Wieder beeindruckende und berührende Texte bei der 18. Ausgabe des Literaturpreises „Ohrenschmaus“; rund 140 Fotos, zwei Videos.
„Ich höre das Zuhören meiner Mitmenschen im ganzen
Raum.
Ich höre, was sie reden.
Ich höre zu.“
So beendet Markus Klambauer sein Gedicht, dem er den Titel gab: „Ich wünsche mir von mir, zuzuhören“. Und das er mit der sinnlich-poetischen Zeile beginnt: „Ich höre den Winter, wenn der Schnee vom Himmel fällt.“
Das ist große Literatur. Wieder einmal bewies und beweist „Ohrenschmaus“, der heuer zum 18. Mal vergebene Literaturpreis, dass der Untertitel der ersten Jahre „für Menschen mit Lernschwierigkeiten“ längst völlig zurecht jenem gewichen ist „für Schreibtalente“.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… das den „Ohrenschmaus“ von Beginn an begleitete – damals noch im Vorläufer Kinder-KURIER – darf Auszüge aus allen Texten veröffentlichen – im Bereich „Einfach“ sind die Passagen aus den drei Hauptpreis-Texten in eigenen Beiträgen zu finden, Zitate aus den Texten, die von der Jury auf die Ehrenliste gewählt wurden, finden sich in einem gesammelten Beitrag und jene vier kurzen Texte des Schoko-Preises sind vollständig in einem weiteren online – alle sind am Ende dieses Beitrages verlinkt. Alle Beiträge vollständig, samt kurzen Biographien der Autor:innen und den ebenfalls vollständigen Laudationes sind in einem eigenen broschürten Buch veröffentlicht – siehe Info-Box.
Klambauer bekam für sein Gedicht einen der drei Hauptpreise von der Jury, der beispielsweise von Beginn an als Schirmherr der bekannte Felix Mitterer angehört.
In seiner Lobrede (Laudatio) meinte der erst im Vorjahr mit dem renommierten Andersen-Preis, inoffiziell Nobelpreis der Kinderliteratur, ausgezeichnete Heinz Janisch unter anderem: „Wir alle kennen die Frage, die man Kindern gerne stellt: Was willst du einmal werden? Ich habe als Kind gesagt: Fußballspieler, Cowboy oder Zorro.
Würde ich heute gefragt werden, würde ich sagen: Ein Zuhörer. Was kann es Schöneres und Aufregenderes geben als zuzuhören, wie die Welt ringsum klingt!“
Das was viele unter dem Begriff „von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt“ kennen hat noch viel treffender ein zweiter Hauptpreisträger zu Papier gebracht: In „Mal Luftsprung – mal Dammbruch“ schildert Julian Peter Messner in wunderbaren poetischen Wortbildern die beiden unterschiedlichen Gefühle. Jedes Mal der gleiche Anlass – das in Händen halten seiner Bücher. Beim ersten „Ausnahmsweise ohne Titel“:
„breitete sich vom bauchraum her
ein glucksen und pfnuttern aus
stieg bis in die mundhöhle
und explodierte dort
in ein schallendes gelächter
da stieß ich mich ab
es katapultierte mich
durch zimmerdecke und dach
und ich stieg hoch und höher
in den sternenhimmel hinauf
ehe ich an einem stern anstieß
machte ich einen salto rückwärts
und schwebte federleicht
zurück in mein bett“
Beim zweiten Buch „„Wörtersammeln und Stichwörteln“, beschreibt der Autor seine Gefühle nicht lyrisch, sondern in Prosa ganz anders:
„Noch immer hatte ich keine Worte, stimmt gar nicht, mein Inneres war voller Worte. Sie drängelten in mir, verkeilten sich, verkrampften sich, hatten Form und Klang verloren. Ich fühlte mich übervoll und zugleich völlig leer, unsagbar glücklich und abgrundtief traurig. Und dann brach es aus mir heraus, die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten… Diesmal kein Luftsprung, diesmal ein Dammbruch.“
Bettina Hering, die unter anderem das Landestheater Niederösterreich geleitet hat, aber auch das Schauspielhaus in Hamburg und jenes in Frankfurt (beides Deutschland) und neu in der „Ohrenschmaus“-Jury ist, würdigte diesen Text unter anderem so: „Vom Gipfelkreuz der Gefühle ins Tal der Tränen und dann in ein warmes Zuhause führt uns Julian Peter Messner. Er weiß, dass die Liebe vieles besiegt und eine Umarmung heilen kann. Das beschreibt er äußerst berührend und wahrhaftig in einem.“
„Lügner! Klar hast du mich gesehen! Bist ja keine zwei Meter an mir vorbeigestampft mit deinen schneeblindweißen Sneakers! Ja, Mann, du hast mich kurz angeguckt, quasi bloß gestreift mit deinem Blick. Aber nur nicht länger hinschauen, hast du dir gedacht, deine azurblaue Tasche aus Kroko-Leder enger an dich gedrückt. Der Penner da am Boden könnte ja aufspringen und mein blaues Krokodil mitgehen lassen! Ja, hast du gedacht, nur schnell weg!“
So beginnt Daniela Tödling ihren – ebenfalls mit einem der Hauptpreise ausgezeichneten – Text „Tipsy (Oder: Beachte mich einfach nicht!“). Sie beschreibt einen Obdachlosen, der nicht zuletzt durch rot-grüne Irokesen-Frisur und Gitarrengeklimper auffällt und doch wie viele seinesgleichen meist krampfhaft „übersehen“ oder beschimpft wird. So „nebenbei“ bringt sie „Löcher in eurem sogenannten Sozialen Netz“ zur Sprache. Und endet mit ein wenig Sarkasmus.
