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Szenenfoto aus "Solastalgia"
Szenenfoto aus "Solastalgia"
26.10.2023

Fällt der Baum, stirbt der Mensch

Schauspielstudierende berühren mit der Umsetzung des nicht ganz so einfachen Textes „Solastalgia“ im Kasino am Schwarzenbergplatz.

Gleich vorweg: Dieses Stück und mindestens genauso die Umsetzung durch der fünf Schauspielstudierenden samt Regie, Choreografie und Bühnenbild verdienen sich mehr Publikum als bei der zweiten Aufführung im Kasino am Schwarzenbergplatz. Definitiv. Ob’s daran lag, dass es Sonntagabend war oder eventuell auch am sperrigen Titel sei dahingestellt.

Stirbt der Baum, stirbt der Mensch – so beginnt das kurze (knapp mehr als eine Stunde) Spiel fast schockierend. Der erste (Tristan Witzel) kommt auf die Bühne – wie später auch seine Kollg:innen mit Dreadlock-Perücke, die an eine Baumkrone erinnert – geht einige Schritte und fällt. Ähnlich Sophie Borchhardt, Laura Schlittke, Flo Sohn und – in diesem Fall die Dramaturgn Christina Schlögl, die spontan für die erkrankte Sarah Wockenfuss einspringt und deren Rolle einliest.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Solastalgia“

Tafelbilder

Alles spielt sich auf grünen Teppichen mit weißer alter Schrift ab – Kunstrasen, Spielfeld oder Schultafel? Das – inhaltsstarke – Programmheft verrät: Bühnen- (und Kostümbildnerin) Kathrin Krumbein „zitiert die Ästhetik der Handschriften von Joseph Beuys (1921 – 1986) und David Mowaljarlai (1925 – 1997)“. Im Hintergrund steht im Zentrum ein halbkreisförmiges Metallgerüst über einer verrosteten großen Schiffsschraube – aus Styropor gebaut). Immer wieder erklettert die eine und der andere der Schauspieler:innen den Bogen, um von oben zu sprechen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Solastalgia“

Baum und Mensch

Thomas Köck hat in „Solastalgia“ (Begriffsklärung weiter unten) den großteils noch unsichtbaren Tod der natürlichen Wälder mit einem sterbenskranken „Vater“ verknüpft – Ignoranz in beiden Fällen (in letzterem mit persönlichem Bezug des Autors). Dem Quintett gelingt es den – teils doch sperrigen, immer wieder sehr reflexiven – Text von seiner Schwere befreit zwar bedeutungsschwanger aber doch mit einer spielerischen Leichtigkeit zu transportieren. Der Ernst der Lage landet im Kopf des Zuschauern/Zuhörers (in dem Fall männlicher Singular, weil nur das eigene Erlebnis beschreibend) und berührt durch die Art der Inszenierung (Regie: Christina Rast) ohne je niederschmetternd zu wirken. Wobei hier die Musik von Bo Wiget einen nicht unwesentlichen Beitrag liefert.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Solastalgia“

Der Abend thematisiert zentral – und doch nicht belehrend – die Absurdität, dass auf der einen Seite Aufenthalt im Wald als so erholsam („Waldbaden“) promotet, mit „Heimat“ ideologisch aufgeladen wird. Andererseits existieren kaum mehr wirklich natürliche Wälder, sondern praktisch nur mehr wirtschaftliche „Nutzflächen“ monokultureller Bäume. Die noch dazu so gepflanzt wurden, um sie möglichst effizient schlägern zu können. Übrigens erlauben erst die Monokulturen (übrigens vorwiegend aus Skandinavien importierte Fichten) den großflächigen Befall von Schädlingen wie dem so berühmt gewordenen Borkenkäfer. Zusätzlich verlangt der Klimawandel, dass neue Baum-Arten angepflanzt werden müssen, die dem Temperaturanstieg standhalten.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Solastalgia“

Solastalgia …

… – viele mussten/müssen sich vor dem Besuch der gleichnamigen Vorstellung erst schlau machen, dass dies für „Verlorengehen eines trostspendenden, geliebten Ortes“ steht, wie es in der Kurzbeschreibung des Burgtheaters zum Stück heißt. Oder wie wikipedia schreibt: „Solastalgie bezeichnet ein belastendes Gefühl des Verlustes, das entsteht, wenn jemand die Veränderung oder Zerstörung der eigenen Heimat bzw. des eigenen Lebensraums direkt miterlebt. Geprägt wurde der Begriff 2005 durch den australischen Naturphilosophen Glenn Albrecht. Der Begriff Solastalgie ist ein Neologismus, eine Kombination aus dem lateinischen Begriff sōlācium (Trost) und der griechischen Wurzel -algia (Schmerz, Leiden, Krankheit).“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Solastalgia“

Trost spendet die Aufführung nicht, könnte sie auch nie und nimmer, ist die Lage doch in der Wirklichkeit ziemlich grenzwertig. Den Schmerz über das Leiden und die Krankheit – sowie die mangelhafte Gesundungsstrategie – greift das Stück auf und verschafft Hilfe bei der Bewältigung durch das Herstellen größerer Zusammenhänge. Die eine oder andere kleine Maßnahme wird keine Abhilfe schaffen, es bräuchte Umdenken in Richtung grundsätzlicherer Systemänderungen.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Solastalgia

von Thomas Köck
Koproduktion Burgtheaterstudio und Max Reinhardt Seminar
Ab 14 Jahren; 70 Minuten

Regie: Christina Rast
Es spielen
Sophie Borchhardt
Laura Schlittke
Flo Sohn
Tristan Witzel
Christina Schlögl für die erkrankte Sarah Wockenfuss

Bühnenbild, Kostüme: Kathrin Krumbein
Musik: Bo Wiget
Dramaturgie: Christina Schlögl
Licht: Martin Hofer, Enrico Zych
Ton: Moritz Schauer
Requisite: Stephan Wallensteiner
Bühnentechnik: Dominik Hofmann

Regie-Assistenz: Alexandru Weinberger-Bara
Kostüm-Assistenz: Olga Benkelmann
Inspizienz: Stefanie Schmitt
Soufflage: Monika Brusenbauch

Wann & wo?

Spieltermine in der gesamten Saison 2023/24
Burgtheater, Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz 1; 1010 Wien
burgtheater -> solastalgia

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