Mehrsprachiges, internationales Gastspiel aus Ruanda, Kenya und Burundi bei „Luaga & Losna“ in Vorarlberg.
Über die versteckte Treppe hinauf auf die Hinterbühne – wo sich das Publikum vor einem riesigen schwarzen Kunststoff-Wassertank niederlässt, wie er auf vielen Häusern Afrikas montiert ist, um Regenwasser zu sammeln. Um das kostbare, (Über-)Lebensmittel Wasser dreht sich das Gastspiel von Ishyo Arts Centre aus Ruanda und Théatre du Papyrus (Belgien): Abana B’Amazi – dies ist die Kinyarwanda-Version des auf Deutsch übersetzten Titels „Die Kinder des Wassers“.
Kinyarwanda ist neben (Ki-)Swahili, Englisch und Französisch Amtssprache in Ruanda, wo das Ishyo Arts Centre beheimatet ist. Dort entstand in einem langen Prozess mit Künstler:innen aus diesem Land sowie aus Kenya und Burundi, in Kooperation mit dem genannten belgischen Theater, dieses Stück nach einer Idee von Rivardo Niyonizigiye, das beim Internationalen Theaterfestival „Luaga & Losna“ im Vorarlberger Nenzing zu sehen, nein, erleben war.
Alle werden willkommen geheißen – nicht zuletzt mit dem chorisch gesungenen Lied „Nzoza ryari sha“ (ebenfalls Kinyarwanda mit u.a. der Bedeutung Ich warte darauf, dass du endlich kommst). Dabei geht’s zunächst durch den aufgeklappten Wassertank auf die Bühne und von dort in den Publikumsraum.
Der Wassertank ist auf der Bühnenseite nun eine große Stroh-gedeckte Hütte, einige der Künstler:innen gruppieren sich um Miniatur-Kopien der großen Hütte aus Kübeln mit spitzen runden Strohdächern. Sie erinnern sich an die Zeit, als es noch Wasser gab. Das einkassiert und nur mehr gegen Geld zu haben war.
Mit wenigen Worten – in den erwähnten Sprachen, aber auch einigen eingeflochtenen deutschen Wörtern – spielen Rivardo Niyonizigiye, Arthur Banshayeko, Juma Kennedy Oduor, Claudia Noëlla Shimwa, Abdoulrahim Mujyambere und Eliane Umuhire in großen, poetisch-sinnlichen Bildern. Durch letztere wird die Geschichte noch viel mehr als mit den bewusst spärlich eingesetzten Sätzen lebendig. Eine der beeindruckendsten Szene: Eine der Schauspielerinnen drillt ein Bein eines Mitspielers, der zum „Feuer“ wird und sich bedrohlich ausbreitet, die anderen „Bäume“ abfackelt.
Ebenso schmerzhaft spürbar Durst und der Entzug der Lebensgrundlage, das Geschäftemachen mit Wasser. Eine kleine handgebastelte Puppe symbolisiert die dürstenden, hungernden Kinder – oder auch das Wasser selbst? So manche der Szenenbilder lassen unterschiedliche Interpretationen offen. Amazi, die durch sorglosen Umgang der Menschen mit Wasser und Natur gekränkte Wassergöttin (in der süd-afrikanischen Sprache Zulu bedeutet Amanzi Wasser und auch Kinyarwanda ist eine der verandten Bantou-Sprachen) kann nur einerseits durch Opfergaben, vor allem aber die von der Puppe ausgehenden Tränen, die schließlich bei allen Mitspieler:innen aber auch aus dem Publikum gesammelt werden, besänftigt/umgestimmt werden. Sie steigt aus dem Himmel herab und wird zur wunderbaren Regenmacherin.
Der magische Schlussmoment: Sie taucht ihre Hände in einer großen Metallschale in Wasser, reibt die metallenen Griffe – Klänge entstehen, erfüllen den gesamten Raum – beruhigend, erfüllend, hoffnungsfroh. Die Wasseroberfläche kräuselt sich und Hunderte kleine Springbrunnen entstehen in der Schale. Da letzteres aus den Publikumsreihen nicht so gut zu sehen ist, dürfen alle, die wollen, nach dem Applaus die Bühne (wieder) betreten und selbst diesen physikalischen Effekt ausprobieren, der mehr wird als die reine Naturwissenschaft.
Schauspieler:innen, Sänger:innen, Autor:innen (Isabelle Pillot, Freddy Sabimbona), Regisseur:innen und Prodzent:innen (Carole Umulinga Karemera, Bernard Chemin) haben diese Geschichte über eines der brennendsten Probleme vieler Länder (nicht nur) Afrikas – Dürre einerseits und Privatisierung von Wasser, fehlende bzw. erforderliche Empathie und den Zusammenhalt, um wieder an Wasser – und Hoffnung – zu kommen, in intensiver, sehr langer blockweise zusammengekommener Zusammenarbeit entwickelt. Mehrmals veränderte sich im Lauf des Entstehungsprozesses die Geschichte. Die Spieler:innen haben aber auch viele Inputs für Bühne (Bühne: Didier de Neck) oder den Gesang (musikalische Leitung: Hervé Twahirwa) gegeben. Die verschiedenen Sprachen sind nie ein Hindernis (gewesen), Mehr- und Vielsprachigkeit ist in den meisten Ländern Afrikas gelebter Alltag.
Gespielt wird es – oft gleichzeitig an verschiedenen Orten – von zwei Ensembles. Jede und jeder der Mitwirkenden hat daneben, wie sie in einem Nachgespräch erzählen die unterschiedlichsten eigenen künstlerischen Projekte – Theater, Film, Texte … oder unterrichtet, vor allem (benachteiligte) Kinder und Jugendliche.
Compliance-Hinweis: KiJuKU wurde von Luaga & Losna zur Berichterstattung nach Feldkirch und Nenzing eingeladen.
Ishyo Arts Centre / Ruanda und Théatre du Papyrus / Belgien
Ensembleproduktion nach der Idee von Rivardo Niyonizigiye
Ab 6 Jahren
Text: Isabelle Pillot, Freddy Sabimbona
Mit: Rivardo Niyonizigiye, Arthur Banshayeko, Juma Kennedy Oduor, Claudia Noëlla Shimwa, Abdoulrahim Mujyambere, Eliane Umuhire
Regie, Produktion: Carole Umulinga Karemera, Bernard Chemin
Bühne: Didier de Neck
Musikalische Leitung: Hervé Twahirwa