Boulevardkomödie in einer Version von Michael Niavarani in der Waldviertler Kammerbühne in Ottenschlag.
Wer – gerade in C…-Zeiten gerne einmal viel und ausgelassen lachen möchte, ist noch bis Sonntag in der ziemlich neuen Waldviertler Kammerbühne ganz gut aufgehoben bei „Das perfekte Desaster Dinner“ in einer Bearbeitung von Michael Niavarani. Für Besucher:innen, die nicht in der Gegend wohnen, gar aus Wien kommen, ist zwar die Anreise – naja nicht einfach, öffentlich vor allem die Rückreise nicht mehr möglich, aber die Belohnung für die Autofahrten hin und zurück sind entspanntes und entspannendes Lachen in dieser Boulevardkomödie von Marc Camelotti („Madame, es ist angerichtet“) – auch wenn so manche Klischees eher bedient als hinterfragt werden.
Der rote Faden des Stücks – bevor der Inhalt hier knapp zusammengefasst wird: Lügen. Kaum eine der beteiligten sechs Bühnenfiguren sagt die Wahrheit, am ehesten noch Schorschi (Michael Konicek), der in den letzten Minuten einen Kurz-Auftritt hat. Er ist der Ehemann von Susanne, der Thai-Köchin eines Abendessens im Wochenendhaus von Jacqueline (Angela Schausberger) und Stefan (Raimund Stangl). Erstere sollte gar nicht da sein, sondern das Wochenende bei ihrer Mutter verbringen. Deswegen hatte der nicht mehr ganz junge Mann das Model Susanna (Isabella Mach), seine Geliebte, zu deren 26. Geburtstag hierher eingeladen. Und dazu seinen Freund von Kindergartentagen an. Dieser Robert (Michael Mittermeir) sollte, für den Fall, dass die Ehefrau doch überraschend auftauchen würde, Ausrede dienen. Dann wäre er der Freund Susannas. Was Stefan nicht weiß, Robert ist Jacquelines heimlicher Geliebter. Als die Ehefrau erfährt, dass Robert kommt, sagt sie das Mutter-Wochenende ab. Ist das schon kompliziert genug, heißt die Köchin, die mit dem Trolley mit den Zutaten kommt, Susanne (Johanna Mucha) – oder wird kurzerhand so genannt und als Roberts Freundin ausgegeben, muss also jetzt ein Model spielen, weil Stefan sie so seiner Ehefrau „verkauft“ hat. Und als zu guter Letzt noch das echte Model, also Stefans Geliebte antanzt, muss die in die Rolle der Köchin schlüpfen. Was sie – erraten – nicht wirklich kann.
Auch wenn das alles sehr kompliziert klingt, das Ensemble sehr turbulent spielt (bei der Aufführung, die Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … sah, mit einigen schaumgebremsten Minuten) kriegt das Publikum keine Knöpfe im Hirn, die Schauspieler:innen etablieren ihre Rollen klar, auch wenn sie als Figuren in dem Lügenkonstrukt oft selber nicht mehr auszukennen scheinen. Immerhin ändern sie es mittendrin – so wird aus Roberts „Geliebter“, der Köchin als Model, auf einmal seine Nichte.
Während alle Figuren ziemlich Stress haben – ständig laufen sie Gefahr, dass ihre Flunkereien auffliegen könnten – darf die Köchin, die von anderen gedisst wird, weil sie so gar nicht einem Model-Bild entsprechen würde, ihren Riesenspaß haben, geht sie in ihren Verwandlungen auf und kassierte noch für jede zusätzliche Lüge einen 100er – bar auf die Hand.
Wie praktisch überall in Theatern litten auch die hier engagierten Schauspieler:innen unter zwangsweisen Verschiebungen und daran, „dass du oft beim Proben schon gewusst oder befürchtest hast, dass die angesetzten Premieren ohnehin nicht stattfinden“, sagen sie nach der Aufführung im Gespräch mit dem hier schreibenden Journalisten. „Aber was wir hier sehr stark und deutlich spüren ist eine große Dankbarkeit des Publikums, dass sie endlich doch wieder ins Theater dürfen.“ Immerhin zählen Bühnen zu den sichersten Orten: Zutritt nur mit 2 G, teilweise sogar 2 G Plus; FFP2-Maske die gesamte Zeit, fix zugewiesene Sitzplätze (fürs Contact-Tracing wichtig) …
Und was die fünf – mit Ausnahme Michael Mittermeirs – „überrascht hat, wie offen wir von der ganzen Bevölkerung aufgenommen worden sind“. Für die Spielserien – Donnerstag bis Sonntag – bleiben sie in dem Ort im südlichen Waldviertel. Die Ende Dezember neu eröffnete Bühne hat gleich eine Theaterwohnung für bis zu sieben Schauspieler:innen mit errichtet.
Mittermeir war nicht überrascht, er lebt seit 17 Jahren und ist so etwas wie Mastermind hinter dem neuen Theater – dazu mehr in einem eigenen Beitrag. Er selbst hätte sich übrigens anfangs eher als der Ehemann Stefan gesehen, „weil ich aussehensmäßig nicht dem attraktiven Liebhaber entspreche, sondern eher dem langjährigen Ehemann“, sagt er dem Reporter. „Aber der Regisseur hat mich überzeugt, dass es für diese Rolle nicht so sehr aufs Äußere ankommt.“
Regisseur Daniel Pascal hat nicht nur den Theaterintendanten überzeugt, sondern alle für die jeweiligen Rollen ge-castet und unisono meinen diese: „So wie wir jetzt besetzt sind, passt das voll“. „Voll, das Lieblingswort von Model-Darstellerin Isabella Mach, die Köchin spielen muss, deren junger Geburtstag schief läuft und die mit ihren beiden Zöpfen und einer textlichen Anspielung an Pippi Langstrumpf so gar nicht weiß, was sie eigentlich hier tut und worum’s geht. Das wissen alle anderen Figuren auch in ihrer zunehmenden Verstrickung auch immer weniger. Wenngleich alle auch mit einem gewissen Augenzwinkern spielen, so dass du als Zuschauer:in das Gefühl hast, sie wissen eh alle, dass sie ihre Rollen „nur“ spielen. Und dann immer wieder doch von der einen oder anderen Wendung überrascht sind.
Daniel Pascal zeichnet auch für die Bühne verantwortlich – ein gediegenes Landhaus-Wohnzimmer mit etlichen Türen, Auf- und Abgängen für die Komödie mit einem Beziehungskonstrukt, dessen Verbindungen sich von Szene zu Szene mehr verknoten.
Boulevardkomödie von Marc Camoletti in einer Bearbeitung von Michael Niavarani
Regie und Bühne: Daniel Pascal
Es spielen:
Jacqueline: Angela Schausberger
Stefan, ihr Ehemann: Raimund Stangl
Robert, ihr Liebhaber: Michael Mittermeir
Susanna, Model, die eine Köchin spielen muss, Stefans Geliebte: Isabella Mach
Susanne, Köchin, die ein Model spielen muss: Johanna Mucha
Schorschi, Susannes Ehemann: Michael Konicek
Kostüme: Alexandra Jäger
Regieassistenz: Michael Konicek
Licht: Michael Mittermeir
Rechte: Thomas Sessler Verlag
Bis 30. Jänner 2022
Waldviertler Kammerbühne
3631 Ottenschlag, Unterer Markt 10
Telefon: (0 28 72) 61 221
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