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Die Autorin und Illustratorin mit ihrem ersten gedruckten Buch
Die Autorin und Illustratorin mit ihrem ersten gedruckten Buch
07.04.2023

Schimpfroboter, Fehler bewusst zeigen und Reisen in Unbekanntes

Wie aus Steinen Hüte wurden: Zu Besuch bei der Illustratorin und Autorin Tessa Sima, die nun ihr erstes (Kinder-)Buch veröffentlicht hat.

Auf dem Schreibtisch steht eine Staffelei mit einem großen bespannten Rahmen – noch komplett weiß. Auf dem Schubladen-Kastl daneben viele Gläser und ein paar Dosen mit gut 100 Stiften in verschiedensten, meist pastelligen Farbtönen, ein Glas mit Pinseln und zwei mit Filzstiften. Auf dem Schreibtisch liegen noch etliche Notizbüchlein und viele kleine, bemalte Zettel.

Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … ist zu Gast in der Wohnung, die gleichzeitig Atelier von Tessa Sima ist. Die (jetzt) 29-jährige Dixi-Kinderliteraturpreisträgerin des Jahres 2018, die damals – noch zum Kinder-KURIER – gesagt hat „ich seh die Welt durch Pinsel und Stift“, hat vor wenigen Wochen ihr erstes ganzes Buch veröffentlicht: „Wär‘ Verantwortung ein Hut“ – zu einer Buchbesprechung geht es hier unten.

KiJuKU: Wie kamst du zu dem Vergleich von Verantwortung und Hüten?
Tessa Sima: Zuerst war das Thema Verantwortung da. Wer trägt die wofür. Kinder, die sich bei Klimademos engagieren, übernehmen große Verantwortung für die Zukunft des Planeten. Andere, die Riesengehälter beziehen würden viel größere Verantwortung tragen, aber übernehmen sie die wirklich?

KiJuKU: Und wie kam’s dann zu den Hüten?
Tessa Sima: ich habe lange nachgedacht, zuerst wollte ich Steine zeichnen – wie bei Sisyphos (aus der griechischen Mythologie, der schwere Steine den Berg raufrollt und kaum ist er oben, rollen sie wieder runter, Anm. d. Red.), weil Steine gleich große Last(en) symbolisieren. Dann habe ich angefangen zu zeichnen, aber das war zu erdrückend. Manchmal hab ich Geschichten ein Jahr im Kopf bis ich draufkomm: Das ist es. So war’s dann mit den Kopfbedeckungen – die oft ja auch sehr symbolisch und bedeutungsvoll sind wie bei Bischöfen oder Königinnen und Königen.

KiJuKU: Auf vielen, sogar auf der Titelseite gibt es bei den Texten, die ausschauen als wären sie mit der Hand geschrieben, immer wieder Durchgestrichenes. Ist das – fast – überall absichtlich eingebaut oder wirklich so passiert?
Tessa Sima: Ich hab die Texte zu den Bildern drunter notiert und dann in den Scans mitgenommen und gelassen. Die Texte hab ich dann schon noch einmal sauberer geschrieben, aber auch da Fehler gemacht, ich bin Legasthenikerin. Als Kind schon hab ich gern und viel geschrieben, dann aber wegen der Fehler aufgehört damit. Erst auf der Uni hab ich mir selber die Freiheit gegeben damit zu spielen. Fehler passieren. Und die wollte ich herzeigen, um auch anderen Mut zu machen. Außerdem schaut’s auch lustig aus.

KiJuKU: Wenn du dich so lange mit einem Thema beschäftigst, gibt es wahrscheinlich 1000e Ideen, wie hast du dann genau diese für das Buch ausgewählt?
Tessa Sima: Auch wenn es noch 100 Themen geben würde, du musst irgendwann sagen: jetzt ist es aber genug, du musst es gehen lassen. Ich finde auch, wenn du auf die eigene Arbeit zurückschaust, oder halt wenn ich das tue, dann sag ich nie: Das hätte ich besser machen können oder müssen, sondern wenn: Was könnte ich in Zukunft anders oder besser machen.

Und ich find’s auch cool, dass es noch viele weitere Beispiele geben kann – beim Kinderliteraturfestival (21. bis 27. Juni 2023, Theater Odeon) darf ich gleich am ersten Tag einen Workshop mit Kids machen und da möchte ich sie animieren, ihre eigenen Gedanken und Geschichten zu Hüten und Verantwortung zu zeichnen und malen.

KiJuKU: In so manchen deiner Kombinationen aus Bild und Wort schwingt auch Ironisch-Widersprüchliches mit – zum Beispiel in vielen deiner „Ein Blattgeschichten“ von denen du nach dem Dixi-Kinderliteraturpreis einige dem Kinder-KURIER, dem Vorläufer von KiJuKU, zur Verfügung gestellt hast, etwa wenn die Waschmaschine schmutzige Gedanken hat oder der Schreihals keinen Ton rauskriegt, weil er auch ein Geizhals ist.
Tessa Sima: Humor spielt für mich eine große Rolle, auch um Dinge zu kritisieren, zum Beispiel – und sie zeigt auf ein großformatiges gerahmtes Bild, das an einer Tür lehnt – wenn wer so viel von Natur spricht und sich in der aufhält und dann einen Fast-Food-Burger isst.

