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25.10.2025

Kinderchor als Retter:innen zur Befreiung der „gefesselten Phantasie“

Kinderoper Wien nahm sich Ferdinand Raimunds Zauberspiel her und macht daraus ein kompaktes, amüsantes, buntes Musiktheater mit Profis und singenden Kindern.

Busstation Atzgersdorf Bildungscampus. Der an der Breitenfurter Straße mit einer hohen Nummer, fast schon 200 liegende Backsteinbau beherbergte viele Jahre nachdem die hier angesiedelte Sargfabrik dicht gemacht hatte, offene Kulturräume. Die große und eine kleinere Halle harren einer Renovierung und möglichen Nutzung. Dahinter und rundum, wo lange Brachland war, sind Wohnbauten und eben ein Bildungscampus sozusagen aus dem Boden geschossen. „F23“, das Kulturzentrum ist in den gleich dahinterliegenden neunstöckigen Bau ins Erdgeschoß, einen Teil des ersten Stocks sowie einen Teil des Kellers eingezogen. Der Keller – mit Schwingboden – ein Tanz- und Yogaraum.

Uraufführung

In einem weiteren der hellen, mit großen Fensterfronten ausgestatteten Neubauten „residiert“ die Zentrale von Junge Theater Wien. Diese Initiative bringt neuerdings in diesem 23. Bezirk von Wien, namens Liesing, sowie in den Bezirken 10 (Favoriten), 11 (Simmering), 21 (Floridsdorf) und 22 (Donaustadt) darstellende Kunst – Sprech-, Tanz-, Musik- und Figurentheater, Performances, Neuen Zirkus – für ein junges Publikum (2 bis 22 Jahre) vor Ort.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die gefesselte Phantasie“ nach Ferdinang Raimund von Kinderoper.Wien

Und hier fand knapp vor dem Nationalfeiertag die Uraufführung einer neu geschriebenen und -komponierten Version ausgehend von Ferdinand Raimunds Original-Zauberspiel „Die gefesselte Phantasie“ statt, in einer nicht nur stark verdichteten, sondern doch stark veränderten Version der Kinderoper.Wien / die Wiener Taschenoper.

Der Plot

Zunächst super verkürzt die Story: Auf der – im Original Halb-, hier ganzen – Insel Flora ist Phantasie allgegenwärtig. Alle hier dichten, singen, tanzen, komponieren, malen oder was auch immer. Böse Zauberschwestern – hier eine Person mit einer weiß und einer schwarz bemalten Gesichtshälfte – erobern die Idylle, nehmen die Phantasie gefangen. Nun geht es darum, diese wieder zu befreien. Und dabei spielt die Liebe der Königin von Flora, Hermione, zu Amphio, einem geheimnisvollen, dichtenden Schafhirten, eine große Rolle.

Neuer Text, neue Musik

Sarah Scherer, hat sich für ihr Libretto, den Text einer Oper, nicht nur den Einbau einer Künstlichen Intelligenz (KI) ausgedacht, die digitale Avatare für Video-Projektionen (Stephanie Meisl), erschafft, sondern auch für viel Verwirrung sorgt. Der Hirte, der nicht nur seine Schafe, sondern dauern alles zählt, setzt, obwohl einen Abakus in Händen, dann nur auf 0 und 1. Allerdings ohne wirklich ins binäre Zahlensystem einzutauchen, sonst müsste er ja 0, 1, 11, 110, 101 statt nun 0, 1, 0, 1 und so weiter statt 1, 2, 3, 4, 5 zählen 😉 Aber das mag ein wenig unsympathisch besserwisserisch daherkommen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die gefesselte Phantasie“ nach Ferdinang Raimund von Kinderoper.Wien

Scherer führte auch Regie und bauten – auch schon in den Text – einen Kinder-Chor ein. Die rund eineinhalb jungen und jüngsten Sängerinnen und Sänger vom Campus Monte Laa (Favoriten, 10. Bezirk) sind natürlich DIE Rettung für die Phantasie. Christof Dienz komponierte für die rund einstündige Aufführung die Musik, die live von Benny Ommerzell (Synthesizer), Matti Felber (Schlagwerk) und Manu Mayr (E- und Kontrabass) auf engstem Raum (Bühne: Katarina Ravlic) neben den Sänger:innen gespielt wird.

