„Venus im Pelz“ von David Ives, der die gleichnamige Novelle von Leopold Sacher-Masoch verarbeitet, im Wiener Theater Spielraum. Neue Spieltermine im Jänner 2023.
Mit einem Gag eines handgeschriebenen Plakats mit der Abkürzung VIP, die (fast) jede und jeder für Very Important Person (sehr wichtige Persönlichkeit), geleitet das kleine, feine, engagierte Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße das Publikum in den Saal zur aktuellen Produktion: „Venus im Pelz – zum Casting“ (ahhh!)
Gespielt wird aber nicht eine dramatisierte Fassung der gleichnamigen Novelle von Leopold Sacher-Masoch, sondern die übersetzte Fassung von „Venus in Fur“ (2010) des US-Dramatikers David Ives. Er packte die Original-Novelle in eine Rahmenhandlung am Theater (Regie: Gerhard Werdeker).
Regisseur Thomas Novatschek (Christian Kohlhofer) sucht nach einer Darstellerin für sein Stück (ahhh Casting!). Sch…tag in dem von kaltem Licht erstrahlten Proberaum (Bühne: Dimiter Ovtcharov und Markus Filgut; Kostüm: Anna Pollack; Licht: Tom Barcal). Viele Schauspielerinnen waren vorsprechen, keine schien im geeignet. Gerade als er sich frustriert zusammenpacken will, seine Freundin anruft und bespricht, was er unterwegs fürs Abendessen einkauft, steht auf einmal sie da. DIE Venus im Pelz sozusagen. Überzeugt davon, auch wenn viel zu spät dran, DIE Richtige zu sein (Selina Ströbele).
Eigentlich mag er sich nichts mehr anhören. Sie schon gar nicht, die keine Ahnung von dem Drama zu haben scheint. Das hält er ihr massiv vor. Und dann zitiert sie ansatzlos, reihenweise aus dem Stück. Seinem Stück.
Und schon kippen sie beide – er sehr widerwillig – in das Stück rund um angebliche oder vorgebliche Liebe, Schönheit, Machtverhältnisse, Unterwerfung, Versklavung, Schauspiel, Verschwimmen von Realität und Fiktion, von Leben und Schauspiel, wird sie zu Sacher-Masochs Wanda von Dunajew und er zum Severin von Kusiemski. Hin und wieder reißt es ihn, checkt er, zu sehr aus der Rolle in reales leben zu gleiten. Irgendwie scheint sie seine geheimsten Wünsche zu erfüllen, sich von ihr physisch und psychisch erniedrigen zu lassen. Was ihm dann, sobald sie es tierisch ernst nimmt, doch zu weit zu gehen scheint.
Woher diese seine Wünsche kommen? Als Kind sei er von einer Tante mit Birkenrute geschlagen worden. Was er als Lust empfunden habe. Vielleicht weil’s die einzige körperlich Zuwendung war, die er erfahren durfte.
Oder auch nicht. Spielarten von Liebe und Sexualität – unter Erwachsenen – will das Stück nicht werten, wenngleich selbst Leopold Sacher-Masuch in dem vor 150 Jahren verfassten Original unter anderem schreibt: „Daß das Weib, wie es die Natur geschaffen und wie es der Mann gegenwärtig heranzieht, sein Feind ist und nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin. Dies wird sie erst dann sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.“
Partnerschaft, Gleichberechtigung, Über- oder Unterordnung. Gefühle oder gefangen in der Unterwerfung… Dass sich die Rahmenhandlung um die Arbeit an einem Stück dreht, thematisiert damit offensichtlich auch die Machtfrage am Theater, nicht zuletzt die in den vergangenen Jahren immer wieder ans licht gekommenen Fälle von Machtmissbrauch – nicht nur, aber doch meist von männlichen Leitern. Aber auch jene von individuellem, aber auch strukturellen Rassismus. Gespielt in einer packend-berührenden Art und trotz der Länge – fast zwei Stunden ohne Pause – kurzweilig auf der Achterbahn der Gefühle, des Auf und Abs von Unterdrückung bzw. Unterwerfung.
von David Ives
Deutsch von Michael Raab
Inszenierung: Gerhard Werdeker
Wanda: Selina Ströbele
Thomas: Christian Kohlhofer
Bühne: Dimiter Ovtcharov und Markus Filgut
Kostüm: Anna Pollack
Licht: Tom Barcal
Abendtechnik: Daniel Leitner
12. bis 28. Jänner 2023
Theater Spielraum: 1070, Kaiserstraße 46
Telefon: 01 713 04 60
theaterspielraum -> Venus im Pelz
Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin; www.felix-bloch-erben.de