Tessa Sima mit einem Bild - einmal miniklein, das andere Mal sehr groß

KiJuKU: In der Kurz-Biographie auf der Website des Verlags steht, dass du deine „kreative Karriere im Alter von sieben Jahren“ begonnen hast, „als sie einen Roboter baute, der Schimpfwörter zu ihren Lehrer*innen sagte“. Stimmt das?
Tessa Sima: Ich hatte eine Freundin in der Schule (Kreamont – kreatives lernen nach Montessori in St. Andrä Wördern/NÖ) und wir haben gemeinsam immer wenn es Verbote gab, Auswege gesucht, wie wir das trotzdem machen konnten was wir wollten. Wir sind also kreativ mit Problemen umgegangen. So haben wir aus Karton einen „Roboter“ gebaut, der Schimpfwörter sagen konnte. Viele Kinder haben sich angestellt, um sich beschimpfen zu lassen.

KiJuKU: Kinder haben sich beschimpfen lassen?
Tessa Sima: Naja, nicht arge, sondern so Kinder-Schimpfwörter, die dann ausgesprochen werden durften, ja einmal sind sie sogar in einer langen Schlange angestanden. Wir beide haben viel Schabernack getrieben, immer wieder auch Grenzen ausgetestet. Und wir waren dabei sehr kreativ. Wir haben auch einmal eine Zeitung gemacht „Räuber und Gendarm“. Sie war sehr schlau, hat mir schon im Kindergarten vorgelesen und ich hab viele Fehler gemacht. Dann hab ich vorgeschlagen, ob wir nicht in der Zeitung lauter Fehler machen könnten, also gar nichts richtig schreiben.

KiJuKU: Auf dem Tisch steht diese Staffelei mit dem großen noch leeren Bild, was wird das?
Tessa Sima: Ich hab bisher immer klein, oft sogar sehr klein gezeichnet, habe immer in kleines Notizheft und Stifte bei mir. Jetzt wo ich umgezogen bin und mehr Platz zur Verfügung steht, habe ich begonnen auch groß zu malen und zeichnen – auch wenn anstrengender ist – ich male ja trotzdem nicht flächig mit großen Pinseln an, sondern meistens mit den Polychromos-Stiften (Buntstifte mit höherem Öl-Anteil in den Minien, so dass sie fast wie ein Mix aus Buntstift und Ölkreide wirken). Wenn die Sonne draufscheint, leuchten die Farben richtig. Aber wenn die großen Bilder ge-scant werden (im Copy-Shop) ergibt das auch im dann verkleinerten, gedruckten Format ein anderes, dichteres Ergebnis.

KiJuKU: Woran arbeitest du gerade?
Tessa Sima: An einer Ausstellung für die Kabinett Passage für Comic und Artverwandtes im MuseumsQuartier (Wien, bei dem Eingang von der Mariahilfer Straße).

KiJuKU: Was wird das Thema sein?
Tessa Sima: Das darf und mag ich noch nicht verraten.

Weit gereist

KiJuKU: Du bist viel in der Welt unterwegs – hast du auch damals schon im KiKu gesagt und in der Zwischenzeit war’s noch mehr wie die kurze Notiz auf der Verlagsseite besagt?
Tessa Sima: Ja, zuletzt – vor der Pandemie und den Lockdowns – während meines Studiums an der Angewandten war ich ein halbes Jahr im Iran, in Shiraz. Ich dachte, hier kenn ich schon alles, ich will und muss raus und zwar in etwas Unbequemes, wo es mich aus eingefahrenen Gleisen raushaut und ich mein eigenes Ding machen muss. Zur Wahl standen für mich Israel oder der Iran. Dann bin ich auf ein ironisches Internet-Video gestoßen: „Don’t go to Iran“. Und wollte es gerade deswegen.

Dort hab ich Teppich-Knüpfen und Grafikdesign studiert, hauptsächlich Ersteres – und sie holt aus einer Lade zwei kleine eigenhändig geknüpfte Woll-Teppiche hervor. Dieses Lama trägt einen Hijab – und das Bild wurde sogar auf der Homepage der Uni veröffentlicht, im andern hab ich Bilder von Frauen geknüpft, die ihre Mittagspause auf Verkehrsinseln verbringen. Die Erfahrung in diesen Monaten war urcool, so viele so offene so freundliche Menschen – und das unter diesen schwierigen Bedingungen eines autoritären Regimes, das die Leute niederdrückt. Wir hatten an der Uni übrigens mehr Frauen als Professorinnen als an der Angewandten!

Schon in der Schule

KiJuKU: Du war schon in der Schulzeit in Estland?
Tessa Sima: Ja, an der Graphischen (in Wien, berufsbildende höhere Schule in diesem Bereich) wollte ich ein Jahr im Ausland verbringen, im Norden solle es sein. Ich hab ein junges Land gesucht, mich informiert und gelesen, dass die Sprache 14 Fälle hat. Das hat mich interessiert und so hab ich ein Semester bei einer Gastfamilie gelebt und damit auch die Sprache gut gelernt.

Außerdem war ich ein halbes Jahr in Dänemark und ein Monat in Shanghai und zuletzt – schon nach den Lockdowns und der Pandemie in Island Jungpferde zureiten.

KiJuKU: Die nächste Destination?
Tessa Sima: Weiß ich noch nicht, vielleicht Korea.

KiJuKU: Ein afrikanisches Land würde doch noch fehlen?
Tessa Sima: Stimmt, wäre mehr als eine Überlegung wert.

Follow@kiJuKUheinz

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Tessa Sima bei der Verleihung des Dixi-Kinderliteraturpreises 2018
Tessa Sima bei der Verleihung des Dixi-Kinderliteraturpreises 2018

Story über die Dixi-Kinder-Literaturpreisverleihung 2018 – damals noch im Kinder-KURIER

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