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Bildmontage aus Foto desAutor mit dem Buch, Buchcover, Foto des IG-Autorinnen, Autoren-Geschäftsführers sowie Screenshots von Aussendungen der FP und VP NÖ, der Online-Ausgaben von heute und oe24
Bildmontage aus Foto desAutor mit dem Buch, Buchcover, Foto des IG-Autorinnen, Autoren-Geschäftsführers sowie Screenshots von Aussendungen der FP und VP NÖ, der Online-Ausgaben von heute und oe24
25.03.2025

Mit Verdrehung des Inhalts Stimmungsmache gegen Schullektüre eines Jugendbuches

Heftige parteipolitische und mediale Aufregung um ein Jugendbuch, das in einer niederösterreichischen Schule gelesen und diskutiert wird.

„Leila, Nico, Ahmed und Herrn Herzog hat sich der Autor ausgedacht. Aber wie in vielen seiner Bücher verpackte Robert Klement, jahrzehntelanger Deutsch- und Geschichte-Lehrer und vielfach ausgezeichneter Autor, reale, ausführlich recherchierte, Schicksale und Vorgänge in seine fiktive Geschichte und Figuren. „Halbmond über Rakka“ mit dem Untertitel „Verführung Dschihad“ versucht – wie auch die anderen in den vergangenen rund zwei Jahren (vor 2016, Anmerkung der Redaktion) erschienenen Jugendbücher zum Thema IS – auf die Frage zu fokussieren, wie können – in der Regel grundvernünftige – Jugendliche auf der Suche nach so etwas wie Sinn in ihrem Leben, in den Sog, den Strudel einer derart totalitären Ideologie, die sich als Religion tarnt, geraten. Oder diesem – wie Nico hier – sich auch wieder entziehen.“

Polit- und medialer Wirbel

Das stand in meiner Besprechung des in diesem Absatz erwähnten Jugendbuches – Link zur vollständigen Buchbesprechung sowie zu einem Interview mit dem Autor weiter unten -, das vor wenigen Tagen für Wirbel in Niederösterreich sorgte. In einer Mittelschule in Wr. Neustadt lesen die Schüler:innen dieses Buch. Ausgehend von einer aufgeregten Aussendung des Bildungssprechers der FP, der das Buch, ja offenbar nicht einmal den Untertitel auf dem Cover – „Verführung Dschihad“ gelesen hatte („So etwas kann und darf es nicht geben!“), trommelten reichweitenstarke (Online-)Medien – „heute“ (Eltern, FPÖ schlagen Alarm: „Schüler müssen Buch über Heiligen Krieg lesen“) und „oe24“ („IS-Buch“ in Schule? Skurriler Polit-Streit in NÖ) – ebenfalls gegen die Lektüre dieses aufklärerischen Buches.

Nachhilfe-Empfehlung an Bildungssprecher

Der Politstreit bezieht sich darauf, dass der Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen ÖVP, Matthias Zauner, in einer Aussendung schrieb: „Dass FPÖ-Abgeordneter Sommer ausgerechnet ein Buch, das sich mit religiös motivierter Radikalisierung auseinandersetzt und die dadurch entstehenden Probleme anspricht, mokiert, zeigt nicht nur, dass er das Buch selbst wohl nicht gelesen hat, sondern auch, dass er ihm nur um die schnelle Schlagzeile geht. Denn hätte er sich mit dem Inhalt auseinandergesetzt, wüsste er, dass die Behandlung dieses Buchs im Unterricht genau das Gegenteil von politisch Radikalisierung zum Ziel hat – nämlich diese schon im jungen Alter zu verhindern.“ Und er empfahl dem Bildungssprecher seiner Koalitionspartei in „dringend eine Nachhilfestunde“.

Tendenziöse Umfrage

„heute“ hat übrigens mit dem Artikel, in dem dann doch auch aus Buchbesprechungen sowie einem Interview dieses (Vorläufer-)Mediums, Kinder-KURIER mit dem Autor, zitiert wurde, eine Online-Umfrage angehängt – „Findest du es gut, dass das Thema IS im Unterricht thematisiert wird?“ Und die erste mögliche Antwort lautete: „Nein, also mit diesem Buch kommen Jugendliche nur auf dumme Gedanken“, der schließlich fast zwei Drittel (64%) zustimmten.

Bildungsdirektion

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte von der Bildungsdirektion einerseits Kontakt zur Schule, um von Schüler:innen und Lehrpersonen zu erfahren, was sie dazu sagen und andererseits, „ob und inwiefern Sie in diesem oder anderen Fällen aktiv werden, um in diesem Fall doch verleumderischen Berichten entgegen zu treten oder eventuell auch zu problematisieren, dass via medialer Online-Umfrage Schul-Lektüre beeinflusst werden sollte“.

Die Leiterin der Stabstelle Kommunikation in der Bildungsdirektion antwortete folgendermaßen: „Das Buch „Halbmond über Rakka“ ist genau das Gegenteil von IS-Verherrlichung, es hat vielmehr zum Inhalt, vor Radikalisierung zu warnen. Robert Klement ist ein bekannter und anerkannter Jugendbuchautor. Es gibt darüber hinaus didaktische Materialien zu der Lektüre und es gibt auch Empfehlungen für die Altersgruppe, für die das Buch eingesetzt wurde.

