„Nachsagungen“ von Marlene Streeruwitz, gespielt von Gerti Drassl im Theater Kosmos Wien.
Umgrenzt von einem sehr stark hell leuchtenden Rahmen spielt sich das Geschehen in „Nachsagungen“ von Marlene Streeruwitz im Wiener Kosmos Theater auf der Bühne meist in düsterem Dunkel ab. Aus diesem Dunkel holt die Solo-Schauspielerin Gerti Drassl – fallweise mit Schattenfiguren hinter der riesigen Stoffwand von einem blutroten Streifen senkrecht in der Mitte optisch geteilt – fiktive, an Realitäten angelehnte, Schicksale ermordeter Frauen sehr nahegehend und berührend, nicht selten wütend machend ans Licht.
Mittlerweile hat sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in den meisten Medien der Begriff Femizide statt verharmlosender Familientragödien oder Beziehungsdramen durchgesetzt. Getötet, weil Frau, weil nicht willenloses, untertäniges Besitztum des männlichen Täters.
Und dennoch bleibt das Schicksal der Opfer noch immer viel zu oft im Dunkeln – bei der Berichterstattung über die Taten ebenso wie später über die Gerichtsverhandlungen. Dies durchbricht die auf den ersten Blick einfache, durch das Schauspiel aber auch die wechselnden Lichtstimmungen andererseits vielschichtige Inszenierung (Künstlerische Leitung: Laura Andreß, Stefan Schweigert; Bühne & Licht: Martin Siemann). Streeruwitz‘ knappe Sätze, die viel „Luft“ zum Sickern lassen, bringen Qualen und Leiden mehrerer einzelner Frauen – teils bis zur subtilen Unerträglichkeit – nahe. Auch in der Szene, in der Drassl in die Rolle eines pensionierten Polizisten in dritter Generation schlüpft, der aufgrund mehrere Einsätze bei „häuslicher Gewalt“ depressiv wurde.
Klare Sätze wie „niemand ist am eigenen Mord beteiligt“ fallen und die Wut, den Täter am liebsten auch abschlachten zu wollen. Hin und wieder lockern skurrile Details auf die „im Baumarkt gibt es ein Angebot für Grabpflegegeräte – kleine Schaufel und Rechen ineinandergesteckt“.
Über eine Sozialarbeiterin – im Stücktext hat sie wie auch alle anderen noch einen Namen (Zarima Kos), auf der Bühne (leider meist) nicht – bringt „Nachsagungen“ die „Einzelfälle“ in den oben schon genannten Zusammenhang des Gesamtbildes Femizid. Und in einen größeren von Gewaltketten, auch mit Kriegen. Die Sozialarbeiterin ist selbst aus Sarajewo vor dem Krieg geflüchtet. „So ist Gewalt. Ewige Ketten. Ewige Erbschaften. Die Gewalt ist die Sprache, die da gewählt wird.…“ (Aus dem Stück)
Und nein, diese strukturelle patriarchale Gewalt ist keine importierte – wie das so gut und gern von so manchen verbreitet zu werden versucht wird. Das kommt in der letzten Lebensgeschichte der „Überlebenden“ – im Stücktext Elisabeth König (77) explizit zum Ausdruck, wo Franz, der Täter die zusammengeschlagene Ehefrau, von der er ausging, dass sie schon tot ist, liegenlässt, um zu seiner Probe als Musiker im Konzerthaus zu eilen.
PS: Auf Wunsch des Theaters wurden die im ursprünglichen Text eingebauten Zitate fast alle gestrichen.
von Marlene Streeruwitz
Monolog mit Schatten-Statistinnen; eine Stunde
Künstlerische Leitung: Laura Andreß, Stefan Schweigert
In allen Rollen
Marianne Takacs, 51 / Kanzleileiterin
Petra Kronbichler, 29 / Angestellte in einem Supermarkt; ehemalige Freundin des Opfers
Hanni Burger, 63/ Lehrerin, Frühpensionistin, Mutter der ermordeten Tochter
Manfred Holzner, 71 / pensionierter Polizist
Karin Kastner, 35 / Sachbearbeiterin. Geschieden
Zarima Kos, 56 / Sozialarbeiterin
Elisabeth König, 77 / Überlebende): Gerti Drassl
Statist:innen als Schatten hinter einem großen Vorhang durchscheinend zu sehen: Wessal Ahmadi, Johanna Babits, Anne Decker, Uschi Feldbaumer, Aurelia Lanker, Marketa Maxera, Bianca Rabel
Bühne & Licht: Martin Siemann
Kostüme: Sophie Baumgartner
Sound Design: Philipp Pettauer
Produktion: Felix Huber
Regieassistenz: Alina Bertha
Assistenz: Rebekka Utesch
Bis 11. Mai 2024
Kosmos Theater Wien: 1070, Siebensterngasse 42
Telefon: 01 523 12 26
Kosmos theater wien -> Nachsagungen
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