn*ja und Sinti*zze.
Doch dieses Mal trat mit der Grün-Nationalratsabgeordneten Eva Blimlinger gegen Ende der Veranstaltung einer Rednerin ans Mikrophon, die knapp und bündig versprach, sich für die Ratifizierung einzusetzen. Ihr ÖVP-Kollege Nikolaus Berlakovich wich in seiner Rede dieser Frage ein wenig aus und spielte eher den Ball auf die Frage, die Volksgruppen selber müssten darauf schauen, dass ihre Sprachen und Kulturen nicht aussterben. Eine dritte Parlamentarierin, Nurten Yılmaz von der SPÖ, sicherte zu, an ihrer Partei werde eine Ratifizierung sicher nicht scheitern. Sie fürchte ja, dass dies gar nicht so sehr eine ideologische, sondern eine Frage der Ignoranz wäre. Und die Förderung von Sprachen und Kulturen der Volksgruppen müsste auch ein Interesse der Mehrheitsgesellschaft sein.
Dass etwas in Sachen Mahnmal weitergehen müsse, das hatte im Vorjahr die damalige Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein versprochen – die Grünen wurden aus der Koalition in Wien gekickt, sie selber von ihrer eigenen Partei demontiert. Als Aktivistin des KZ-Verbandes nahm sie auch dieses Jahr an der Gedenkveranstaltung teil.
Für diese Organisation mit Untertitel Bundesverand österreichischer AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus sprach der kürzlich neugewählte Bundessekretär Ernst Wolrab und erinnerte daran, dass Österreich nicht nur Opfer, sondern auch unzählige Täter:innen im Faschismus stellte.
Wie andere wiesen die Vizepräsidentin der Israelitischen Kulturgemeinschaft, Claudia Prutscher und die Vize-obfrau von Voice of Diversity, Marion Dworzack, auf die Vorgeschichte des Völkermordes an Romn*ja, Sinti*zze und Jüd*innen hin: Ausgrenzung, Diskriminierung, Entmenschlichung von Minderheiten, die so weit „normalisiert“ wurde, dass sie von vielen geduldet und schließlich von der Mehrheit getragen wurde. Das wären auch die oft beschworenen Lehren aus der Vergangenheit, die heute gezogen werden müssten, um gegen solche Tendenzen aufzutreten, gegen jede Form von Rassismus. Dworzack erinnert auch daran, dass jedes Gedenken bisher von der Zivilgesellschaft erkämpft werden musste.
Darüber hinaus sollten und müssten endlich auch die Leistungen von Angehörigen diverser Volksgruppen für die gesamte Gesellschaft, für das Land anerkannt werden. Das wünschte sich Mario Zurz, einer der Sieger des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“ (mit Deutsch und Russisch) in seinem Beitrag, Der Wiener, Kind serbischer Rom*nja-Gastarbeiter:innen wolle sich endlich hier „richtig zu Hause fühlen dürfen!“
Gerechtigkeit, Gleichheit, Anerkennung – das forderte auch Simon Bordt, Jusstudent und Vertreter des Sintikulturvereins Newo Ziro.
Nuna Stojka, Schwiegertochter von Ceija, las berührende Textstellen aus der Büchern ihrer malenden und schreibenden Schwiegermutter, nach der der Platz in Wien Neubau vor der Kirche Altlerchenfeld benannt wurde. Manuela Horvath, Enklein von Holocaustüberlebenden , Gemeinderätin im Burgenland und Leiterin der Roma-Pastorale Der Diözese Eisenstadt trug eine Mariengebet in Romanes vor. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung vom Trio Josef Nagy, László Rácz und Tibor Csirke. Und – ungeplant und auf vielfachen Wunsch, ja auch Drängen durch Samuel Mago, der ein Gedicht von Ceija Stojka vertont hatte.
Zuvor rief er noch in Erinnerung, dass „Roma und Romnja, Sinti und Sintizze seit hunderten Jahren ein prägender Teil der österreichischen, der europäischen Kultur und Gesellschaft (sind). Unsere Vorfahren leben hier in diesem Land Jahrhunderte bevor Strauß den Donauwalzer komponierte. Jahrhunderte bevor die Wiener Ringstraße erbaut wurde. Und Jahrhunderte bevor dieser Bezirk Teil des Wiener Stadtgebietes wurde. Die österreichische Politik raubte uns unsere Sprache, unsere Namen und unsere Geschichte.“
Mit „Schau und vergiss nicht! Dikh He Na Bister!“ beendete er und seine Moderationskollegin Sladi Mirković die Reden, bevor die Gäste Kerzen von Ceijas Lieblingspflanzen, Sonnenblumen, zum Gedenken aufstellten.