Ein ebenfalls neues Mitglied in der Jury, Lisa Taschek, Deutschlehrerin und ORF-Mitarbeiterin in der Abteilung für Barrierefreiheit und Inklusion, würdigte den Text unter anderem so: Er „ist aber auch eine Einladung an uns, die Welt mit „Tipsys“ Augen zu betrachten. Inmitten der Traurigkeit und Verzweiflung schimmert tiefe Menschlichkeit und die Hoffnung auf Dazugehörigkeit durch.“
Zu einem Interview mit Daniela Tödling geht es in einem eigenen – hier unten verlinkten – Beitrag.
Eine besondere Auszeichnung beim „Ohrenschmaus“ erfahren kurze, meist gedichtete, Texte. Die bekannte Shoko-Manufaktur Zotter produziert in Zusammenarbeit mit diesem Literaturpreis eine Sonder-Edition, immer eine Doppelschokolade in ihrer Reihe „Labooko“, also zwei verschiedene Sorten. Werden die beiden schmalen Tafeln aufgeklappt finden sich die von der Jury ausgewählten Schoko-Preis-Texte. Dafür wird immer ein Motto vorgegeben, für dieses Jahr war es „Hoffnung“.
„Ein Leben ohne Hoffnung ist ein Leben ohne Süße“, schreibt auszugsweise Gabriele Fischer.
Der fast jedes Jahr mit einem Text im ausgezeichneten Feld zu findende Peter Gstöttmaier formuliert – auch wie immer – im Dialekt: „Hoffnung / is wia a Stiagnglanda / konnst die festhoidn / konnst die wieda aufrichtn…“
Ursula Teufl fasste es knapp auf den Punkt: „Hoffnung ist für mich, auf Dinge zu warten, die ich mag.“
Barbara Peintner beendete ihren 6-Zeiler so: „Hoffnung fühle ich im Körper drin, / da hofft der Bauch — vor allem auf Schokolade.“
Sie ist leider mittlerweile verstorben, hat aber noch zu Lebzeiten erfahren, dass ihr Text für die Schoko-Verpackung ausgewählt worden ist.
Die vier Schoko-Banderolen-Texte sind in dem unten verlinkten Beitrag vollständig veröffentlicht.
Neben Haupt- und Schoko-Text-Preise vergibt die Jury immer auch weitere Auszeichnungen, genannt Ehrenliste. Dies sind keinesfalls Trostpreise, sondern ebenfalls herausragende Kunstwerke – Auszüge daraus in einem eigenen, unten verlinkten, Beitrag. Dieses Mal sind es elf Texte – 202 aus Österreich, Deutschland und Südtirol waren eingereicht worden. Vielleicht besonders hervorzuheben das Wortspiel von Christian Mitter „normAal“.
Hier unten geht’s zu Auszügen aus diesen elf Texten.
Wie jedes Jahr wurden bei der Preisverleihung sämtliche ausgezeichneten Texte – vollständig – von einem renommierten Schauspiel-Duo fast szenisch gelesen. In diesem Jahr waren dies Dorothee Hartinger und Markus Hering, beide vom Burgtheater, das nun in der neuen Direktionsära wieder in der Kurzform „Burg“ heißen darf.
Für die musikalische Umrahmung im Raiffeisen-Saal am Donaukanal sorgte in diesem Jahr Sofia Reyna mit selbst geschriebenen und komponierten englischen Songs, die launig-lockere Moderation bewerkstelligten wie fast immer Dani Linzer und neu Stuart Safai. In Gebärdensprache übersetzten Sandra Doubek und Marietta Gravogl.
Literaturpreis für Schreibtalente mit Lernschwierigkeiten
Die von Franz-Joseph Huainigg 2007 gegründete Initiative vergab am 21. März 2025 zum 18. Mal Literaturpreise. Dieser Preis versteht sich auch als Möglichkeit, Schreibtalente zu fördern und entdecken. So werden Autor:innen bei der Herausgabe eigener Bücher unterstützt.
Darüber hinaus veranstaltet der Verein „Ohrenschmaus“ Schreibwerkstätten in allen Bundesländern und Lesungen und vergibt seit einiger Zeit alle zwei Jahre ein Schreibstipendium für eine Autorin oder einen Autor. Außerdem wurden mit Hilfe von Licht ins Dunkel Arbeitsplätze im Projekt Literatur-Bootschaft (Wortspiel nicht zuletzt wegen Zusammenarbeit mit dem Badeschiff am Donaukanal) geschaffen.
Gleichzeitig dient vor allem die feierliche, immer auch von musikalischen oder tänzerischen Darbietungen umrahmte Preisverleihung, auch dazu, diese Talente und ihre beeindruckenden Texte einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Dazu dient u.a. auch der inklusive Podcast auf YouTube – Link unten am Ende der Info-Box.
Anthologie der ausgezeichneten Texte 2025, mit einem Vorwort von Franz Joseph Huainigg.
80 Seiten
Verlag Buchschmiede
15 €
Zu einer ausführlicheren Leseprobe geht es hier
Und zur Besetellung des Buches da
Sorten: Mandelnougat mit Rosen & Kokostafel mit Kakaobutter (vegan!)
Vier Texte – von Gabriele Fischer, Peter Gstöttmaier, Barbara peintner, Ursula Teufl
Gestaltung: Grafik-Anstalt
Zu bestellen unter literaturpreis@ohrenschmaus.net
Moderation: Helen Zangerle
Musik: Orchester Ohrenklang
Technik: Josef Birkfellner
Produktion: Verein Ohrenschmaus – Aleksandra Pawlowska
Gefördert von: BMKÖS und BMSGPK
Unterstützt von: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
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