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Probenszene aus "Herr der Diebe" - Regisseur mit einem Teil der "Diebsbande"
Probenszene aus "Herr der Diebe" - Regisseur mit einem Teil der "Diebsbande"
15.11.2023

Dieser Ort hat etwas von einem venezianischen Palazzo

KiJuKU-Interview mit dem Regisseur des diesjährigen Burgtheater-Familienstücks „Herr der Diebe“. Auf Wunsch des Burgtheaters wurden – vorerst – alle Fotos und Videos, die beim Probenbesuch gemacht worden sind, aus diesem Beitrag entfernt. Nach nunmehriger Freigabe dürfen diese wenigen Fotos den Text auflockern.

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte eineinhalb Wochen vor der Premiere bei einer Probe für das Familienstück „Herr der Diebe“ in der Burgtheater-Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz zuschauen – diese Proben-Reportage ist weiter unten verlinkt. Und in einer Probenpause den Regisseur, Rüdiger Pape interviewen.

KiJuKU: Erstens Danke, dass ich bei einer Probe dabei sein darf und zweitens schon vorab für das Interview. Wurdest du für dieses Stück angefragt, oder hast du es selbst vorgeschlagen?
Rüdiger Pape: Das haben wir zusammen gemacht. Ich wurde angefragt, hier wieder ein Kinderstück zu inszenieren. Dann haben wir viele Stücke gelesen, hin und her gewälzt, welches könnte es sein. Die Brücke zu „Herr der Diebe“ ist im Grunde genommen das Kasino selber. Das Buch war zwar schon mit im Topf der in Frage kommenden Stücke, aber der Ort hier hat ja so etwas von einem venezianischen Palazzo. Die Anmutung der Architektur hat auf jeden Fall eine Assoziation zu Venedig. Irgendwie matcht das, wie man so modern sagt.

KiJuKU: Das heißt, eigentlich war der Ort ausschlaggebend für die Auswahl des Stücks?
Rüdiger Pape: Ja schon, natürlich waren wir uns auch einige, dass die Geschichte großartig ist, Cornelia Funke ist einfach eine super Autorin. 2018 hab ich mal „Tintenherz“ inszeniert am Schauspiel Frankfurt. Sie kann Geschichten schreiben und erfinden, die sowohl Kinder als auch Erwachsene faszinieren. Das finde ich immer ganz wichtig. Und sie kann eine klassische Abenteuergeschichte mit fantastischen Elementen verbinden. Das finde ich fürs Theater spannend.

Aber es war hier schon auch mit einem Risiko verbunden. „Herr der Diebe“ wird normalerweise mit großem Ensemble auf großer Bühne gespielt. Aber hier, das war dafür eine tolle Herausforderung, finde ich.

KiJuKU: Was hat dich an „Herr der Diebe“ fasziniert?
Rüdiger Pape: Neben der spannenden Abenteuergeschichte dieses Element, dass einige der Kinder sich wünschen, erwachsen zu sein, und einem der Erwachsenen gern Kind wäre. Dadurch, dass dies durch das Karussell dann möglich wird, kriegt das durch diesen Dreh fast so einen philosophischen Aspekt.

KiJuKU: Beim Schreiben der eigenen Fassung bist du dann von bisherigen Bühnenversionen ausgegangen oder hast nochmals auf den Roman selbst zurückgegriffen?
Rüdiger Pape: Ich bin nur vom Roman ausgegangen, ich hab eine Bühnenfassung gelesen aber wieder weggelegt. Ich dachte, ich versuche einen eigenen Weg zu gehen. Außerdem hat es natürlich Einfluss auf die Fassung, wie viele Schauspielerinnen und Schauspieler hast du zur Verfügung, hier eben wenige. Wir arbeiten mit Doppelbesetzungen, Arthur spielt sogar vier verschiedene Rollen (Detektiv, Hehler, Scipios Vater und den Conte, der den Diebstahl des hölzernen Löwenflügels beauftragt). Katharina Pichler spielt die böse Tante Esther und Ida, die gute Warmherzige.

KiJuKU: Dann hattest du den Roman vor dir, die Anzahl der Spieler:innen – hast du dann einen großen Bogen skizziert, oder Szene für Szene geschrieben?
Rüdiger Pape: Was die Texte angeht bin ich eng bei Cornelia Funke geblieben. Ich hab vor allem geschaut, welche Szenen können und welche will ich jedenfalls zeigen. Manches haben wir einfach ganz weggelassen – und das vermisse ich auch gar nicht, etwa die Barbarossa-Geschichte hintendran mit Esther.

