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Montage aus vier Fotos - drei Szenenfotos und einem Voraus-Foto der Theaterwild:Werkstätten 2022
Montage aus vier Fotos - drei Szenenfotos und einem Voraus-Foto der Theaterwild:Werkstätten 2022
12.05.2022

Münzen statt Bananen? Muss Geld die Welt regieren? Von Wollen und Wünschen

Festival der Theaterwild:Werkstätten auf allen drei Bühnen im Dschungel-Wien, dem Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier.

Geld regiert die Welt – dem bekannten Spruch fügen Kinder und Jugendliche beim aktuell laufenden Theaterwild:Festival im Dschungel Wien (MuseumsQuartier) ein Fragezeichen hintendran. Mit ihren – in monatelanger Arbeit entstandenen – Stücken und Performances der verschiedenen Altersgruppen stellen sie die herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die praktisch alles dem Geld unterordnet, in Frage.

Denn entgegen so mancher Beteuerungen oder Hoffnungen zu Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren, hat das große Umdenken, die Neuordnung von Werten so ziemlich genau gar nicht stattgefunden. „Koste es was es wolle“ galt/gilt offenbar nur für jene Bereiche, die sich rund ums Geld drehen. Für die anderen bleibt bestenfalls Applaus.

Muss das alles so sein? Aufzeigen, wie’s ist und (schau-)spielerisch erforschen, ob’s nicht vielleicht auch anders möglich wäre – auf diesen Weg hatten sich rund 70 Kinder und Jugendliche in den vier Theaterwild:Werkstätten gemacht. Beim derzeit laufenden Festival, bei dem alle drei Bühnen des Theaterhauses für junges Publikum auch von Kindern und Jugendlichen bespielt werden, zeig(t)en sie die Abschlussarbeiten – Stücke und Performances.

Mon(k)ey

Verkleidet als Äffchen – und damit das aus dem Englischen kommende Wortspiel der Nähe von Affe (Monkey) und Geld (Money) nutzend – tanzten die Kinder der Werkstatt „Wildfang“ über die Bühne 3, wählten eine Affenkönigin, hatten natürlich (Stoff-)Bananen, bauen stattdessen aber eine Maschine zur Produktion von Münzen – in Bananenform.

Dass ein Großteil des Publikums allerdings noch lange nicht zum Umdenken bereit ist, zeigte auch die Hektik und das Engagement bei einer in die Performance eingebauten Versteigerung. Die Zuschauer:innen hatten beim Eingang Spiel-Geldscheine erhalten.

Robinia Hood

Große und riesige Jutesäcke mit Euro-Zeichen darauf als Sitzgelegenheiten zeigen in den Talkshow-Runden mit „Leti“ gleich plakativ, worum sich die Welt (noch?) dreht. Die Jugendlichen der „Wildfang“ genannten Werkstatt schlüpfen dabei in die unterschiedlichsten Rollen: Der reiche Schnösel findet sich hier sowie seine Schwestern im Geist, ebenso – jede Talkshow braucht ihre Dramaturgie – arme Schlucker:innen, aber auch eine Erbin, die das ungerecht findet und für Umverteilung eintritt.

Die jugendlichen Schauspieler:innen flechten in ihre theatralen Auftritte immer wieder so manche Fakten ein – etwa, dass in Österreich das reichste Prozent der Bevölkerung allein 40 Prozent des gesamten Vermögens besitzt. Doch als Schattenfigur scheint durch den Vorhang im Hintergrund der Bühne eine junge Frau an ihrem Laptop auf – sie ist die geheimnisvolle Robinia Hood, Hacker-Queen mit Umverteilungs-Mission. Konkret materialisiert durch Werfen von (Schoko-)Goldmünzen aus den schon genannten Geldsäcken ins Publikum. Und doch stellen die Kids der Show auch das wieder zur Diskussion, ob’s so einfach funktionieren würde.

Tanz der Einkaufswagen

Über den Kopf gezogene goldfarbene Mützen, so dass die Gesichter verschwinden, Tanz mit erst leeren metallenen Einkaufskörben und -Wagerln, Wechsel zwischen rasant und mehr als bewundernswerter Uruurur-Langsamkeit – das steht für die Performance der „Wildwechsel“-Werkstatt. Titel: „Wollen“.

Mehr, immer mehr musst du wollen, um ein Mensch zu sein – Sprüche aus der Marketingwelt des totalen Konsumdrucks werden von den jugendlichen Darsteller:innen immer wieder ins tänzerische Schauspiel eingeflochten. Sogar die sorgsam aufgestellten menschlichen Rümpfe (mit Art Strümpfen überzogene Teile von Schaufensterpuppen) müssen von Einkaufswagen weggerammt oder händisch in die Ecke geworfen werden.

Doch halt – Streit und Innehalten gegen Ende samt Kampfrufen, keine Waren mehr sein zu wollen.

