Anita Zieher setzt mit ihrem jüngsten Stück Maria Emhart ein theatrales Denkmal – derzeit im Theater Drachengasse (Wien).
Unaufgeregt, ein bisschen auf Frau aus vor Jahrzehnten gekleidet und gestylt (Maske: Tina Kern), schlüpft die Schauspielerin in die Rolle einer solchen. Bisher meist von berühmten Persönlichkeiten: Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg, Marie Curie, Lise Meitner, Hedy Lamarr, Käthe Leichter, Marie Jahoda… Mit diesen hätte die Protagonistin des neuesten Stücks von Anita Zieher und ihrem Portraittheater den Vergleich auch gar nicht zu scheuen gebraucht. Doch wer kennt schon Maria Emhart? Außer vielleicht in Bischofshofen, wo sie jahrelang Vizebürgermeisterin – und zwar die allererste in ganz Österreich – war. Und wo ein Platz nach ihr benannt ist. In St. Pölten trägt eine Straße ihren Namen und in Wien ein Weg in der Donaustadt (22. Bezirk).
Trotz der Benennungen weiß kaum wer was über die Frau, die Zieher in ihren 1¼ Stunden im Untertitel „Rädelsführerin im Kampf für Demokratie“ – derzeit im Wiener Theater Drachengasse (Regie: Margit Mezgolich; siehe Info-Box) – nennt. Mit Margarthe Ottilinger hatte die Theaterfrau übrigens vor einem Jahr auch eine kaum bekannte Wirtschaftspionierin in einem Bühnenstück portraitiert.
Von der armen Kindheit in einer Barackensiedlung im niederösterreichischen Pyhra (Bezirk St. Pölten) als ältestes von fünf Kindern der Landarbeiterin Marie und des Eisenbahners Johann Raps aufgewachsen, arbeitete sie schon als 14-Jährige in der Glanzstoff-Fabrik, wurde Betriebsrätin, übernahm Verantwortung als sich andere sozialistische Funktionäre in den Februarkämpfen 1934 wegduckten und war eine der beiden Hauptangeklagten im großen Sozialistenprozess 1936. Damals später viel prominenter gewordene Mitangeklagte u.a. Bruno Kreisky, Franz Jonas… Aus der Rede Emharts im Prozess zitiert Zieher ebenso wie aus anderen Reden und Erinnerungen. Möglichst authentisch will die Schauspielerin immer ihre Protagonistinnen vermitteln. Beantragt war die Todesstrafe, die Zeugen widersprachen einander, was die Aktivitäten in den Tagen nach dem 12. Februar 1934 betrafen, 18 Monate Kerker lautete das Urteil.
Ihr „Koarl“, der Ehemann von dem sie den Namen hat, musste sich aus Sicherheitsgründen scheiden lassen, sie lebten kurz nach ihrer Freilassung dennoch wieder zusammen – in St. Pölten. Er, ein Eisenbahner, wurde strafversetzt. Sie zog mit ihm nach Bischofshofen.
In der Nazizeit under cover schickte sie Lebensmittelpakete an Rosa Jochmann im Konzentrationslager Ravensbrück, blieb heimlich in Kontakt mit Genoss:innen der Revolutionären Sozialist:innen. Nach 1945 intensive Arbeit am Wiederaufbau der Heimatstadt, politisches Engagement in der Landes-SPÖ, Mitglied des Landtages, später des Nationalrates (1953 bis 1966).
Soweit die Fakten. Zieher wechselt zwischen Erzählungen aus dem Leben und Reden, die Emhart gehalten hat. Vermittelt trotz aller Sachlichkeit nicht zuletzt auch die Emotionen des Widerstands, des Kampfes gegen Feinde der Demokratie. Aber auch der Geringschätzung der (politischen) Arbeit von Frauen – auch in der eigenen Partei. Und setzt damit einer – (noch?) immer viel zu wenig bekannten Pionierin ein lebendiges szenisch erzähltes Denkmal.
1¼ Stunden
Text mit Originaltexten von Maria Emhart, Rosa Jochmann sowie ZeitgenossInnen; UND Schauspiel: Anita Zieher
Regie: Margit Mezgolich
Maske: Tina Kern
Wissenschaftlicher Berater: Thomas Lösch, Stadtarchiv St. Pölten
Bis 25. Oktober 2024 und
5. – 9. November 2024
Theater Drachengasse
1010, Fleischmarkt 22 / Eingang Drachengasse 2
Karten-Telefon: 01 513 14 14
drachengasse -> Maria Emhart