Witze erzählende Hofnärrin

Zu den Sänger:innen – Ana-Marija Brkić (Königin Hermione, Sopran), Brett Pruunsild (Haus- und Hofdichter Distichon, Bariton), Jakob Pejcic (dichtender Hirte Amphio, Tenor) und der doppelgesichtigen böse Zauberschwester (Mezzosopran, jetzt Johanna Zachhuber, im November dann Anna Clare Hauf) gesellt sich – ohne Gesang, dafür schon vor Beginn, wenn das Publikum in den Saal kommt, Witze erzählend Eszter Hollósi als Närrin (in Raimunds Original „natürlich“ ein Narr).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die gefesselte Phantasie“ nach Ferdinang Raimund von Kinderoper.Wien

Der Saal im F23 ging bei der Premiere praktisch über, so manche Auftritte und Abgänge vor allem des Kinder-Chors mussten sich ihren Weg fast erst bahnen, umso größer der begeisterte Applaus am Ende, saßen die Zuschauer:innen doch fast mitten im Geschehen.

Phantasie-voll

Die verdichtete, aber nie zu dichte Oper mit ihren Arien und amüsanten Zwischenspielen sowohl musikalischer als auch textlicher Art, witzigen Einfällen wie einem kleinen Wollschaf auf der Mütze Amphios oder ein riesiges „Papier“-Schiff des Hof-Dichters in einem Zeitungspapier-Anzug als nur eines der fantasievollen Kostüme (Denise Leisentritt) endet natürlich – wie auch Raimund Original vor fast 200 Jahren (1828) mit Happy End.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Die gefesselte Phantasie“ nach Ferdinang Raimund von Kinderoper.Wien

Retter:innen

„Spring aus den Mustern / Denk quer, nicht gerade. / Wir brauchen ein Netz / Das größer ist als Zahlen!“, singt Hermione an Amphio gewandt. Und als die Phantasie wieder frei ist, singen hier viel ausführlichere Chöre, zunächst alle, dann der Hofdichter, sowie danach die Königin und der dichtende Hirte, den Schlusspunkt setzen die Kinder als Verkörperung der Phantasie: „Niemand gewinnt, niemand verliert / kein Weg ist fest / kein Ziel bestimmt, / Doch vor des Zufalls Melodie / verbeugt sich tief – die Phantasie!“

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Die gefesselte Phantasie

Nach Ferdinand Raimunds „Original-Zauberspiel“
Kinderoper.Wien
Musiktheater; ab 6 Jahren; rund eine Stunde

Musik: Christof Dienz
Libretto & Regie: Sarah Scherer

Hermione (Sopran): Ana-Marija Brkić
Närrin (Sprechrolle): Eszter Hollósi
Distichon (Bariton): Brett Pruunsild
Amphio (Tenor): Jakob Pejcic
Die böse Zauberschwester (Mezzosopran): Johanna Zachhuber (Oktober) / Anna Clare Hauf (November)
Die Phantasie: Kinder-Chor des Campus Monte Laa
Avatare – KI-Avatare – im Video

Live-Musik
Synthesizer: Benny Ommerzell
Schlagwerk: Matti Felber
E-Bass / Kontrabass: Manu Mayr

Bühne: Katarina Ravlic
Video: Stephanie Meisl
Kostüme: Denise Leisentritt
Licht: Thomas Klawatsch

Wann & wo?

19. November 2025
10 und 14 Uhr
Kulturhaus Brotfabrik: 1100, Absberggasse 27 / Stiege 3

20. November 2025
17.30 Uhr
Kulturgarage Seestadt: 1220, A-Ostrom-Park 18

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