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Szenenfoto aus "Do you belieeeeve in Life after Love"
Szenenfoto aus "Do you belieeeeve in Life after Love"
16.03.2025

Endlich Früchte der Erkenntnis essen…

„Do you belieeeeve in Life after Love?“, eine witzig bis traurig-ernste Performance von Schauspiel-Absolvent:innen der MUK (Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien), über Schöpfungsmythos und patriarchale Verhältnisse.

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“ Mit dem biblischen Schöpfungs-Mythos beginnt die 1¼-stündige Performance „Do you belieeeeve in Life after Love?“ (ausgehend vom ersten Top-10-Hit der US-amerikanischen Rockband Huey Lewis and the News) mit unterschiedlichsten Teilen – witzig-ironischen und brutal-traurigen. Letztere unter anderem aus der Literatur, gespeist durch reale Gewalt gegen Frauen. Kern, der sich durchzieht: Darstellung und Auseinandersetzung mit patriarchalen Verhältnissen (noch zu erleben am Sonntag, 16. März im Dschungel Wien – siehe Info-Box).

Und so rückt die Arbeit der vier vormaligen Studierenden der MUK (Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien), Hannah Joe Huberty, Paul Clementi, Felix Werner-Tutschku, Leonid Sushon, schon im einleitenden Mythos die erste große Fehlstelle der christlichen Bibel ins Zentrum: Lilith. Die erste Frau, die nach dieser Vorstellung von Gott erschaffen wurde – und dies gleichzeitig mit Adam, dem Manne.

Lilith ersetzt durch Eva

Weil sie auf ihre Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit pochte und sich im nicht unterwerfen wollte, was er gern gehabt hätte, verließ sie das Paradies. Er bettelte Gott um eine neue Frau an und bekam aus einer seiner Rippen Eva.

Spannenderweise steht in der Bibel (Luther-Übersetzung): „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf einen Mann und ein Weib.“ Und nur wenige Seiten später ist dann die Rede davon, dass der Mensch, in dem Fall offenbar aber der Mann, allein war und er eben diese Rippengeburt erledigte.

In die biblische Phase mischt das Quartett (Künstlerische Betreuung: Dora Schneider, Markus Meyer) schon den für große Lacher sorgenden bewussten Versprecher: „Seid furchtbar und mehret euch“ statt fruchtbar.

Dating-Shows

Es folgt die Persiflage auf TV-Dating-Shows mit männlichen Helden und Frauen, die per Lichtsäulen buzzern samt Animation des Publikums in Sprüche miteinzustimmen. Szenen, die scheinbare männliche Größe durch Lächerlichkeit schrumpfen lassen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Do you belieeeeve in Life after Love“

Hier eingebaut ein „Match“ zwischen Marie (der vorherigen Lilith-Darstellerin) und Franz – und den Übergang zu einer Art Hintergrund-Talkshow über dieses Paar, fast zwei Jahrhunderte zurückversetzt – in Georg Büchners Woyzeck, in dem Franz die Ehefrau ersticht. Büchners Romanfragment hatte übrigens ein reales Vorbild mit tatsächlichem Namen Woyzeck; Letzteres zu erwähnen wäre schon gut statt den Autor zu verdächtigen, er hätte in diesem Fragment willkürlich Partei für den Mörder ergriffen.

Femizide

Von da an wird’s heftig. Auseinandersetzung mit verharmlosenden (medialen) Darstellungen der Ermordung von Frauen mit Begriffen wie Liebesdrama, Tat aus Leidenschaft und ähnlichem bekanntem – und dem entgegenstellend „Femizid“, ermordet, weil Frau und nicht Eigentum oder unterworfen sein wollend… Samt einer rund zehnminütigen Lesung eines Kapitels aus Yvonne Widlers „Heimat bist du toter Töchter“ über die Tirolerin Larissa, die von ihrem – einheimischen – Freund ermordet wurde.

Scham muss Seite wechseln

Doch so heftig und gleichzeitig auch niederschmetternd will das Stück das Publikum nicht entlassen. So wird einerseits groß der Schriftzug „Die Scham muss die Seite wechseln“ über die ganze Breite der Bühne projiziert. Es handelt sich um das berühmt gewordene Zitat von Giséle Pelicot rund um den wenige Monate zurückliegenden Prozess gegen ihren Ehemann und Dutzende weitere Männer. In Frankreich hatte er die Ehefrau an Dutzende andere Männer zur Vergewaltigung verkauft. Und mit diesem Spruch, vor allem dieser Haltung kämpfte sie sich aus der Rolle des Opfers in die der moralischen Anklägerin. Die Täter müssen beginnen sich zu schämen, ihr Unrecht einsehen.

Äpfel-Verteilung

Mit einer wieder witzigen Aktion schließen die vier jungen Schauspieler:innen den Bogen zurück zur „Bibel“. In einem Video sind sie zu sehen, wie sie an verschiedensten Orten aus einem Korb heraus Äpfel der Erkenntnis verteilen. Wurden Eva und Adam von Gott aus dem Paradies vertreiben, weil sie die Früchte vom Baum der Erkenntnis aßen, so geht es doch genau darum zu erkennen, wieso Männer aus unterschiedlichsten Machtgelüsten zu Mördern an Frauen werden.
Übrigens platzieren die Spieler:innen am Ende auch im Foyer des Theaterhauses Dschungel Wien

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Do you belieeeeve in Life after Love“
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Do you belieeeeve inn Life after Love?

Stückentwicklung zu patriarchalen Strukturen – entstanden als Eigenarbeit während der Schauspielausbildung an der MUK (Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien)
Schauspiel + Performance + Show
Ab 15 Jahren; 1¼ Stunden

Von und mit: Hannah Joe Huberty, Paul Clementi, Felix Werner-Tutschku, Leonid Sushon
Künstlerische Betreuung: Dora Schneider, Markus Meyer

Wann & wo?

Sonntag., 16. März 2025
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> do-you-belieeeeve-in-life-after-love

Spiel im Rahmen des von Dschungel Wien, WuK, Burgtheater, NEST (Neue Staatsoper im Künstlerhaus) organisierten

Slup Festivals

Bis 23. März 2025
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