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Szenenfoto aus "Brennendes Haus"
Szenenfoto aus "Brennendes Haus"
06.11.2025

„Das hast du mir nie erzählt“

Sprachlosigkeit Angehöriger dreier Generationen in „Brennendes Haus“ im Theater Drachengasse (Wien), Vollversion eines der Nachwuchspreise.

Ein großes schiefes Holzbrett dominiert die Bühne – Rutsche, einfach Symbol für schiefe Ebene oder für in der Versenkung Verschwindendes, im Verborgen Gehaltenes, versunkenes Dach einer Holzhütte.

Um niemals Gesagtes, nicht einmal Erahntes dreht sich das ca. ½-stündige, immer wieder beklemmende Stück „Brennendes Haus“. Mit einer kurzen Entwurfs-Version des T4extes von Anaïs Clerc gewann das Team einen der Nachwuchspreise beim Bewerb in der vorigen Saison zum Thema „Stadtplan oder Wanderkarte“.

Bedrückend die Atmosphäre in einem Setting, das ein Haus auf dem Lande suggeriert. Namenlose drei Protagonist:innen, nur Die Kleinste (Marie Nadja Haller), Der Mittlere (Skye MacDonald) und Der Größte (Alexander Gerlini) genannt. Letztere schleppt sich zu Beginn mit einer elendslangen Stoffbahn (Kostüme: Tanja Maderner) auf die Bühne rund um das Brett. Nicht nur er, sondern alle drei werden sich darin einhüllen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Brennendes Haus“

Das (Kinder-)Bild

Wo ein rechteckiger Lichtfleck an die Wand projiziert ein Fenster simuliert, taucht später ein Bild auf – abstrakt, an eine frühe Kinderzeichnung erinnerndes Gemälde, das unschwer ein brennendes Haus erkennen lässt. Angefertigt von der Kleinsten in ihrer Kindheit. Sie hat den Hof verlassen, ist in die Stadt gezogen, um Schauspielerin zu werden. Wo sie beim Vorsprechen mit klischeebeladenen Vorurteilen gegen das „Landei“ konfrontiert wird. Und sie zur fragenden Feststellung veranlasst, ob sie dann nicht gleich mit dem Traktor anfahren hätte können oder sollen.

Sie kommt auf Heimatbesuch, weil der Größte gestorben ist. Hier empfängt sie, wovor sie eigentlich geflüchtet ist: Drückendes Schweigen, von erst nur spärlich tröpfelnden Worten und Sätzen, die oft aber mehr nichts als etwas sagen. Samt einer vorwurfsvollen Atmosphäre, warum sie denn weggegangen sei: „Das ist nicht die Zukunft, die wir uns für dich ausgedacht haben.“ Ihre offene Antwort: „Eine von euch zu sein, das wäre nicht mehr ich!“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Brennendes Haus“

Eigelb

Der Mittlere – schon lange in der Doppelrolle als Vater einer- und Sohn andererseits – scheint, ebenfalls ambivalent, nicht verstehen zu wollen, warum die Tochter nicht die Traditionen fortsetzt. Recht spät wird klar, dass auch er einen anderen Lebensentwurf im Sinn hatte. Übrigens ebenfalls künstlerisch, er wäre gern Maler geworden. Doch da hatte der Größte nur lapidar postuliert, Eigelb sei nicht zum Malen, sondern zum Kochen und Essen da.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Brennendes Haus“

Wein statt weinen

Und doch ist die Sache nicht so linear. Denn nach und nach wird aus der rückblickenden Erzählung klar, dass der Leberschaden, an dem er verschieden ist, darauf beruht, dass er nicht reden konnte / wollte, weil er sonst weinen hätte müssen und so zum Wein griff. Und das, weil er als Kind schon am Hof fast sklavenartig schuften musste – und außerdem der Dorfpfarrer gegenüber dem kleinen Buben sexuell gewalttätig geworden war. „Traubenwelt“ wird die Trunksucht des Alten genannt – und klingt beim ersten Mal fast wie „Traumwelt“.

Amelie von Godin, die auch die Bühne gestaltete, inszeniert brennendes Haus beklemmend-berührend. Vieles schwebt zwischen den Zeilen, verdeutlicht die Sprachlosigkeit dadurch, dass noch mehr als gesprochen wird, durch Angetipptes gesagt wird. Und obendrein in den Köpfen des Publikums vielleicht mit dem einen oder anderen aus dem eigenen oder anderen bekannten familiären Leben verbinden könnte.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Brennendes Haus

von Anaïs Clerc
Regie, Bühne: Amelie von Godin
Schauspiel
Der Größte: Alexander Gerlini
Die Kleinste: Marie Nadja Haller
Der Mittlere: Skye MacDonald

Kostüme: Tanja Maderner
Regieassistenz: Carlotta Wachotsch

Rechte bei S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Wann & wo?

Bis 15. November 2025
Dienstag bis Samstag; 20 Uhr
Theater Drachengasse
1010 Wien, Fleischmarkt 22 / Eingang Drachengasse 2
Telefon: 01 512 13 54
drachengasse –> brennendes Haus

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