Das sind einerseits inhaltliche und andererseits auch ganz pragmatische Gründe, warum wir manches weglassen.

KiJuKU: Du hast dann beim Schreiben schon die Szenen im Kopf oder vor deinem geistigen Auge?
Rüdiger Pape: Das ergibt sich dann alles nach und nach. Wobei da auch das Bühnenbild eine große Rolle spielt. Dadurch, dass das so ein offener Raum ist, arbeiten wir ganz anders. Wir schieben ja keine Kulissen raus und rein, sondern bieten so eine Art Imaginationsraum an. Wobei das Publikum ja sieht, wie die Spieler:innen das Gestänge immer wieder in neue Orte verwandeln.

KiJuKU: War das eine gemeinsame Entscheidung, so einen flexiblen Raum zu schaffen?
Rüdiger Pape: Das war schon auch ein Zufall – mehr dazu in der Probenreportage, wo Bühnenbildnerin Flavia Schwedler das KiJuKU erklärt. Es gibt ja den berühmten Spruch, den ich persönlich so mag: „Der Zufall begünstigt diejenigen, die darauf vorbereitet sind.“

KiJuKU: Warst du auch bei der Entscheidung über die Schauspieler:innen dabei?
Rüdiger Pape: Ja, wir haben zwei Studentinnen von der MuK (), wir hatten Casting, die haben vorgesprochen.

KiJuKU: Was sind die wichtigsten Elemente an dieser Geschichte?
Rüdiger Pape: Einmal ist es der Traum, so eine Bande zu haben, die unabhängig von Erwachsenen, fast wie autark ihr eigenes Leben schafft. Fast jede und jeder von uns, die an dem Stück beteiligt sind, hatte irgendwie so eine Bande. Aber hier geht es ja nicht nur um diese romantische Vorstellung, sondern diese Waisenkinder kämpfen ja ums Überleben, das ist harter Existenzkampf.
Dann die Erwachsenenwelt, die feindlich erscheint. Die Tante ist, naja, sagen wir, emotionsarm. Der Victor hat seinen Detektiv-Auftrag, aber der ändert seine Meinung, womit wir eine schöne Drehung einer Person haben – wo sich Einstellungen verändern und wir eine Entwicklung mitverfolgen können; eine Erkenntnis, dass die Kinder es schaffen, so zu leben, aber andererseits fehlt ihnen Schutz und alle sehen sich nach einer Art Familie – auch wenn sie selber gemeinsam wie eine solche funktionieren.

KiJuKU: Die Figur des Scipio kommt zwar aus sehr privilegiertem Haus, ist aber dank der ständigen Abwesenheit des Vaters doch auch so etwas wie ein Sozialwaise. Gleichzeitg lügt er seine neue Familie die ganze Zeit an.
Rüdiger Pape: Das ist eine ganz interessante Figur, finde ich – die Mutter kommt bei uns gar nicht vor und auch im Roman spielt die keine Rolle. Der Vater distanziert sich stark von seinem Sohn, kann mit ihm gar nichts anfangen, lässt jede Wertschätzung fehlen. Dieser Scipio sucht sich sozusagen diese neue Familie, die Bande, die er gründet und in die er als Diebsgut Zeug mitbringt, das er zu Hause mitnimmt. Der lebt dann in zwei Welten, täuscht beide Seiten und baut ein Lügengebäude auf. Dass das dann auffliegt und was das nicht nur mit ihm, sondern der ganzen Gruppe macht – das ist unheimlich spannend. Aber so wie das gebaut ist, können wir ihn verstehen, warum er so handelt. Und natürlich hat er dann den größten Wunsch, erwachsen zu werden, um aus dieser Situation irgendwie rauszukommen.

Eigentlich haben alle Figuren, die hier vorkommen, interessante Aspekte. Mich interessieren auch diese emotionalen Geschichten der einzelnen Figuren. Wespe ist die Schlaue, Riccio ist ein wenig grober gestrickt, Prosper sorgt sich um seinen kleinen Bruder Bo, ist aber selber erst so 13 oder 14 Jahre – also viel zu viel Verantwortung für seine Jugend. Bo ist noch viel zu klein, betrachtet alles sehr naiv. Und Victor (Detektiv) hat zum Beispiel so einen Moment, wo er sich betrachtet und fragt, weiß ich eigentlich noch, wie ich mit fünf Jahren war – das geht dann so über den einfachen Erzählstrang einer spannenden Abenteuergeschichte hinaus. Also sehr vielseitig und spannend.

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