Tanzperformance junger geflüchteter Männer – im Garten eines Hauses für asylberechtigte Familien in Wien-Floridsdorf.
Männer, ganz in schwarz gekleidet. Sie könnten Vorstände einer Bank oder einer computer-nerdigen Firma sein, schreiten auf den Waschbetonplatten in Richtung eines langen Tisches. Schwarz gedeckt. Schwarze Kunststoffhandschuhe darauf.
Nun, dies deutet schon weniger auf die erste Vermutung. Der lange Tisch erinnert irgendwie an Trauer, Friedhof. Darunter schwarze Koffer. Nachdem sich die würdevoll – und doch irgendwie verängstigend wirkenden Herren die Handschuhe übergestreift haben, schnappen sie sich die Koffer und drehen eine Runde. Und noch eine …
Bis sie aus diesen Schlafsäcke auspacken, sich unter Bäumen und Büschen in Stoff-Schläuche verkriechen, ruhen. Scheinbar im Schlaf arges träumen, sich sehr unruhig bewegen, hervorkriechen und in Streit und Kampf geraten. Einer zieht sich gar in seinen Koffer zurück…
Klar, es geht um Flucht. Aber vor allem um die Frage und Suche danach „Was ist Glück!?“ wie es der künstlerische Leiter Hawy Abdel Rahman auf den Punkt bringt. Tänzerisch, performativ verarbeitet und dargebracht – begleitet von Gesängen und vor allem gesangsähnlichen Sounds. Als die Klänge von „Wiener Blut“ erklingen, könnten die Geflüchteten gerettet sein. Sehen sich aber einer „Einvernahme“ an dem besagten Tisch gegenüber. Die sie zu Aliens stempelt.
Iliya Hosseini, Morteza Mohammadi, Yasir Karimi, Ahmad Hazara und Tarik Abdulaziz tanzten und performten – begleitet von der Sängerin Elena Shirin am vergangenen Wochenende im Garten zwischen den beiden Gebäuden des Bruno-Kreisky-Hauses der Volkshilfe in Wien-Floridsdorf. 50 Familien aus gut zehn verschiedenen Herkunftsländern leben in den beiden Häusern „in jeweils eigenständigen Wohnungen, manche einige Monate, andere auch viele Jahre“, so Hausleiter Jozsef Ferencz zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr …
Übrigens: Die im Hintergrund zu sehenden bunten bemalten Wände waren bis vor wenigen Wochen grau. Kinder und Jugendliche aus dem Wohnhaus haben sie mit dem oben schon genannten Künstler farbenfroh gestaltet – mit der gleichen Ausgangsfrage, was für die einzelnen jeweils Glück bedeutet/bedeuten könnte.
Hawy Abdel Rahman und die meisten der Tänzer sind auch Teil eines seit Monaten entwickelten Tanztheaters samt Ausstellung von Werken bildender Kunst. „Kalaschnikow – mon amour“ über Männerwelt(en) ist ab 23. September 2021 im Dschungel Wien zu sehen. Junge Männer, die vor (Bürger-)Kriegen flüchten und dieses berühmte Maschinengewehr auf dem Unterarm tätowiert haben, weil es einerseits das (eigene) leben bedroht(e) und andererseits oftmals für Unabhängigkeits- und Freiheitskämpfe stand/steht.
Konzept, Choreografie: Corinne Eckenstein
Bühne: Hawy Abdel Rahman
Mit: Ali Reza Askari, Javid Hakim, Ahmad Hazara, Iliya Hosseini, Jasir Karimi, Morteza Mohammadi
Kostüme: Kareem Aladhami
Musik: Karrar Al Saedi
Video: Osama Rasheed
Projektleitung: Jennifer Vogtmann
Regieassistenz: Sophie Freimüller
23. bis 28. September 2021
9. bis 12. November 2021
28. bis 30. März 2022
Dschungel Wien: 1070, MseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20 – 20
dschungelwien -> Kalaschnikow – mon amour