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Regisseurin Brigitte Walk und Schauspielerin Ayşe Bostancı
Regisseurin Brigitte Walk und Schauspielerin Ayşe Bostancı
16.09.2022

„Rosa“ brachte ihr ein Jahr Vorschule ein

„Please smile!“ – ein Theaterstück zu Diskriminierungserfahrungen von Frauen und Migrationshintergrund als Anstoß für Diskussionen der Vorarlberger Arbeiterkammer.

Eine 35-jährige Frau ist zum Beratungsgespräch „Bewerbungstraining II“ bestellt. Sie ist um einiges zu früh dran – ob aus Überpünktlichkeit oder weil Zug/Bus in diese Stadt es nicht anders erlaubt hätten sei dahingestellt. Sie wechselt zwischen Sitzen, irgendwie auch nervös dabei die Position immer wieder verändernd sowie auf dem Gang auf und ab gehen. Und lässt uns teilhaben an ihren Gedanken, die ihr dabei durch den Kopf gehen. Erfahrungen auf ihrem Bildungsweg. Hin und wieder schlüpft sie dabei in Rollen – ihre eigene als Kind, Jugendliche, junge Erwachsene – sowie ihrer Gegenüber: einer überstrengen Volksschuldirektorin aber auch von Bewerbungstrainern. Sie hat ihren Job gekündigt, weil sie dort angestanden ist und einfach mehr will, ihrer Qualifikationen und Kompetenzen entsprechend.

Meryem, so ihr Name, der ihr schon so manche Diskriminierung eingebracht hat, weshalb sie sich angewöhnt hat, ihn ganz schnell auszusprechen, mitunter auch anzumerken: „Sie können ruhig Mirjam zu mir sagen.“

Regisseurin Brigitte Walk und Schauspielerin Ayşe Bostancı
Regisseurin Brigitte Walk und Schauspielerin Ayşe Bostancı

Probenbesuch

Das kurze Stück „Please smile!“ unter dem Übertitel „Mut/ Wutausbruch“ im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der „Schaffarei“ der Vorarlberger Arbeiterkammer wird vom 19. bis zum 21. September 2022 in Feldkirch (siehe Info-Block) zu erleben sein. Als Anstoß zu Diskussionen um Diskriminierung von Arbeitnehmer:innen – in dem Fall geballt: Frau und Migrationshintergrund. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … durfte einen Probenvormittag im Dornbirner TanzRaum beobachten.

Flotte Rollenwechsel

Die Schauspielerin Ayşe Bostancı schlüpft in die genannten unterschiedlichen Rollen, die Autor Amos Postner für die Solodarstellerin geschrieben hat. Geht hin und her und wir können direkt miterleben, wie sie in ihre Kindheit eintaucht. Zitiert Straßen- und Gassennamen – das erste, das Meryem lesen konnte. Schon bevor sie in die Schule kam. Und dennoch musste sie ein Jahr Vorschule besuchen. So will es die Direktorin. Grund: Die sechsjährige Meryem malt – unter anderem mit ihrer Lieblingsfarbe rosa. Auf die Frage, wie die Farbe heiße „hab ich einfach Rosa gesagt“.

Meryems Lieblingsfarbe
Meryems Lieblingsfarbe

Und was machte die Schulleiterin: „Da hat sie sich zu meiner Mutter umgedreht. Es war auch jemand da, um zu übersetzen. Und die Direktorin hat gesagt: Ja, sie kann die Farben nicht gut unterscheiden. Ja, sie tut sich schwer. Es ist besser für sie, wenn sie die Vorschule besucht.“

Häää? Des Rätsels Lösung: Die Direktorin hatte erwartet, dass Meryem „Hautfarbe“ sagt. Und das obwohl rosa bestenfalls die Hautfarbe viele Schweine und in Wahrheit kaum von Menschen ist. Was aber ewig lang dennoch so bezeichnet worden ist. Auch wenn selbst Weiße kaum wirklich rosa sind und es natürlich unzählige Hautfarben gibt.

Das sind Hautfarben-Stifte
Das sind Hautfarben-Stifte

„Fototipps“

Aber auch nach dem Zeitsprung von rund drei Jahrzehnten ins jetzige Leben von Meryem erfährt sie Diskriminierung. Obwohl hier geboren und aufgewachsen und mit offenem Haar beim genannten Bewerbungstraining, fühlt sich der Trainer bemüßigt mehrfach darauf hinzuweisen, dass sie ja nur kein Kopftuch für das Foto aufsetzen möge, das sie ihrer Bewerbung beifügt.

Dabei lässt die Schauspielerin den Trainer lebensecht zwischen traurigem Mitleid und ignorantem Nicht-Verstehen wirken.

Ach ja, noch einen Rat gibt der Trainer an die Bewerberin – den er auch für alle Frauen, auch Mirjam Bauer, parat hat und der dem Stück den Titel gibt: „Bitte, immer lächeln!“

Regisseurin Brigitte Walk, sieht akribisch zu, macht sich Notizen und ermutigt Ayşe Bostancı(übrigens wär’s nicht diskiriminierend, wenn Veranstalter:innen es schaffen, Sonderzeichen in Namen aus anderen Sprachen auch in Programmankündigungen hinzukriegen) in der Rolle des Beraters Bewerberin und Publikum für ziemlich doof zu halten. „Wenn er Foto sagt, zeig ruhig mit den Händen das Viereck eines Fotos!“

Eine Dame im Kopftuch solle nicht auf dem Bewerbungsfoto sein, sagte der Trainer ...
Eine Dame im Kopftuch solle nicht auf dem Bewerbungsfoto sein, sagte der Trainer …

Über den „Mut-/ Wutausbruch“ in der Schaffarei

Mit dem Format „Mut-/ Wutausbruch“ (den ganzen September) will die Vorarlberger Arbeiterkammer „brisante arbeitsrelevante Themen auf die Bühne“ bringen, heißt es im Folder und auf der Website der „Schaffarei“. „Im Zentrum der kurzen Theater-Monologe steht immer ein Arbeitskonflikt, der nachdenklich stimmt und Diskussions-Stoff liefert. Mal geht es um die verzweifelte pflegende Angehörige am Ende ihrer Kräfte. Um eine erschöpfte Führungskraft, die am Sonntagnachmittag E-Mails beantwortet, anstatt Zeit mit der Familie zu verbringen. Oder um eine Frau, die entdeckt, dass sie ein Drittel weniger verdient als ihr Kollege, dabei aber viel mehr Leistung bringt. Im Anschluss an das Stück gibt es Berichte aus der Praxis, arbeits- und sozialpolitisches Feedback zum Thema und ein moderiertes Publikums-Gespräch.“

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Please smile!

Text: Amos Postner
Regie: Brigitte Walk
Schauspiel: Ayşe Bostancı

Wann & wo?

19. bis 21. September 2022
jeweils 19 Uhr (nicht wie irrtümlich auf gedruckten Programmen 20 Uhr)
Schaffarei der Arbeiterkammer
6800 Feldkirch: Widnau 10; bei guter Witterung finden die Aufführungen im Innenhof unter freiem Himmel statt
Freier Eintritt
schaffarei -> please-smile