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Szenenfoto aus "Siri und die Eismeerpiraten" im Wiener Theater der Jugend
Szenenfoto aus "Siri und die Eismeerpiraten" im Wiener Theater der Jugend
06.12.2023

Beherzter (fast) einsamer Kampf gegen Eiseskälte

Dichte, üppig illustrierte Theaterversion des spannenden, abenteuerlichen Romans „Siri und die Eismeerpiraten“ im Theater der Jugend in Wien.

Riesige Eisblöcke (aus Styrodor) beherrschen die meiste Zeit links und rechts die Bühne im Renaissancetheater. Dazwischen im Hintergrund videomäßig projiziert meist (hoher) Wellengang. Hin und wieder der hohe Bug eines großen, dunklen Schiffes. Ob dies, oder auch ein kleines Boot auf der Drehbühne oder Hütten-Fassaden – die Ausstatterin Christine Grimm schafft von Anfang an – und durchgehend die beiden Stunden – eine beeindruckende optische Atmosphäre für die abenteuerliche Geschichte „Siri und die Eismeerpiraten“ (nach dem Buch von Frida Nilsson, oft als Astrid Lindgrens schwedische Nachfolgerin bezeichnet) im größeren der beiden Häuser des Wiener Theaters der Jugend zu schaffen. Was im Übrigen auch für die meisten der Kostüme der acht Schauspieler:innen gilt – bzw. für viel mehr Outfits, da mit Ausnahme der beiden Gegenspieler:innen alle anderen in zwei bis sechs verschiedene Rollen – samt Kostümwechsel – schlüpfen müssen/dürfen.

Szenenfoto aus
Runa Schymanski als Siri

Die Story

Die zehnjährige Siri, durchgängig kämpferisch und sehr empathisch von Runa Schymanski verkörpert, wagt es, nach dem bösen Ober-Piraten Weißhaupt zu suchen. Mit ihm will sich sonst keiner anlegen. Aber Siri fühlt sich mitschuldig daran, dass dessen Männer ihre kleine Schwester Miki entführt worden ist. Weißhaupt überlässt alle materielle Beute seinen Piraten, er will ausschließlich Kinder. Die sind klein genug, um in den engen, niedrigen Gängen des Bergwerks auf seiner Insel zu arbeiten. Im ganzen Eismeer hält sich die Mär von einer Diamanten-Mine. Was sie nicht ist, aber hier nicht verraten werden soll.

Mehr über die ganze Geschichte in einer ausführlicheren Besprechung des zugrunde liegenden Buches gleich hier unten.

Zurück zur Umsetzung auf der Bühne – zwischen den Kulissenteilen – auf die vielleicht bei der Choreografie in den Phasen der Anwesenheit des Schiffs-Bugs zu wenig Rücksicht genommen wurde. Denn da würden die Spieler:innen eher durchs oder auf dem Wasser laufen und das zu Zeitpunkten, wenn die Meeresoberfläche noch nicht zugefroren ist.

Szenenfoto aus
Alexander Jagsch als Weißhaupt und Runa Schymanski als Siri

Kind vs. Ausbeuter

Während Runa Schymanski als Siri praktisch immer präsent ist, hat Alexander Jagsch als Pirat Weißhaupt nur im zweiten Teil fallweise seine eiseskalten Auftritte, mit der Erklärung seiner „wissenschaftlichen“ Sehnsucht. Für die er all die Kinder opfert. Was ihm genau gar nicht nahegeht. Der Diktatur seines Ziels ordnet er alles unter. Dafür darf sein ihm höriges, untergebenes Personal, das für die Kinder-Heranschaffung bzw. seine angenommene „Tochter“ Privilegien genießen.

Szenenfoto aus
Carmen Kirschner hier als Eisen-Anna

Vielseitig

Diese „Tochter“, genannt Taube wird verbittert hart von Carmen Kirschner gespielt, die dennoch ausstrahlt, dass diese Unterdrückung der Kinder nicht so ganz ihre Sache ist – aber sie hat sich den Umständen entsprechend einigermaßen wohlig eingerichtet. Kirschner spielt aber unter anderem auch noch die Wolfsjägerin Nanni und Eisen-Anna, die alles reparieren kann und aus Überfürsorge ihren Sohn Einar gar nicht aufs (zugefrorene) Meer hinauslassen will.