Wünsche, Taschengeld und …

Viele Luftballons zieren den Bühnen-Hintergrund. Mit solchen in Händen entern auch die neun jungen Darsteller:innen die Bühne. Sie – das wird sich noch herausstellen – stehen, nein schweben stellvertretend für Wünsche. Materielle – in dieser Kategorie nennen die Kinder der Werkstatt „Wildwasser“ in „Wunschlos“ vor allem Handys und (Haus)Tiere – aber auch immaterielle wie Gerechtigkeit. Und – Achtung Spoiler-Alarm – ein geplatzter Luftballon symbolisiert erfüllte und nicht geplatzte Wunschträume.

Wie viel Taschengeld sie selber bekommen und was eine Studie über den Durchschnitt des Taschengeldes ergibt, bauten die neun jungen Schauspieler:innen (eine war erkrankt, die anderen haben kürzestfristig deren Part übernommen) ebenso ein wie ein altes, recht bekanntes Märchen.

Gruppenfoto zu
Vorausfoto zu „Wunschlos“

Dafür setzte sich immer ein/e andere/r des Teams in einen gemütlichen Lehnsessel, las abschnittsweise „Vom Fischer und seiner Frau“ vor. Das Märchen hatte Philipp Otto Runge Anfang des 19. Jahrhunderts geschrieben und es wurde von den Gebrüdern Grimm in ihre Sammlung aufgenommen. Jeweils zwei andere Kinder schlüpfen in die Rollen von Ilsebill und ihres Ehemannes.

Der Fischer rettet einem sprechenden Fisch, den er gefangen hat, das Leben, lässt ihn wieder schwimmen. Da könne er doch, falls ihm das wieder passiert, sich einen Wunsch erfüllen lassen. Gesagt, getan. Die beiden kriegen statt der armseligen Hütte ein Häuschen. Zu wenig ist dies der Ilsebill. Die will und will und will. Immer mehr. Bis sie den Bogen überspannt. Alles weg… Die Gier ging so lange zur See, bis … Und bei jedem neuen Auftrag, den der Fischer dem Fisch vortragen musste, wird das Meer schmutziger und schmutziger. Was einer der Mitspieler, dem Umweltschutz ein großes Anliegen mit freudigem Erstaunen bemerkte: Schon vor mehr als 200 Jahren war also die Meeresverschmutzung ein Thema!

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Mon(k)ey

Der Banani-Coin ist da
Showing der Theaterwild:Werkstatt „Wildfang“
Performance; 20 Minuten

Regie, Choreografie: Kirin España Orozco

Darsteller:innen: Agnes Egger, Mila Feiner, Lina Fritz, Noah Kupferblum, Naomi Kvam, Saya Hanna Mory-Lamprecht, Jan Pytlowski, Stella Rudgier, Janina Schmidt, Leo Schönwald, Emina Schwab, Alma Stuhlpfarrer-Hackl, Mara Szemeredi, Levi Veith-Winter

Hospitanz: Amina Guggenbichler

***

Do you have change?

Wir borgen nicht – wir stehlen nur
Theaterwild:Werkstatt „Wildwuchs“
Schauspiel; 50 Minuten; ab 10 Jahren

Regie: Felicitas Lukas

Darsteller:innen: Nilou Al-Maliky, Lilia Beer, Polina Drumel, Lena Göschelbauer, Amelia Laa, Laslo Lendais, Helena Macher, Alma Moschen, Matilda Plank, Matilda Rudigier, Kai Wenzl, Nico Werner Lobo, Letizia Lanzas Zilahi

Hospitanz: Veronika Hörmann
Beratung, Ausstattung: Michael Haller
Dramaturgische Beratung: Alexandra Ava Koch
Choreografische Beratung: Richard Schmetterer

***

Wollen

Theater:Wildwerkstatt „Wildwechsel“
Performance; 50 Minuten; ab 12 Jahren

Regie, Choreografie: Christina Rauchbauer

Darsteller:innen: die Teilnehmer:innen der June Castellucci, Theresa Feldhofer, Amelie Guzmán Sandoval, Marin Höflechner, Amrita Kumar, Constanze McGregor, Anna-Viktoria Schrimpf, Simon Stadler-Lamisch, Moritz Streimelweger, Helena Walzer, Ilija Zaitsev

Hospitanz: Stella Radovan
Kostüm, Bühne: Lila Scheibelhofer

***

Wunschlos

Theaterwild:Werkstatt „Wildwasser“
Schauspiel; ¾ Stunde; ab 7 Jahren

Regie: Gregor Steiner

Darsteller:innen: Emilia Beer-Gschweitl, Lotte Burger, (Lili Gőbl), Amelie Hössel, Karim Leifer, Alma Luschnik, Matteo Lusher, Miriam Naumescu, Giovanna Palmieri-Dormann, Sophie Szakasits

Hospitanz: Iliana Duty
Ausstattung, Maske: Markus Mathes

Wann & wo?

Wollen
13. Mai 2022; 10.30 und 18 Uhr

Wunschlos
13. Mai 2022, 10 Uhr

Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
Theaterwild:Festival