Interview mit der Kabarettistin, Ärztin und Psychotherapeutin Regina Hofer rund um ihr neues Programm „Habt’s mi gern!“
Weil im neuen Programm zu ihrem 30-Jahre-Bühnenjubiläum mehrfach die Arbeit in einer Obdachlosen-Einrichtung zur Sprache kommt, interviewte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Ärztin, Psychotherapeutin und Kabarettistin Dr.in Regina Hofer besonders zu diesem Bereich.
KiJuKU: Wieviel von dem was du auf der Bühne erzählst, ist Wahrheit und wieviel künstlerische Freiheit?
Regina Hofer: Spontan würd ich sagen, ist alles wahr.
KiJuKU: Auch der Französisch-Lehrer, der Schülerinnen sexuell missbraucht?
Regina Hofer: Ja, deswegen bin ich von Gmunden vom Gymnasium weggegangen, auch dass ich beim dritten Mal in der sechsten die Schul g‘schmissen und Lehre gemacht hab und dass mit der Abendschule und dass ich dann nach dem Medizinstudium beim Warten auf den Turnusplatz zur Bühne gekommen bin…
KiJuKU: Das mit der Obdachloseinrichtung hast du mir ja schon einmal erzählt, dass du dort arbeitest und dich fast am wohlsten fühlst?
Regina Hofer: Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich diese Menschen so gut verstehe, weil ich selber ja oft auch an der Kippe war. Dadurch fühle ich mich ihnen oft nahe. Bei mir gab es dann doch immer wen, der oder die mir geholfen hat. Ich glaube, das bräuchten auch Obdachlose. Wie schon August Aichhorn (Pionier der psychoanalytischen Sozialarbeit) 1925 sagte: Jeder Mensch braucht einen Freund. Es ist mehr als nur Ärztin sein, sondern es geht darum, zu ihnen zu stehen. Das sind Menschen mit heftigen Schicksalen und sie kriegen so wenig.
KiJuKU: Außerdem haben sie sozusagen die A-Karte in der Öffentlichkeit.
Regina Hofer: Ich find es so eine Frechheit, wenn ein Politiker sagt, die Mariahilfer Straße ist wegen Obdachloser unsicher. Aus dem Feindbild folgen dann Taten wie Morde an Obdachlosen auf der Straße. Statt ihnen beizustehen.
Ich seh das, wenn man länger miteinander arbeitet – am besten in multiprofessionellen Teams – gibt es so tolle Resultate, wenn sich die Leute angenommen und geborgen fühlen, lernen sie auch wieder, auf ihren Beinen zu stehen.
KiJuKU: Das heißt, diese Arbeit verschafft dir auch Erfolgserlebnisse?
Regina Hofer: Ich hab dort (Haus Hermes für 150 Obdachlose) immer wieder Patienten, die nach wenigen Wochen sagen: „Frau Doktor, mir geht’s so guad, i waß ned, wos los ist!“
Ich erleb dann sozusagen, dass bei einem Patienten, davor 30 Jahre niemand gesehen, dass der depressiv ist. Und schon kurze Zeit der Arbeit mit ihm hat ihn rausgerissen. Obdachlose werden oft einfach nicht wirklich ernst nimmt.
KiJuKU: Wäre das nicht einmal ein eigenes Buch mit exemplarischen Beispielen, um anderen die Augen zu öffnen.
Regina Hofer: Ich hab jetzt beim Welt-Psychiatrie-Kongress (Wien, 28. Spetember bis 1. Oktober 2023) ein Symposium organisiert über Obdachlosigkeit – mit vier internationalen Frauen aus Indien, Australien und Deutschland, die sich auch damit beschäftigen.
Und ich werde so ein Buch schreiben.
Aber zuerst hier ein paar Zitate aus der Rede von Dr.in Regina Hofer beim Weltkongress für Psychiatrie….
„Ich spreche heute über Psychotherapie bei obdachlosen Menschen, weil diese Menschen, die am meisten bräuchten, am wenigsten kriegen, wie Prof Dr. Michael Krausz schon 2013 sagt: Studien, die den Zugang zur Psychotherapie untersuchen, übersehen oft die obdachlose Bevölkerung. Derzeit sind in Österreich 20000 Menschen obdachlos. Jeder Mensch kann obdachlos werden, wir wissen nicht, welche Schicksalsschläge und Retraumatisierungen uns überraschen…
Es ist ein großes Glück für Therapeut:innen, also für mich, wieviel möglich ist, wie motiviert die Patient:innen sind, wie glücklich sie sind, wenn sie wahrgenommen und gehört werden, oft zum ersten Mal im Leben. Ich habe größte Hochachtung für die Patient:innen, denn ich weiß nicht, ob ich diese Situation ertragen könnte.
Ich habe so viel Freude, wenn etwas gelingt, mehr als in der Privatpraxis und so komme ich wieder zurück auf den ersten Punkt: Jeder Mensch braucht eine/n Freund/Freundin, denn hier ist meine eigene Geschichte hilfreich: Wo es Menschen gab, die den Absturz verhinderten oder mich auffingen und ich mit den Obdachlosen auf einer Ebene sein können.“
Zu einer Stückbesprechung geht es hier unten