Das bekannte Volksmärchen „Ungalli“ aus der Kultur der Bantu-Völker – in weiten Teilen Afrikas (zentral, östlich, südlich) – mehrfach (relativ) neu erzählt und illustriert.
Offenbar hatte es schon seeeehr lange nicht geregnet. Das Land war dürr, nirgends wuchs Gemüse, Obst oder Getreide. Also machten sich die Tiere auf den Weg, um Nahrung zu suchen – und hoffentlich zu finden. Nur der Löwe blieb, wo sie bis jetzt alle waren und nun fortzogen, „um das Reich weiter zu regieren“.
Und so wanderten, liefen, krochen und flogen Affen, Elefant, Giraffe, Kaninchen, Schildkröte, Zebra, Gazelle, Vögel als große gemeinsame Herde los. Irgendwann stießen sie auf einen riiiiesigen Baum voller unterschiedlichster Früchte. Offenbar ein Wunder der Natur, denn er hatte granatäpfel-rote Früchte ebenso wie bananen- bzw. mangogelbe, Zwetschgen-lilafarbene… „die dufteten wie alle Früchte der Welt zusammen“ (aus märchenkoffer.ch)
Aaaaaber: sie hingen so hoch, dass selbst der Hals der Giraffe zu kurz war. Der Stamm war so glatt, dass kein Affe raufklettern konnte und die Vögel konnten keine Frucht von den Ästen picken – so fest waren die „verwurzelt“.
Da erinnerte sich die Schildkröte, dass die Urururgroßmutter – in manchen Versionen reichen zwei Ur- -erzählt hatte, wer den Namen des Baumes weiß und nennt, dem neigen sich die Zweige herab. Doch sch… sie wusste ihn nicht mehr, aber der Löwe, der würde den Namen kennen.
Na dann, und schon sauste die Gazelle los, war sie doch die schnellste der Gruppe. Widerwillig nannte der Löwe: „Ungalli“, aber er würde es nur ein einziges Mal und einem einzigen Tier sagen…
Klar, dass da was schief gehen muss – sonst wär’s ja (fast) keine Geschichte. Die ganze Zeit über behielt die Gazelle das Wort im Kopf. Knapp vor dem Ziel stolperte sie über ein Kaninchen-Loch, plumps, hingefallen, vergessen.
Also, was tun? Noch einmal probieren – am besten der Elefant mit seinem sprichwörtlichen Gedächtnis. Zerknirscht und unterwürfig beim König nachgefragt – na, ausnahmsweise… Und, klar, prompt bleibt er im selben Loch hängen und … – genau. Wieder nix.
Verzweiflung. Da machte sich – in manchen Versionen von den anderen mit Zweifel versehen, in anderen fast unbemerkt – auf den Weg zum Löwen. Der war wütend und brüllte die Schildkröte an, dass er schon zwei Mal und so weiter und er sicher niemandem mehr sagen werde, dass der Baum Ungalli heiße…
Auf zum Happy End! Sorry, üblicherweise wird hier bei Buchbesprechungen nicht fast alles gespoilert. Aber diese Geschichte findest du auch voll auserzählt online im schon oben zitierten Schweizer „Märchenkoffer“ – Links in der info-Box. Oder erzählt (Diana Drechsler)
mit Musik untermalt (Jutta Putzschke) auch auf YouTube (leider mit Werbeunterbrechungen; Link ebenfalls in der Info-Box).
Warum der Löwe allein zu Hause blieb? Hatte er keinen Hunger? Oder geheime Vorräte, die er nicht teilen wollte? Oder wartete er, bis seine Untertanen was gefunden hatten, um sich dann bedienen zu lassen? Die hier genannten Fragen tauchen in all jenen Versionen des Volksmärchens aus der großen Gruppe der vielen Bantu-Völker – gut 200 Millionen Menschen mit 400 verschiedenen Ethnien im südwestlichen, östlichen, zentralen und südlichen Afrika von Kamerun und Nigeria über Kenia, Tanzania bis Südafrika – die mir bekannt sind, nirgends auf!
Nun, die bekannte und sprachverspielte österreichische Autorin Lena Raubaum hat diese Geschichte für ein buntes Bilderbuch aufgeschrieben – in ihrem Stil und mit so manchen Formulierungen, die zum Schmunzeln verleiten – trotz der heftigen Story, dass die Tiere so lange hungern müssen.
Sie sei, so verriet sie dem neugierigen Journalisten von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „vor rund 15 Jahren auf diese Geschichte gestoßen. „In dieser Zeit habe ich begonnen, Weisheitsgeschichten aus aller Welt zu sammeln, zu entdecken, zu finden. Und so stieß ich auf Ungalli.“ Sie hab noch so manche im Kopf und die eine oder andere auch verschriftlicht. Vielleicht folgen ja noch weitere Weisheiten aus allen Ecken und Enden der runden Welt.
Raumbaums Text wurde von Tobias Krejtschi illustriert – in einem Stil, der an so manche afrikanischen Muster erinnert. Und er zeichnet den Löwen mit Gipsfuß – somit eine Erklärung fürs daheimbleiben. Aber, der Löw sitzt lässig-geschäftig vor Laptop, Festnetztelefon und Smartphone. Weshalb müssen die Tiere dann hin und herlaufen, -stapfen, -kriechen und rufen ihn nicht an oder schicken eine Sprach- oder Text-Nachricht? Noch dazu, wo in vielen Teilen Afrikas schon vor vielen Jahren selbst in kleinen Straßendörfern statt mit Geld mittels Handy bezahlt worden ist?
Leicht verständlich aufgeschrieben hat die „Ungalli“-Geschichte, die auch ein Loblied darauf ist, ja nicht aufzugeben, auch Birgit Heitmann und mit teils witzigen Zeichnungen versehen. Vor allem die Gesichtsausdrücke ihrer Tiere überzeugen. Warum allerdings ein Bild – zumindest in der eBook-Version – um einen Viertelkreis verdreht ist, bleibt ein Rätsel – denn auf die (Nach-)Frage von KiJuKU gab es schlicht keine Antwort.
Übrigens: Ungalli heißt zumindest in einer der vielleicht bekanntesten Bantu-Sprachen, Kisuaheli (auch als Swahili in der englischen bzw. international gebräuchlichen Bezeichnung) „trotzdem“.
Text: Lena Raubaum – nach einem gleichnamigen Märchen der großen Familie der Bantu-Völker im östlichen, zentralen und südlichen Afrika
Illustration: Tobias Krejtschi
Ungalli
26 Seiten
Ab 4 Jahren
Tyrolia Verlag
18 €
Zu einer Lese- und Schauprobe geht es hier
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Volksmärchen: Verfasser:in unbekannt
Gestaltung und Illustration: Birgit Heitmann
Ungalli
26 Seiten
Taschenbuch: 16 €
eBook: 9,99 €
BoD – Books on Demand
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maerchenkoffer.ch -> Der Baum Ungalli
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Der Baum Ungalli
Erzählung, Musik (Djembé): Diana Drechsler
Musik (Djembé, afrikanischer 3er Bass): Jutta Putzschke
Mehr als 21 Minuten – mit Werbung zu Beginn und dazwischen