Ensemble 21 gastiert im Theater Arche mit „Cissy & Hugo a Caracas“ bis fast Mitte November 2025.
„Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“ singt die Darstellerin. Was vielleicht schräg bis absurd klingen mag, ist eine sehr frühe, in leichtem, fast ohrwurmartigem Ton daherkommende Anklage gegen das, was als „häusliche Gewalt“ thematisiert wurde und wird. Und das rund um 1960, eher noch ein massives Tabu.
Während sich ihre Freundinnen und Verwandten alle den einen oder anderen Luxusartikel, meist zum Anziehen erträumten, wünscht sich die Sängerin eben einen Vorderzahn, „Den meinen schlug der Ferdinand mir ein“. Samt Erkenntnis: „Ich weiß bis heute nicht, warum er das getan / Aus Liebe kann es nicht gewesen sein.“
Mit einem schwarzen Fleck im Oberkiefer singt Rita Luksch diesen alten Schlager, einen der bekanntesten aus dem Universum des Duos Cissy Kraner (1918 – 2012) und Hugo Wiener (1904 – 1993). Sie sang und interpretierte, was er komponierte und textete; wobei Wiener auch für andere – und nicht nur Liedtexte – verfasste.
Die älteren im Publikum kennen diese alten Schlager, ihre Interpretin sowie den Verfasser der Musik und der Texte vielleicht, sehr wahrscheinlich sogar. Jüngeren werden sie aller Voraussicht nach (noch) nichts sagen. Wie auch immer, Rita und Georg O. Luksch (Multiinstrumentalist und mitunter verkleidet nicht nur als Hugo Wiener) laden mit ihrem rund zweistündigen Programm (eine Pause) ein auf eine amüsante, abwechslungsreiche musikalische Zeitreise und Ausflüge in die Geschichte. Hugo Wiener musste 1938 vor den Nazis, die die Macht übernommen hatten und von allzu vielen Bewohner:innen unterstützt wurden, flüchten. Und selbst das konnte er nur, weil ihm ein bekannter Schauspieler und Sänger (Fritz Imhoff) einen Blankoscheck für die „Reichsfluchtsteuer“ ausstellte.
Mit der Revuebühne Femina, die eine Einladung in die kolumbianische Hauptstadt Bogotá bekommen hatte, konnte er – aber nicht seine Familie, die später großteils in Konzentrationslagern ermordet wurde – entkommen; mit in der Crew Cissy Kraner, die eigentlich Gisela Maria Spitz hieß. Bei früheren Auftritten wurde oftmals ihr Name falsch geschrieben und so nutzte sie einen der Fehler Cissy statt Gisi als Beginn ihres Künstlerinnen-Namens.
In Südamerika heirateten die beiden, eröffneten in der Hauptstadt Venezuelas eine Bar mit ihrer beiden abendlichen Auftritten – sie singen, der Klavier spielend. Weshalb das Duo Rita und Georg O. Luksch ihren Abend auch „Cissy & Hugo a Caracas“ nennen; der ist übrigens noch bis fast Mitte November an den Wochenenden in der Theater Arche zu erleben – Details, siehe Info-Box am Ende des Beitrages. Die Bar, in der Cissy auf Spanische, Englisch, Französisch, Deutsch und Niederländisch sang, wurde bald zum Treffpunkt für geflüchtete Europäerinnen. Sie wurde aber so berühmt, dass auch manche Promis aus dem amerikanischen Kontinent zu Besuch kamen, unter anderem die First Lady aus den USA, Eleanor Roosevelt.
Mit gut einem halben Dutzend Umzügen – manche Kleidungsstücke oder Accessoires, inklusive einer Perücke liegen auf einem kleinen Tisch und einem Sessel bereit, andere holt sie aus der neben der Bühne liegenden Garderobe – singt Rita, die den Abend auch inszeniert hat und erklärende Zwischentexte verfasst hat, als Cissy Kraner. Ohne jedoch – wie so manch Original-Aufnahmen, die online zu finden sind – zu kopieren oder imitieren. Die berühmte Chanson-Sängerin brachte viele der Lieder oft selbstironisierend in einer Art kindertümelnder Akzentuierung zu Gehör. Rita Lukschs Interpretation ist eine eigene, meist ernster klingende.
Was ziemlich genau im Sinne des berühmten Vorbildes sein müsste, die eine eigen- und selbstständige Persönlichkeit gewesen sein muss, unter anderem entgegen familiärem Rat die Laufbahn als Sängerin und Kabarettistin einschlug, klassische Rollenbilder in den ihr von Hugo Wiener sozusagen auf den Leib geschriebenen Chansons humorvoll in Frage stellte bzw. ad absurdum führte.
Georg O. Luksch sitzt – wie stets in den Produktionen beider Gruppen, Ensemble 21 – wie in einer Art musikalischer Steuerungszentrale mit mehreren herkömmlichen, aber wie immer auch ungewöhnlichen Instrumenten. Hier hauptsächlich als Hugo Wiener an einer Klavier-Tastatur, bedient er aber auch ein Glockenspiel in einem aufgeklappten Kunststoff-Köfferchen, kleine Bongo-Trommeln und nicht zuletzt ein Theremin, ein vor rund 100 Jahren erfundenes elektronisches Instrument, das ganz ohne Berührung, aber über Annäherung und Distanz an die / von den Antennen Töne erzeugt. Der Multi-Instrumentalist hat übrigens direkten familiären Bezug zur Protagonistin. Sein, schon verstorbener, älterer Bruder Rudi hat als Akkordeonist Cissy Kraner begleitet und jahrelang das Konzertcafe Schmid Hansl geleitet, wo Cissy Kraner auch oft aufgetreten ist. Der Vater von Rudi und Georg, Georg Luksch senior, hat mit Hugo Wiener Nummern geschrieben.
Die Lukschs spielen nicht nur vorne auf der Bühne, sondern werden immer auch begleitet von Videos im Hintergrund. Sind die Bewegtbilder in vielen der anderen stücke eher experimenteller Natur, so hat Erich Heyduck dieses Mal viele historische Fotos und Dokumente von Kraner und Wiener zum Laufen gebracht – bis hin zur Passagierliste des Dampfers „Costa Rica“, mit dem die beiden von Amsterdam nach Bogotá flüchten konnten. „Diese Bilder hat uns die Autorin Ruth Contreras geschickt, ihre Eltern haben auch auf diesem Schiff Europa 1938 verlassen“, wie Rita Luksch Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… anvertraut.
dj-elektra-und-die-voll-oage-familie <— damals noch im Kinder-KURIER
Musik-Theater; ca. 2 Stunden (eine Pause)
Ensemble 21
Text, Regie, Gesang: Rita Luksch als Cissy Kraner
Musik: Georg O. Luksch als Hugo Wiener
Hintergrund-Videos, großteils aus historischen Fotos und Dokumenten: Erich Heyduck
Technik: Daniel Csitaru
Unterstützendes Team: Miriam Duron, Julius Fischer
1., 2., 10. Und 11. November 2025
Theater Arche: 1060, Münzwardeingassse 2a
Telefon: 0677/63471533
ticket@ensemble21.at
kupfticket –> cissy-hugo-a-caracas
Ensemble21 –> cissy und hugo in caracas
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