Zur Schularbeitsvorbereitung mussten sich die Schüler in die Perspektive einer der handelnden Figuren begeben und aus dieser Sicht eine E-Mail an einen Freund schreiben. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich allerdings nicht in die Perspektive von „IS-Verherrlichern“ versetzen, sondern – im Gegenteil – eine kritische Position eines in Österreich lebenden Jugendlichen einnehmen.“

Screenshot von der Homepage des Autors mit dem Offenen Breif sowie dem Buch-Cover
Screenshot von der Homepage des Autors mit dem Offenen Breif sowie dem Buch-Cover

Offener Brief des Autors

Nun haben der Autor selbst sowie die Interessensgemeinschaft Autorinnen Autoren ebenfalls öffentlich Stellung genommen.

„Als Autor des Romans „Halbmond über Rakka“ bin ich entsetzt über die völlig willkürlichen Attacken der FPÖ auf engagierte Lehrende in Wiener Neustadt, die mein Buch für den Unterricht verwenden. Ich denke, dass der Roman nach Villach und 2020 (Anschlag Wiener Innenstadt) und besonders nach den islamistischen Attentaten in Europa eine sinnvolle und aktuelle Ergänzung des Deutschunter­richts darstellt. Meine Positionierung gegen Islamismus, Extremis­mus und Gewalt ist in diesem Roman für jeden kritischen Leser klar zu erkennen.

Ich bin Literatur-Staatspreisträger und wurde in den letzten 40 Jahren mehrfach ausgezeichnet. Meine 29 Romane wurden in 15 Sprachen übersetzt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich unser Land Autokratien und Diktaturen annähert, in denen kritische Bücher aus öffentlichen Bibliotheken und Schulen verbannt werden. Ein FPÖ-Politiker, der meinen Roman attackiert, obwohl er ihn nicht gelesen hat, disqualifiziert sich als „Bildungssprecher“. Dass eine politische Partei die Schullektüre bestimmen will, ist nicht zu akzeptieren!

Da ich den Medien entnehme, dass die FPÖ bei der Bildungs­direktion NÖ Beschwerde eingelegt hat, erscheint mir dieses Schreiben notwendig“, veröffentlichte Robert Klement als offenen Brief an Bildungsdirektor Dr. Fritthum auf seiner Website.

IG Autorinnen Autoren

Am Dienstag (25. März 2025) veröffentlichte im Namen der Interessensvertretung österreichischer Schriftsteller:innen, der IG Autorinnen Autoren, deren Geschäftsführer Gerhard Ruiss eine Aussendung. In dieser heißt es unter anderem: „Der Angriff des FPÖ-Niederösterreich-Bildungssprechers verkehrt den Inhalt und Wert des Buches von Robert Klement in sein Gegenteil. „Halbmond über Rakka“ wurde dementsprechend von rechten Medien auch sogleich als „Propaganda für den Heiligen Krieg“ und als „Kniefall vor dem Islam“ und „Zwangslektüre“ bezeichnet. Der Autor hat auf die FPÖ-Attacken auf seiner Website robertklement.com in einem Offenen Brief an die Bildungsdirektion NÖ bereits geantwortet.

Es ist beschämend und ein Armutszeugnis zugleich, wie sich FPÖ-Bildungssprecher Sommer Aufklärungsarbeit über Radikalisierung vorstellt. Und Herr Sommer ist nicht irgendwer, er ist der Wirtschafts-, Finanz-, Budget-, Jugend- und Bildungssprecher der FPÖ im Niederösterreichischen Landtag. Es ist schlimm um die österreichische Bildungspolitik bestellt, wenn das die Bildungsvorstellungen eines Bildungssprechers für den Umgang mit politisch brennenden Themen an österreichischen Schulen sind, engagierte Lehrer/innen und Schulen mit Büchern, die sich schwierigen Themen stellen, zu Islamistenhandlangern zu machen, um sich auf deren Rücken den billigen Applaus aus der rechten Ecke zu holen. Es ist übel um sie bestellt, wenn ein Bildungssprecher einer mitregierenden Landtagspartei glaubt oder meint oder verbreitet, dass sich ausgerechnet ein angesehener österreichischer Jugendbuchautor und Staatspreisträger dazu hergibt, islamistische Propaganda zu verfassen und ein österreichischer Traditionsverlag dazu, islamistische Propaganda zu veröffentlichen und zu verbreiten. Österreich hat nicht nur ein Bildungsproblem, Österreich hat ganz offensichtlich auch ein Bildungspolitikerproblem. 

Wir fordern Herrn Sommer auf, seinen Irrtum einzubekennen, sich dafür zu entschuldigen und den von ihm angerichteten Schaden umgehend wieder gutzumachen.“

Keine Antwort

Die KiJuKU-Anfrage an die FP-Niederösterreich „hat er (der Bildungssprecher) oder haben Sie (der Pressereferent) in der Zwischenzeit wenn schon nicht das ganze Buch, so die Kurzbeschreibungen oder Rezensionen dazu gelesen?“ blieb übrigens unbeantwortet.

Die Anfrage ins Achen Kontakt zur Schule an die Bildungsdirektion bzw. die zuständige SchulQualitätsManagerin (vormals Inspektorin) harrt noch einer Antwort, wenngleich auch verständlich ist, dass die betreffende Schule bzw. vor allem Jugendliche und Lehrpersonen vorerst von Medien genug haben.

kijuku_heinz

Titelseite des Jugendromans
Titelseite des Jugendbuches „Halbmond über Rakka“
BUCH-INFOS

Text: Robert Klement
Halbmond über Rakka
ca. 140 Seiten
Ab 13 Jahren
Verlag Jungbrunnen
Hardcover: 16 €
eBook 13,99 €
Zu einer Leseprobe geht es hier