Der Jugendroman „Sowas wie Sommer, sowas wie Glück“ schildert (nicht nur) Angststörung einer Jugendlichen – vor allem aus der Sicht der Schwester, die immer für die andere da ist/sein muss und darum kämpft, doch ein eigenes Leben führen zu dürfen.
Das Wort selber kommt erst auf Seite 170 – von 250 Seiten – vor. Und dennoch ist schon bald nach Beginn des Romans „Sowas wie Sommer, sowas wie Glück“ zu ahnen, aus einzelnen Sätzen, oft auch nur Bemerkungen, Cecilie (19) leidet an krassen Angststörungen. Lise Villadsen (Übersetzung aus dem Dänischen: Meike Blatzheim) versetzt sich – und damit die Leser:innen – aber nicht in ihre Lage, sondern in die der jüngeren Schwester Astrid (17). Sie ist der starke Halt, die emotionale Stütze für die Schwester – auch weil der Vater sich eher in den Job flüchtet und die Mutter mit der Situation ebenfalls meist überfordert ist.
Kapitelweise erleben wir aber vor allem in der zweiten Hälfte, dass Astrid auch gern ein eigenes Leben haben würde. Womit die Autorin die Situation vieler Kinder und Jugendlichen anspricht, die aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder zurückstecken (müssen).
Stets stellt sie ihre Bedürfnisse zurück, wenn’s Cecilie besonders schlecht geht und diese sie braucht, ja einfordert. Daran droht Astrids enge Freundschaft zu Jonas zu zerbrechen. In den letzten Tagen des Schuljahres, knapp bevor Cecilie ihren Schulabschluss schmeißt, verliebt sich Astrid in Kristoffer, einen Freund aus Kindertagen. Diese Familie war nach Grönland übersiedelt von wo Kristoffers Vater stammte. Diese Ehe ging schief, Mutter ließ sich scheiden, sie und Kristoffer zogen zurück. Sein Vater schien ähnliche psychische Probleme zu haben wie Cecilie, die sie und ihn daran hinderten, oft auch nur aufzustehen und irgendetwas in Angriff zu nehmen.
Wir erleben Astrids Pendeln zwischen dem Versuch, ihr Recht auf ein eigenes Leben in Anspruch zu nehmen und mega schlechtem Gewissen, die Schwester im Stich zu lassen. Dramatisch lässt die Autorin Astrids erste Nacht mit Kristoffer gegen Ende des Buches zeitlich zusammenfallen mit einer besonders heftigen Angst-Attacke Cecilies. Jetzt sind die Eltern gefordert, sie müssen mit der Tochter in die psychiatrische Notfall-Ambulanz.
„Es zieht in meiner Brust, wenn ich daran denke, was die Zukunft für uns alle bringen wird. Es sticht und quält mich. Aber jetzt, in diesem Moment, fühlt es sich an, als wären die Dinge schon okay so, wie sie sind. Und das sind wohl die Momente, die ich von jetzt an sammeln sollte“, denkt Astrid auf der vorletzten Seite des Buches – und dabei denkt sie dieses Mal nicht an die Schwester.
Und genau Letzteres, dass sie versucht ihren eigenen Weg zu gehen, stärkt letztlich auch Cecilie. Nach heftigem Streit der beiden Schwestern kuscheln sie wieder auf dem Bett der 19-Jährigen die nun sagt:
„Nothing happens until something moves.“
„Toll“, sage ich. „Ein Postkarten-Spruch. Echte Lebensweisheit! I love it!“
„Die Relativitätstheorie“, sagt sie und nimmt ihren Finger weg. „Albert Einstein. Aber nah dran, Aster (Spitzname der Schwester, die diese im Gegenzug Lilie nennt, Anm. d. Red.).“
Ich muss lachen. Sie starrt an die Wand. „Und wenn du immer noch zweifelst, möchte Pu der Bär dir sagen, dass du mutiger bist, als du meinst, stärker, als du scheinst, und klüger, als du denkst. Bitte schön. Such dir was aus. Einstein oder Teddybär?“
Text: Lise Villadsen
Übersetzung aus dem Dänischen: Meike Blatzheim
Sowas wie Sommer, sowas wie Glück
256 Seiten
Ab 14 Jahren
Oetinger Verlag
18 €
eBook: 12,99 €