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Szenenfoto aus "Baron Koarl"
Szenenfoto aus "Baron Koarl"
29.05.2022

Schauspiel mit Musik lässt Wiener Original auferstehen

„Baron Koarl“ als „1. Wineer Sandler-Operette“, derzeit im Theater Center Forum (Wien-Alsergrund).

Ein Wiener Original, mehr als 70 Jahr nach seinem Tod, auf der Bühne zum Leben erweckt. Das ist die sogenannte 1. Wiener Sandler-Operette „Baron Koarl“. Derzeit zu sehen, hören, erleben Wiener Theater Center Forum (Details siehe Info-Block).

In kunstvoll zerrissenen, sauber zerlumpten Anzügen und Kleidern erleben wir – nach einer Art Ouvertüre mit einer Handpuppenfigur des Verhaltensforschers Konrad Lorenz und schon mit der Stimme des Hauptdarstellers über diesen Typen – die feuchtfröhliche Zusammenkunft einiger Obdachloser mit humorvollen Spitznamen im Favoriten der unmittelbaren Nachkriegszeit: Maschanzker-Pepi (Eik Breit), Eier-Wally (Doris P. Kofler), Kellergassen-Heinz (Heinz Jiras), Polar-Torschten (Nino Holm) sowie den neu hinzugestoßenen, deutlich jüngeren Kernöl-Kurtl (Florian Widhalm) und natürlich ihn himself, den Baron Koarl mit bürgerlichem Namen Karl Baron (Erwin Leder).

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Baron Koarl“

Echtes Vorbild

Letzteren gab’s wirklich. Er lebte von 24. Jänner 1882 bis 13. Oktober 1948, wirkte vor allem in der Zwischenkriegszeit, war Tischlermeister, der angeblich nach einem Unfall – und sehr unglücklicher Liebe – aus der Bahn geworfen wurde und auf der Straße landete.

Zahlreiche Anekdoten und sein großes Herz, viel Erschnorrtes an noch Ärmere, oft Kinder, weiterzugeben, ließen ihn – zumindest in Favoriten, damals DEM Wiener Arbeiterbezirk, berühmt werden. Angeblich pilgerten zum Begräbnis des „lieben Augustin von Favoriten“ auf den Zentralfriedhof rund 10.000 Menschen. (Seit 1995 ist sein Grab übrigens – laut Wikipedia – auf dem Matzleinsdorfer Evangelischen Friedhof). Er starb bei einem Verkehrsunfall.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Baron Koarl“

Zwischen Himmel und Hölle

Dieser spielt auch im Stück eine Rolle. Sowie seine Auffahrt in den Himmel, Anklopfen bei Petrus, Kampf zwischen Gott und Teufel um die arme Seele und Wiederkehr auf die Erde – für ein paar Tage, weil er noch eine Mission zu erfüllen habe… – mehr, vor allem von den überraschenden Wendungen gegen Ende sei nicht verraten. Allerdings schon, dass der Abend gekennzeichnet ist vom rhythmischen, witzigen Schauspiel – samt so mancher gelungener Rollenwechsel, immerhin spielen außer dem Hauptdarsteller alle anderen auch Totengräber, Engel und sonst noch vorkommendes Personal. Und das alles immer wieder mit Musik gewürzt – Klampfe, Schifferklavier (Gitarre, Akkordeon) –  – und nicht zuletzt mit Szenen der Persiflage von Musik-Casting-Shows, hier als „Die letzte Chance“ 😉

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Baron Koarl“

Buch, Radiosendung, Operette

Die Idee, aus dem Leben des doch eher in Vergessenheit geratenen Originals, dem der bekannte Autor Peter Henisch vor fast 30 Jahren im Buch „Vom Baronkarl“ (Verlag Bibliothek der Provinz) ein literarisches sowie in „Vom Baronkarl zum Schwarzen Peter“ ein Hörspiel-Denkmal setzte, eine Musik-Singspiel zu machen hatte Peter Steinbach. In der Inszenierung von Robert Persché spielt er selbst auf der Bühne – den Inspektor Wudracil. Für Text und Komposition zeichnet Nino Holm, Gründungsmitglied der EAV (Erste Allgemeine Verunsicherung) verantwortlich.

Übrigens gibt es nahe dem Erholungsgebiet Wienerberg die U-förmige Baron-Karl-Gasse – zwischen Buttingerteich und Otto-Probst-Siedlung in Wien-Favoriten in der Nähe des Friedrich-Adler-Wegs.

Verklärte Obdachlosigkeit

Der vergnügliche Abend liefert mitunter sozial- und nicht zuletzt medienkritische aktuelle Seitenhiebe, lässt aber einen insgesamt mitschwingenden schalen Beigeschmack: Ein verklärtes Bild von Obdachlosigkeit als wäre das Leben auf der Straße ein freiwillig, selbstgewähltes, wenngleich das für das Vorbild der Hauptfigur, den echten Karl Baron vielleicht sogar gegolten haben mag.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Baron Koarl

Die 1. Wiener Sandler-Operette
Eine Produktion von Wiener Blues Xtended

Idee: Peter Steinbach
Text & Komposition: Nino Holm
Regie, Dramaturgie & Bearbeitung: Robert Persché

Es spielen:

Baron Karl / Stimme der Puppe Konrad Lorenz: Erwin Leder
Maschanzker-Pepi / Pompfinewara / Petrus / Bohnenzeitungs-Eigentümer Hubalik: Eik Breit
Eier-Wally / Ministrant / Teufel / Klosterschwester Ruth Klobocek: Doris P. Kofler
Kellergassen-Heinzi / Ministrant / Engel: Heinz Jiras
Polar-Torschten / Pompfinewara / Engel: Nino Holm
Kernöl-Kurtl / Pompfinewara / Sensenmann: Florian Widhalm
Inspektor Wudracil: Peter Steinbach

Off-Stimme Herrgott: Klaus Kofler
Off-Stimme Conferencier: Peter Rapp

Musik: Nino Holm, Klaus Kofler („Inspektor in Favoriten“)
Bühnenbild & Requisite: Nino Holm, Robert Persché
Kostümbild: Doris P. Kofler; Babsi Langbein
Choreografie: Bernd Moser
Organisation: Peter Steinbach, Eik Breit
Regieassistenz: Helene Hütter

Wann & wo?

Bis 4. Juni 2022
Jeweils 19.30 Uhr
Theater-Center-Forum/ Saal  1
1090 Wien; Porzellangasse 50
Telefon: 01 310 46 46

theatercenterforum -> baron-karl

Buchtipp

Text: Peter Henisch
Baronkarl – alte und neue Peripheriegeschichten
Fotos: Sepp Dreissinger
180 Seiten
Verlag Bibliothek der Provinz
18 €