Szenenfoto aus
Weißhaupts „Tochter“ Taube und die Eiswölfin, die alternierend von Phillipp Laabmayr und Fayola Schönrock gespielt wird

Kind, Eiswölfin und mehr

Zu den Kindern im Bergwerk gehört natürlich Siris kleine Schwester Miki, die natürlich nur anfangs und gegen Ende – vor der Entführung und dann im Bergwerk als Siri und damit die Rettung schon nahe sind. Fayola Schönrock spielt aber nicht nur diese Miki, sondern auch die sicher im Schwitzkostüm auf allen vieren wandelnde Eiswölfin sowie noch einen Matrosen, einen Piraten und eine Einäugige.

Den schon angesprochenen Einar – er rettet Siri nach einem Absturz von einem Eisfelsen – gibt Phillipp Laabmayr, der auch in die Rolle von Frederik, dem rothaarigen Schiffskoch schlüpft, der einst seine Schwester Hannah auch an Weißhaupt verloren hat. Und sich deswegen als einziger Siris Suche nach dem Kinder-Räuber und -Quäler anschließt.

Szenenfoto aus
Frank Engelhardt, Uwe Achilles, Samuel Schwarzmann und Fayola Schönrock hier als Grubenkinder

Rollenwechsler

Frank Engelhardt darf nicht nur den fürsorglichen, doch schon ein bisschen gebrechlichen Vater von Siri und Mikki spielen, sondern muss auch noch als einer von zwei besonders Bösen, genannt Langbart, Siri aus dem Boot namens Tintenfisch ins Meer befördern. „Glatze“, sein Partner in diesem Verbrechen, ist Uwe Achilles, der auch schon zuvor als Kapitän Sturmbart auf der Polarstern Siri am Hafen in ein Lager gesperrt hatte.

Szenenfoto aus
Phillipp Laabmayr als Einar, Carmen Kirschner als Eisen-Anna und Runa Schymanski als Siri

Unterdrückung kann auch zu Entsolidarisierung führen

Die beiden sowie Samuel Schwarzmann sind neben Miki die Kinder im Bergwerk. Arg, aber wunderbar wie schon der Roman (übrigens aus dem Schwedischen übersetzt von Friederike Buchinger), aber auch die natürlich zwangsläufig stark gekürzte Theaterfassung von Karin Drechsel, die auch Regie führte, zeigt, dass Unterdrückte sich nicht automatisch wie vielleicht erwünscht miteinander solidarisieren, sondern durchaus eigene Hackordnungen errichten. Bei denen in diesem Fall Miki stets an unterster Stelle landete. Gegen Ende, nachdem Weißhaupt tot ist, die Kinder befreit sind, bleibt eines der Bergwerkskinder fast wie angewurzelt stehen und scheint gar nichts mit dieser neu gewonnenen Freiheit anzufangen können.

Auch diese Entsolidarisierung der Ausgebeuteten, sich das Dreinfinden in dieses Schicksal ist  neben der skrupellosen Unterdrückung durch den Diktator, der dafür seine Helfers-Helfer:innen fürstlich entlohnt, in dieser Geschichte und ihrer Inszenierung die klare Botschaft. Die aber nie zwangsweise oder aufgesetzt daherkommt, sondern sich aus der spannenden abenteuerlichen Story mit ihren Auf- und Ab-Wendungen ergibt.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Siri und die Eismeerpiraten

von Frida Nilsson
Übersetzung aus dem Schwedischen: Friederike Buchinger
In einer Fassung von Karin Drechsel
Ab 6 Jahren; 2 Stunden

Siri: Runa Schymanski
Miki / Matrose / Eiswölfin / Einäugige / Pirat: Fayola Schönrock
Papa / Langbart / Junge 1: Frank Engelhardt
Olav / Schiffsjunge / Hafenmeister / Hakenhand / Heldentat / Junge 3: Samuel Schwarzmann
Fredrik / Einar / Eiswolf: Phillipp Laabmayr
Weißhaupt: Alexander Jagsch
Nanni / Eisen-Anna / Hässliche / Taube: Carmen Kirschner
Sturmbart / Glatze / Junge 2: Uwe Achilles

Regie: Karin Drechsel
Ausstattung: Christine Grimm
Licht: Karin Drechsel und Christine Grimm
Dramaturgie: Sarah Caliciotti
Hospitanz: Lara Marie Schöttl

Wann & wo?

Bis 22. Jänner 2024
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: 01 521 10-0
tdj.at -> siri-und-die-eismeerpiraten