In „Zwei von jedem“ vermittelt schwedische Erfolgsautorin schon für junge Kinder scheinbar „Unsagbares“.
Eine Geschichte über die Angst vor Vampiren als Metapher für die, die’s ahnen, und anfangs „nur“ als Märchen für die Jüngeren – kaum wurde der Weg in die Nazi-Diktatur mit der schon lange davor begonnen massiven Bedrohung für Jüd:innen eindringlicher beschrieben als in „Zwei von jedem“.
Die mehrfach preisgekrönte Autorin Rose Lagercrantz „erfindet“ darin die Geschichte von Eli(as) und Luli im auch ungarisch-sprachigen Teil von Rumänien. Die beiden Kinder sind anfangs ca. 9 Jahre – auch das Alter ab dem das Buch vom Verlag (Moritz) empfohlen wird. In großer Schrift, sehr leicht zu lesen, erzählt sie von Eli, der furchtbare Angst vor Vampiren hat und deswegen zum schnellsten Läufer wird. In der Schule freundet er sich mit Luli an, die ebenfalls rasant rennt.
Die beiden sind fast unzertrennlich. Als Eli eines Tages furchtbar krank wird, besucht ihn Luli täglich, auch wenn sie erst gar nicht reingelassen wird – aus Angst vor Ansteckung. Da bleibt Luli eines Tages lange aus – und kommt mit einem magischen Gesundheitstrank – angeblich aus einer Quelle auf einem nahegelegenen hohen Berg. Und wie der wirkt…
Eli bemerkt, dass praktisch alles in seinem Leben aus einer Zweiheit besteht – er und Luli, die beiden Sprachen Rumänisch und Ungarisch. Er lässt sich von seiner Mama in der Früh immer zwei Brote für die Schule schmieren – um sie die ärmeren Luli zu geben. Der alte Stoffhändler Isaak gibt ihnen immer zwei Bonbons.
Und dann trennen sich die Wege. Luli fährt mit ihrer Mutter nach Amerika, wo ihr Vater schon arbeitet. Und Eli sah Krieg und Judenverfolgung näher und näher kommen… „Was dann kam, kann ich eigentlich nicht erzählen. Ich versuche es trotzdem“, lässt die Autorin ihren Protagonisten sagen. Viehwaggons, Todeslager …
… und einer der wenigen Überlebenden bei der Befreiung. Mit Hilfe des Roten Kreuzes landete Eli in Schweden. Und konnte über diese Hilfsorganisation auch den Kontakt zu Luli in den USA aufnehmen.
Der Rest ist ein Happy End – mit einer doch anfangs fast Schweige-Phase über das Geschehene, Erlebte. Weshalb Luli rät, Eli möge es doch aufschreiben…
Im Nachwort gibt die Autorin Preis, dass es sich eigentlich um ihre eigene Familiengeschichte – mit vertauschten Rollen und Orten handelt. Und sie, die „mehrere Bücher über das Schicksal von Juden in unserer Zeit geschrieben“ hat, die alle auf dem „basieren, was mir Menschen, die mir nahestanden, schließlich doch erzählt haben“, wurde vom schwedischen Rundfunk gebeten, „ein Märchen für Kinder darüber zu schreiben“. Sie habe gezögert: „Ein Märchen? Das kann ich nicht, dachte ich. Der Nationalsozialismus ist kein Märchen. Der Antisemitismus ist kein Märchen. In Märchen passieren entsetzliche Dinge, aber sie enthalten oft auch etwas anderes: Liebe.“
Genau daran habe sie sich gehalten – die Liebe der beiden Kinder, die feste Freundschaft – dieses „zwei von jedem“ wurde märchenhaft. Und vermittelt doch das Schreckliche, die Verbrechen, das Leid – und auch das oftmalige Schweigen über das Unfassbare, das Überlebende erlebt hatten.
A propos Familiengeschichte: Die kleinen gemalten Bilder, die so manche Seite zieren, stammen aus den Händen von Rebecka Lagercrantz, Tochter der Autorin und damit Enkelin von Ella, eigentlich so etwas wie reales Vorbild für den fiktiven Eli im Buch.
Text: Rose Lagercrantz
Illustrationen Rebecka Lagercrantz
Zwei von jedem
Übersetzung aus dem Schwedischen: Angelika Kutsch
ca. 110 Seiten
Ab 9 Jahren
Moritz Verlag
14,94 €
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