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Coriolanus (Lukas Haas) dient sich dem einstigen Feind, Tullus Aufidius (Philipp Dornauer) als verbündeter für einen Rachefeldzug an
Coriolanus (Lukas Haas) dient sich dem einstigen Feind, Tullus Aufidius (Philipp Dornauer) als verbündeter für einen Rachefeldzug an
30.03.2022

Gedrillte Kriegsmaschine und Volks-Zertreter

„Coriolanus“: Ein bemerkenswertes Diplomprojekt am Max Reinhardt Seminar mit leider großer Brandaktualität.

Dass ihre Diplominszenierung derart brandaktuell würde, dachte weder die nun absolvierte Regisseurin – noch sonst kaum jemand. Vor allem hofft(e) es niemand. Einmal noch – am 30. März 2022 – ist die verdichtete, auf wenige – insgesamt sechs – Personen reduzierte und dadurch übersichtlich gestraffte Bühnen-Belegschaft von William Shakespeares „Coriolanus“ in der Regie von Azelia Opak zu erleben.

Szenenfoto aus
Lukas Haas als Coriolanus

Des Sohnes Wunden versetzt sie in Entzücken

Caius Marcius, der nach dem Sieg der Römer über die Volsker und deren Metropole Corioli den titelgebenden Patriziernamen bekam, ist DER anführende Soldat schlechthin. Außer Kämpfen hat er nichts gelernt. Stolz auf seine Wunden. Noch stolzer darauf ist seine Mutter Volumnia. Fast ekstatisch wirkt sie, wenn sie über die Verletzungen als Tapferkeits-Beweise ihres Sohnes schwärmt. In der kleinen Studiobühne des Max-Reinhardt-Seminars, wo es bei voller Publikumsbesetzung recht rasch ziemlich warm wird, verströmt Judith Richter als Coriolanus‘ Mutter fast Eiseskälte. Kalt rinnt es einem im Publikum zusätzlich über den Rücken, weil da grausame Bilder aus dem jüngsten Krieg in der Nachbarschaft sich in den Kopf drängen.

Volks-Verachtung

Doch sein Kriegs-Heldentum ist ihr nicht genug. Der Bub soll auch noch Konsul werden. Das würde sie noch stolzer machen. Dazu drängt sie ihn – dabei unterstützt von ihrem Mann, Menenius Agrippa (Jens Ole Schmieder), der sonst eher den unangestrengten Adeligen gibt. Der Mutter zuliebe tut Coriolanus – Lukas Haas, frei von eigenem Willen zur Kampfmaschine gedrillt – praktisch alles. Aber um Konsul zu werden, müsste er zum Volk reden, von diesem gewählt werden. Da versucht er sich erstmals gegen einen Mutter-Wunsch zu sträuben. Denn das Volk ist ihm so was von zuwider. Und zu oder gar mit den Plebejern zu reden sowieso.

Szenenfoto aus
Uwe Reichwaldt als Sicinius, einder der beiden Volksvertreter, kommt aus dem Bühnen-Untergrund auf diese gekrochen

An- und vorgebliche Volksvertreter

Die Regisseurin fokussiert, wie sie in Gesprächen und auch im Programmheft vermittelt, eher auf „die Geburtsstunde des Populismus“. Dazu lässt sie zwei Tribunen – Sicinius Velutus (Uwe Reichwaldt) und Junius Brutus (Paul Hüttinger) als intrigante Volksvertreter auftreten. Die scheinen erst Zustimmung zur Konsul-Ernennung zu signalisieren, wenn der Adel wenigstens ein wenig von den Getreidevorräten zu geringeren Preisen rausrückt. Schließlich hungert das Volk. Auch wenn es sich durch Kriege und Siege wie solchen mit denen der Titelheld – samt gut einem Dutzend weiterer Wunden – zurückgekehrt ist, ablenken lässt. Aber das geht nicht auf Dauer, die beiden Volksvertreter stellen sich gegen die Konsul-Würde, ja überhaupt gegen Coriolanus. Er wird aus der Stadt gejagt.

Szenenfoto aus
Sicinius (Uwe Reichwaldt) und sein Tribunen-Kollege Junius Brutus gespielt von Paul Hüttinger

Rache als Glücksdroge

Und sinnt auf Rache. Tullus Aufidius, den Anführer der Volkser, den er erst kürzlich besiegt hatte, soll sein Verbündeter werden. Wenn der mit ihm Rom bekämpft, dann begibt er sich gar in dessen Dienste. Der Moment n dem er sich mit Aufidius (Philipp Dornauer) handelseins wird, ist Coriolanus emotionalster Moment. Da scheint er wirklich glücklich zu sein. Dieses einander näher Kommen der beiden Kämpfer – auch wenn von der Statur fast gegensätzlich – vereint beide mehr als zufrieden.

Szenenfoto aus
Der Sohn kniet vor der Mutter (angeschnitten im Vordergrund)

Doppelagent

Opak hat trotz vieler Verdichtungen und Straffungen dem Shakespeare’schen Coriolanus eine kleine Wendung hinzugefügt. Sie lässt mit Sicinius einen der Volksvertreter zum Doppelagenten werden, die intrigant sich das Vertrauen der Volsker erwirbt und so sein eigenes Süppchen kocht. Wie überhaupt er und sein Kollege, ein wenig clownesk agierend, vermitteln, das Volk ist ihnen ziemlich egal. Sie haben eher ihre Freude daran, dieses zu manipulieren, um selbst ein eher gemütliches Dasein zu führen. Da ist fast noch der permanente Krieger weniger unsympathisch als die Tribunen.

Musik

Neben dem Schauspiel bestimmt auch die bewusst gewählte und gesetzte Musik die Atmosphäre und Stimmung des Stücks: Aus der „Coriolan Ouvertüre“ von Ludwig van Beethoven (in einer Aufnahme der Berliner Philharmoniker in der Nazizeit – in der Coriolan sehr verehrt wurde als das soldatische Vorbild). Am Ende spielt hingegen Sophie Rigvava live am Klavier Franz Schuberts „Die Krähe“ (aus dem Zyklus „Die Winterreise“).

Ein anderes die Atmosphäre bereicherndes Element ist das Bühnenbild (Felix Huber), eine drehbare Mauer – gülden auf der einen, tiefschwarz auf der anderen Seite.

Szenenfoto aus
Seltenheit: Innige Umarmung von Sohn Coriolanus (Lukas Haas) und seiner Mutter (Judith Richter)

Eine Art Happy End – im Gegensatz zum Original

Volumnia reist aus Rom nach Corioli, wirft sich vor dem Sohn auf den Boden, um ihn dazu zu bewegen. Rom nicht zu vernichten. Da ist ihr (Überlebens-)Wille einmal stärker als ihr Stolz. Und Coriolanus zerkracht sich mit seinem neuen Best Buddy, erringt einen Siegerfrieden, lässt Rom und die Mutter am Leben gegen viel Gewinn für die Volsker. Aber Aufidius besänftigt das nicht.

Weiter geht‘s

Gerade am Volk und seinen Vertretern werde sie noch weiter arbeiten, verrät die nun diplomierte Regisseurin. Denn das Stück wird im Herbst andernorts – wo das dar hier noch nicht preisgegeben werden – aufgeführt. „Und ich hätte gerne Live-Musik, am liebsten Streicher, denn Beethoven vom Band das geht eigentlich gar nicht“, so Azelia Opak zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

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Szenenfoto aus
Auch eher untypisch: Menenius Agrippa (von Jens Ole Schmieder kalt und abgehoben gespielt) umarmt seine Lebensgefährtin Volumnia (Kampfmaschinendrillerin Judith Richter)
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Coriolanus

William Shakespeare
Diplominszenierung von Azelia Opak

Es spielen
Caius Martius Coriolanus: Lukas Haas
Menenius Agrippa: Jens Ole Schmieder*
Mutter Volumnia: Judith Richter*
Sicinius Velutus: Uwe Reichwaldt
Junius Brutus: Paul Hüttinger*
Tullus Aufidius: Philipp Dornauer*

(* als Gast)

Autor: William Shakespeare
Übersetzer: Frank Günther
Regie & Fassung: Azelia Opak

Bühnenbild: Felix Huber
Kostümbild: Noémi Borcsányi-Andits
Maske: Ines Streif & Michelle Waismayer
Kostümassistenz: Joseph Köberl
Licht: Ralf Sternberg
Ton: David Lipp
Regieassistenz: Derya Satir & Sophie Rigvava

Musik: Ludwig von Beethoven, Coriolan Ouvertüre, Op.62 (Berliner Philharmoniker, Wilhelm Furtwängler, live aus Berlin 1943) &
Franz Schubert, Die Krähe, aus dem Liederzyklus „Die Winterreise“, Op. 89, D. 911: XV – live am Klavier gespielt von Sophie Rigvava

Wann & wo?

30. März 2022; 19.30 Uhr

Neue Studiobühne im Max Reinhardt Seminar: 1140, Penzinger Straße 7

Kartenreservierung unter
Telefon: 01 711 55 2802
mrs@mdw.ac.at

ACHTUNG: für Publikum gilt 2G

maxreinhardtseminar -> Coriolanus